Wir waren dieser Tage einmal mehr in der Großstadt, genauer gesagt in Frankfurt, ich weiß gar nicht, ob ich das tatsächlich als Großstadt gelten lassen kann, aber das ist jetzt ein anderes Thema. Jedenfalls waren wir in einer großen Stadt unterwegs, und am Ende stand die ernüchternde Erkenntnis: Ich bin für das Leben in großen Städten, für die Herausforderungen der Metropolen, definitiv nicht mehr geeignet. 25 Jahre Berlin hin oder her. Tragisch aber wahr.

Dabei stand die ernüchternde Erkenntnis gar nicht am Ende, sondern vielmehr schon am Anfang unseres kleinen Großstadtabenteuers. Bevor Großstadtabenteuer mit mir nämlich überhaupt erst so richtig beginnen können, muss ich nach der langen Autofahrt und einem halben Liter Wasser in der Regel ersteinmal dahin, wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht, hüstel, hüstel, naja, Sie wissen schon.
Der Kaiser hätte hier allerdings schön dumm aus der Wäsche geguckt, denn handelsübliche Kaiser, wie ich sie mir vorstelle, hätten in die sehr schicke, aber winzige Kabine des Museums Schirn schon mal überhaupt nicht hineingepasst. Kaiser Bhumibol vielleicht, oder irgendso ein anderer schmalbrüstiger asiatischer Hänfling, aber der Karolinger Kaiser Karl der Dicke (839 – 888) beispielsweise, der hätte sich irgendwas einfallen lassen müssen. Karl der Dicke hätte vermutlich zurück ins Parkhaus gemusst, in der Hoffnung, dass die Kabinen dort etwas geräumiger sind.
Wie dem auch sei, nachdem ich meine mittelgroße Umhängetasche abgenommen habe, passe tatsächlich auch ich mit meiner Konfektionsgröße 38 durch die Tür und in die Klosettkabine hinein, ich schaue mich also da so um, soweit die eingeschränkte Bewegungsfreiheit das zulässt, und mein Blick fällt auf einen Kasten an der Wand. Nun lebe ich zwar in der Provinz, aber ich arbeite doch für eines der modernsten Funkhäuser Europas, bin also allem Technischen gegenüber sehr aufgeschlossen, ja, ich bin ja fast schon sowas wie ein halber Technikfreak, möchte ich sagen, also betrachte ich den Kasten näher.

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Die Innenarchitekten des Frankfurter Schirn-Museums sind ihrem Grundsatz treu geblieben, alles Schriftliche so winzig wie möglich zu machen, aber nun sind die Entfernungen in der klitzekleinen Klokabine ja nicht allzu weit, also beuge ich mich vor, um die Bedienungsanleitung für den Kasten in aller Ruhe erstmal zu studieren, bevor ich mich auf irgendetwas anderes einlasse. Es handelt sich also hier offenbar nicht um eine handelsübliche Toilet, sondern um eine Toto Neorest Washlet, entnehme ich staunend Bildern und Schriftzeichen. Aha, aha, denke ich, sowas gibts im Odenwald ja nicht. Sowas habe ich noch nie gesehen.
Weil ich nun aber vor der Kloschüssel stehe und mich lesend zu dem Kästchen herunterbeuge, komme ich offenbar mit meinem Kopf in den Erfassungsbereich des Klobrillenöffnungs-und Schließ-Sensors, ich lese also staunend, während gleichzeitig vor mir der Klodeckel immerzu sanft schnaufend auf- und zu klappt. Es ist, als wolle er mir etwas sagen, vielleicht möchte er mir sogar die Handhabung eines großstädtischen washlets erklären, dabei blinken am Rande der Brille rote und blaue LED-Lämpchen, das Klosett zwinkert mir gleichsam verschwörerisch zu und atmet mir aus weit aufgerissenem Maul warme Luft entgegen.
Hier muss es sich offenbar um den besonders sanften Luftstrom zur Trocknung handeln, von dem auf dem Kasten die Rede ist. Außerdem steht da noch was von Düsen und Intimbereich und hin und zurück und von Geruchsabsaugung, und der Klodeckel vor mir öffnet und schließt sich seufzend, als verlöre er langsam die Geduld mit mir.
Ich kann mich nicht überwinden, testhalber auf einen der Schalter zu drücken, mir ist das alles unheimlich, aber während ich mich in der Kabine kurz umzudrehen versuche, gerate ich offenbar an irgendeinen der Knöpfe, ein unglaubliches Rauschen ertönt, ich kreische vor Schreck kurz los, und drücke dann hektisch und völlig wahllos auf die Tasten Rear, Front, Rear, Pressure, position, es rauscht weiter, offenbar habe ich 3L-Flush gedrückt (aktiviert die wassersparende Tornado-Spülung), und ich denke in einer kurzen Panik darüber nach, wie ich jemals schnell aus diesem Kabuff kommen soll, falls hier jetzt die washlet-Tornado-Flut losbricht wie einst die biblische Sintflut.
In all dem Tornado-Rauschen ermahne ich mich selber streng zur Ruhe und nehme meinen technischen Verstand noch einmal zusammen, ich glotze konzentriert auf schriftliche Anweisungen und die dazu passenden oder unpassenden Abbildungen, es rauscht und rauscht, der Klodeckel geht seufzend auf und seufzend zu, weil ich zwangsläufig noch immer in seinem Bewegungsmelderfeld herumzappele, ich aktiviere jetzt kurz- und wildentschlossen den Dryer (aktiviert den sanften warmen Luftstrom zur Trocknung) und den Power-Deodorizer (verstärkt die Geruchsabsaugung), nun ist wenigstens halbwegs wieder Ruhe, es summt ein warmes Lüftchen durch das Kabuff und saugt vermutlich den Geruch ab, den mein kalter Angstschweiß inzwischen hier verbreitet hat. Ich stehe ratlos vor der Kloschüssel, der Deckel schließt sich ein letztes Mal seufzend, als wollte er sagen Wenn Du zu blöd zum Pinkeln bist, dann geh!
Geo, sage ich, wieder oben im Museum, Geo, ich muss nochmal schnell zurück ins Parkhaus.
Und jetzt weiß ich auch nicht weiter.