Ein Protokoll.

 

 

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Mein Name ist Paul Zimmermann. Geboren wurde ich kurz nach Mitternacht am 3.1.1953 in Schollbrunn.  Eine Hausgeburt. Der Arzt kam am nächsten Tag mit den Skiern aus Strümpfelbrunn zur medizinischen Versorgung des Babys.

 

 

 

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Ich hatte eine unvergessliche Kindheit in diesem Bauerndorf. Jeder Tag war ausgefüllt mit neuen Abenteuern. Die Hausschlachtungen, das Spielen im Wald und auf der Müllhalde. Der Eigenbau von Seifenkisten. Wir haben mit den Fröschen und Salamandern an den Schollbrunner Brunnen gespielt. Eines Tages hing auf dem Nachhauseweg ein halbes Kalb vom Ast eines Baumes.

 

 

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Weil ich als Revoluzzer  die Kinder immer gegen die Kindergarten-schwester mobilisierte,wurde ich mit 6 Jahren aus dem Kindergarten ausgeschult. Die erste Zigarette geraucht. Ohne Gummihose. Die Grundschule absolvierte ich in der Schollbrunner Dorfschule. Zwei Klassenzimmer, acht Klassen, zwei Lehrer. Im dritten Schuljahr habe ich einmal ungewollt während des Unterrichtes durch die Hände geblasen und wurde dafür vom Klassenlehrer gezüchtigt: Zwei Schläge mit dem Rohrstock über meine  ausgestreckten Finger. Prügelstrafe. Boys dont cry.

 

 

Dieser besagte Lehrer wurde  später  Schulrat, eine hochangesehene Persönlichkeit. Schollbrunn war seine erste Lehrerstelle. Der Odenwald verkörpert sich in mir und ich mich in ihm. Genauer gesagt, komme ich vom Winterhauch, der ein  Randgebiet des Odenwaldes ist.  Die Winterhauchgemeinden waren früher nachEberbach orientiert.  Nicht nur die Betweiber fuhren einmal pro Woche mit dem Postauto zum Einkaufen nach Eberbach.

 

 

 

 

Der Odenwald hat mich geprägt, insbesondere die Lebensweise und Denkart des Odenwälders. Der Winterhauch bedeutet für mich der „Katzenbuckel“, die Schollbrunner Mühle, die Wolfsschlucht.

 

 

Die Wintermonate waren immer bitterkalt, aber  Ski und Rodel  machten Spass.  An einen Meter Schnee kann ich mich noch gut erinnern. Wir waren total eingeschneit. Irgendwann kam eine Schneefräse und hat uns befreit.

 

 

Nach neun Jahren Hohenstaufen-Gymnasium in Eberbach habe ich 1972 das Abitur gemacht. Da ich sprachbegabt bin und mit der Mathematik auf Kriegsfuss stehe, fing ich an, Gedichte und Drehbücher zu schreiben.

Bei der  Aufnahmeprüfung an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen bin ich gescheitert.

 

 

Stattdessen habe ich dann 1974 eine Keramikerausbildung in der Töpferei Hans und Renate Heckmann in Schwäbisch Hall angefangen. Gesellenprüfung! Gesellenjahre.

 

Im Herbst 1978 bin ich dann nach Japan aufgebrochen.

 

 

Foto: Fabian Voswinkel/pixelio.de
Foto: Fabian Voswinkel/pixelio.de

 

 

 

Man hatte mich gewarnt: Japan war damals alles andere als ein Reiseland, mit Englisch würde man nicht durchkommen. Genauso war es. War mir egal.

 

Ich habe bei einem Freund einen Karton mit meinen Sachen untergestellt und bin die Südroute nach Japan geflogen. 32 Stunden mit vielen Zwischenlandungen.

 

 

In Japan habe ich all die alten Töpferorte besucht, berühmte Töpfer und Museen.  Am Ende dieser ersten Japanreise bin ich bei einem weltweit bekannten deutschen preisgekrönten Keramiker untergekommen. Er hat mich in die Geheimnisse der japanischen Keramik eingeführt. Anschliessend habe ich bei 2 japanischen Töpfern in Westjapan studiert.

 

 

Foto: Günter Havlena/pixelio.de
Foto: Günter Havlena/pixelio.de

 

 

Keramik hat in Japan einen anderen Stellenwert, ist fast schon wie eine Art Religion oder Philosophie: die Ästhetik, die Asymmetrie als Gestaltungselement, die Ascheglasuren, die Hangstufenöfen, die tagelang mit Holz gefeuert werden….

 

 

1984 bin ich nach Deutschland zurückgekehrt und war in Mosbach als Sprachdozent an der Volkshochschule. 1987 habe ich ein eigenes Keramikatelier in Mosbach eröffnet. Und 1990 bin ich dann mit meiner japanischen Frau und meiner Tochter Akane zurück nach Japan gegangen.

 

 

Hier betreiben wir seit 1994 die (anklicken!!)  „German Cafe“- Backstube in Hanamaki. Wir sind spezialisiert auf deutsches Essen, deutsche Vollkornbrote, deutsche Kuchen. Wir verschicken unsere Produkte per ups im gesamten japanischen Archipel. Viele Backzutaten, z.B. den Quark, müssen wir selbst herstellen.

 

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Seit 8 Jahren verkaufen wir außerdem Zinnfiguren eines Giengener Zinngiessers, darauf sind die Japaner ganz verrückt. Meine Zinnfigurensessions sorgen jedes Mal für Aufsehen.

 

 

 

Meine Frau und ich, wir haben von Anfang an nur Japanisch miteinander gesprochen. Sie hat ja fast dreieinhalb  Jahre in Mosbach gelebt, einige Zeit an der VHS Deutsch gelernt,  versteht mehr, als sie selbst spricht. Wir hören gerne die Cds von Helene Fischer.  Damit kann man auch gut Deutsch lernen. Den Odenwälder Dialekt versteht sie bedingt.

 

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Im Eingangsabereich unseres Cafes hängt ein riesiges Foto vom Palm’schen Haus in Mosbach. Auf dem Zinnfigurenschrank steht eine Replik des Brandenburger Tores. An der Wand eine Kuckucksuhr. Unsere Gedanken sind immer im Odenwald. Sehnsucht habe ich aber nicht.

 

 

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Aber ich denke gerne an mein Geburtshaus in Schollbrunn. Mein Eltern betrieben eine Schweine- und Gefügelzucht. Ich bin mit den gescheckten Ferkeln und freilaufenden Hühnern aufgewachsen. Jeden Morgen wurden die Entenküken abgeküsst.  Ich hatte meine eigene Kaninchenzucht. Im Garten halfen wir fleissig mit und unterstütztendie Eltern. Ich habe gern mit Zinnfiguren gespielt. Ich wuchs auf zu einer Zeit, wo es weder Handy nochPC gab.Eigentlich nur Radio.  Das Fernsehen kam dann Anfang der sechziger Jahre, begrenzt auf ein paar Stunden pro Tag. Die zwischenmenschliche Beziehung war noch intakt. Sonntagnachmittags haben wir mit den Eltern Spiele gemacht. Heute kommen die Kinder schon mit dem Handy auf die Welt.

 

 

Ich bin Odenwälder durch Geburt. Ansonsten bin ich ich. Hier passt keine Schablone. Ich war immer Eigenbrötler.

 

 

 

 

 

 

 

3 Kommentare zu “Big in Japan.”

  1. Toll! Hab ich atemlos gelesen, denn der Start ins Leben am Odenwaldrand – das hätte meiner sein können ( nur Tatzen hab ich keine gekriegt – Mädchen kamen in die Ecke ). An die irrsinigen Winter erinnere ich mich auch sehr gerne, an die Erforschung der Tierwelt in den heimischen Gewässern auch. Und mit den Kindergartenschwestern und ihrer Scheinheiligkeit stand ich auch auf Kriegsfuß ( Sie haben dazu beigetragen, dass ich in diesem zarten Alter schon meine Distanzierung von der Kirche begann ). Nur war mein Landleben kurz vor meinem 9. Geburtstag vorbei, als die Familie in die Stadt zog. Mein erster Weltuntergang! Um damit fertig zu werden, habe ich alle heimatlichen Gefühle begraben & mich zum Städter bekannt. Und jetzt wird hier in den Odenwälder Blogs nach 54 Jahren alles wieder aufgerissen…
    LG
    Astrid

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