Das Wochenende dient unsereinem zur Erholung – umso mehr, wenn man zuvor drei Tage lang in der Großstadt unterwegs war. Ich durfte den Nachwuchs an der Deutschen Journalistenschule in die praktische Radio-Aktivität einführen, ich mache das schon seit ein paar Jahren, es ist mir Ehre und Vergnügen zugleich.

Alles olle Handybilder

Trotz der regelmäßigen Besuche, trotz der Tatsache, dass ich da selber mal ein gutes Jahr gelebt habe: München und ich, wir werden in diesem Leben keine Freunde mehr. Bayern und Preußen, das geht ja angeblich ohnehin nicht, in meinem Fall scheint sich das zu bewahrheiten. Vielleicht müsste ich mal als Touristin hin.

So aber hetze ich morgens vom Hotel zur S-Bahn, abends wieder zurück, rasende Radfahrer, e-Scooter und hippe Lastenfahrräder trachten mir nach dem Leben, sie kommen von allen Seiten und pochen auf das Recht des Stärkeren. Rumpelnde Rolltreppen tragen mich in den muffigen Bauch der Stadt, es riecht nach altem Urin und frischem Aftershave, nach Schweiß und Frittenfett.

Immerhin: Bei der Ankunft am Hauptbahnhof kotzt mir ausnahmsweise niemand vor die Füße, früher passierte mir das nahezu regelmäßig, besonders, wenn Oktoberfest war. Vielleicht lag das aber auch an mir, vielleicht fanden mich die Leute alle zum Kotzen, wer weiß das schon, diesmal jedenfalls komme ich trockenen Fußes durch die wimmelnden, drängelden Menschenmassen bis ins Hotel.

Immerhin kenne ich mich in der Weltstadt mit Herz noch immer und wieder so gut aus, dass ich in der S-Bahn nicht dauernd auf den Liniennetz-Plan glotzen muß wie so eine unsichere Touristin vom Land. Ich starre stattdessen auf die kleinen Bildschirme, die unter der Decke im Waggon hängen, es kommen die Nachrichten aus aller Welt, Krieg, Überschwemmungen, Feuersbrünste, das volle Programm, dazwischen ein lustiges kleines Quiz gegen die S-Bahn-Langeweile.

Egal, wo man in München wohnt: wie weit ist es durchschnittlich bis zum nächsten Supermarkt?, steht da geschrieben. Ich überschlage im Kopf schnell die sechs, sieben, acht oder zehn Kilometer, die ich im Odenwald bis zum nächsten Supermarkt zurücklegen muß und warte gespannt auf die Antwort, die wenige Sekunden später aufleuchtet: 330 Meter! Hysterisch lache ich auf, etwas zu laut. Die Mitfahrenden gucken komisch.

Am Freitag mittag von Berg am Laim zurück zum überfüllten Münchner Hauptbahnhof, in den stickigen ICE auf Bahnsteig 13, umsteigen in Würzburg, alles drängelt, rennt und schiebt, Lautsprecher plärren, Menschen schimpfen. Ein paar Stunden später, kurz nach 18 Uhr, stehe ich mutterseelenallein am Zielbahnhof in Osterburken. Auf Gleis Eins turteln gurrend zwei zerzauste Tauben, sonst bewegt sich nichts.

Der Bahnhof begrüßt die Reisenden mit verrammelten Türen und Fenstern, eine Empfangshalle, einen Aufenhaltsraum gibt es schon lange nicht mehr, die Bahn hat den Bahnhof längst abgeschrieben. Die Holztür zum WC steht halb auf und erlaubt den Blick ins Innere, aber so genau will man es dann doch nicht wissen. Freiwillig geht hier nur rein, wer an einer extrem schwachen Blase oder einer bösen Magen-Darm-Geschichte leidet und sich wirklich, wirklich nicht anders zu helfen weiß.

Drüben, im Dönerladen, ist noch Licht, im Fitness-Studio auch. Das Cafe daneben hat geschlossen, das große verwaiste Postgebäude links träumt von den alten Zeiten, als es noch genutzt, gebraucht wurde. Vor den Türen sammeln sich leere Bierdosen, Papierfetzen und Kippen; was nicht in den riesigen Müllschluckern am Durchgang zu den Gleisen landet, weht der zugige Wind hierher.

Auf dem kleinen Parkplatz steht mein Auto, brav hat es auf mich gewartet, die drei Tage. Rechts und links sind die Parkplätze frei, alles leer. Von Richtung Bofsheim her nähert sich ein LKW, fährt am Parkplatz, am Bahnhof vorbei, dann ist es wieder abendlich still. Bevor ich einsteige, um nach Haus zu fahren, gucke ich mich nochmal um und denke: Schön! Schön, wieder da zu sein. Trotz allem. Oder wegen allem.

Naja, Sie wissen schon.

Der Gatte malt und bloggt: Klick!

3 Kommentare zu “Unterwegs.”

  1. Sollten Sie wieder einmal in die “Weltstadt” mit “Herz” kommen, biete ich an:
    Sie können bei uns wohnen (einliegermäßig, selbstständig) und ich führe gern zu den Schönheiten.

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