Ich unterzeichne alle Mails, auch einen Teil der dienstlichen, seit Wochen nur noch mit Herzliche Grüße aus der Zentrale des Wahnsinns, und niemand wundert sich darüber, die meisten schreiben zurück Zentrale des Wahnsinns, die ist doch hier bei MIR!? Es ist der übliche Jahres-Endspurt im Büro, der mich am Rennen hält. Man kommt zu nix.

Nicht mal zu Weihnachten kommen wir, aber das ist nicht schlimm, wir feiern eigentlich nie Weihnachten. Wir laden Menschen ein, die aus verschiedensten Gründen keine Lust auf Weihnachten haben, die aber auch nicht alleine sein wollen, das waren schon die schönsten Abende bei uns am Esstisch. Wechselnde Besetzung, nettes Essen, nette Gespräche, aus Fremden werden Freunde, – fertig.

Nein, sie hat leider doch keine Zeit mehr für einen kurzen Kaffee im Städtchen, stöhnt die Freundin am Telefon, die Kinder kommen früher als geplant, sie muß noch einkaufen, schmücken, backen, kochen, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Ein Bekannter fragt telefonisch, wie er das durchhalten soll, die ganze Familie reist an, er ist gesundheitlich angeschlagen, hätte gerne seine Ruhe. So geht das in den vergangenen Tagen dauernd, das Telefon klingelt, die Anrufer sind gestresst. Wir bekunden jeweils unser Mitgefühl, aber naja, Sie wissen schon.

Ich habe mir die Haare abschneiden lassen. Aber so richtig. Die Frauen sind begeistert, die Männer entsetzt. Ich werde jedenfalls die wenigen Bilder von mir auf diesem Blog mal erneuern müssen. Und die Urne der uralten Tante habe ich, knapp zehn Wochen nach ihrem Tod, nun endlich auch unter die Berliner Erde gebracht, dem Himmel sei Dank, und manchmal denke ich, das Eine hängt vielleicht mit dem Anderen zusammen. Wer weiß.

Im klitzekleinen Nachbardorf veranstalten sie seit fast 30 Jahren einen ebenso klitzekleinen Weihnachtsmarkt zu einem guten Zweck, und in diesem Jahr sind an den zwei Markt-Tagen auf dem klitzekleinen Platz des klitzekleinen Weihnachtsmarktes 25.000 Euro zusammengekommen. Fünfundzwanzigtausend. Die werden jetzt verteilt an Menschen, die in irgendeine finanzielle Not geraten sind. Ehrenamt auf dem Lande, ich sags ja nur. Mein Lieblingsthema.

Im anderen Nachbardorf hat es einen Todesfall gegeben, ein lieber Bekannter ist gestorben, eine Mischung aus Einsiedler, Original und Institution, tot und friedlich lag er im Bett. Licht im Schlafzimmer an, aber auf das Klingeln an der Tür nicht reagiert, da waren gleich mehrere Menschen hellhörig und mißtrauisch geworden. Dieser Tage ist Beerdigung, und ich mag mir nicht ausmalen, wie sich die Geschichte in einem anonymen Mietshaus in der Großstadt zugetragen hätte.

Ich versuche erfolglos, einen metallenen Asche-Eimer und einen (einzelnen) Schürhaken für den Kamin zu kaufen, so ganz altmodisch analog, vor Ort, in einem Geschäft, wahlweise im Baumarkt. Nichts zu machen. Alles ausverkauft.

Morgen ist der düsterste Tag des Jahres, danach kann es nur bergauf gehen. Guck mal, zehn nach Vier, und noch so hell!, werden wir dann nachmittags wieder rufen, und einige Tage später Guck mal, zwanzig nach Vier, und noch so hell!, undsoweiterundsoweiter, jedenfalls haben wir dann wenigstens über die Feiertage Gesprächsstoff, der Gatte und ich.

11 Kommentare zu “Zentrale des Wahnsinns.”

  1. Was für ein Jahr liegt bald hinter uns? Ist Weihnachten noch das Fest der Liebe? Gilt noch “Oh Du fröhliche….. in Zeiten es Krieges, wenn auch fernab? ….und dazu die Hektik: wie schreiben Sie immer treffend “na ja,
    Sie wissen schon!” Auch diesmal!
    Füllen auch Sie die festlichen Tage mit Mann, Hündle und Federvieh aus, mit Zeit zum Ausruhen und Genießen.
    Rundum Dank für alle “LandLebenBlock’s”, sie begeistern uns immer wieder auf’s Neue.
    Und dann bis demnächst! Mit lieben Grüßen nach “Balschboch”

  2. Tut mir leid, ich kann leider wegen Zeitmangel keinen Kommentar schreiben. Wissen Sie, wer vor der Tür steht?
    Richtig: Weihnachten…

  3. Es ist kurz vor der Wintersonnwende!
    Zur Orientierung für alle, die das nicht kennen:
    Zu Weihnachten a Muckngahn (ein Mückenschritt), zu Neujahr a Hahnentritt, zu Heilig Drei Könige a Hirschensprung und zu Maria Lichtmess a ganze Stund.

    Es geht aufwärts!

  4. Oh wie wahr,O.war ein Orginal und egal wie kauzig,ich habe ihn gemocht. Manchmal ist Rauchen auch ein Lebenszeichen. Wenn man ihn den ganzen Tag über nicht sieht,muss was passiert sein.Ich bedauere seinen Tod.

  5. Kennen Sie die “Mumins”? An die Erzählung, wie diese einmal Weihnachten erlebten, muss ich immer denken, wenn ich Menschen wahr nehme, die zu dieser Zeit des Jahres von Besinnlichkeit zu Besinnlichkeit hetzen.

    An Heiligabend mag ich am Liebsten die völlige Stille da draußen!

    1. Wintersonnenwende – HURAAAAA. es geht aufwärts. (Danke für den schönen Spruch @Ute) Das hält mich aufrecht im vorweihnachtlichen Chaos. Dennoch:
      Weihnachten kommt, die Nacht aller Nächte. Wo uns ein Kind geboren ward. Für mich die tröstliche Botschaft, dass es immer weiter geht. In der Hoffnung auf bessere Zeiten, auf Umkehr von Vielem- mit jedem neugeborenen Menschlein. Dieses Jahr keine Weihnachtsparty mit den Gestrandeten in meinem Wohnzimmer. Dieses Jahr mache ich mich auf das Christkind zu suchen…
      Vielen Dank für diesen Blog, die wunderbaren Texte und Fotos. Mal nachdenklich, oft so herrlich hintersinnig bis ironisch. Große journalistische Kunst. Ich teile die Liebe zur Heimat und zum Landleben. Sie haben mich ein weiteres Jahr begleitet und bereichert. Schöne Weihnachten und alles Liebe für 2023. Ihnen, dem Geo, dem lieben Vieh und allen LeserInnen.

    2. Oh ja, Alexandra, sicher ist “Winter im Mumintal” gemeint, wo sie versehentlich aus dem Winterschlaf aufwachen und eine ganz unbekannte Welt entdecken, oder? Das schönster aller Mumin-Bücher von Tove Jansson, meiner Meinung nach, und ich habe es meinen Kindern vorgelesen, und wir haben es alle geliebt…
      Genau: die Stille, selbst in der Stadt an Heiligabend, die macht mir auch immer die weihnachtlichsten Momente, wenn ich ganz allein damit bin.
      Herzliche Grüße aus der Großstadt!

  6. Hach, meine Zentrale des Wahnsinns habe ich gestern geschlossen. Heute meint der Körper, es langsam angehen lassen zu wollen. Ist ok, liegen wir noch ein bissel herum.
    Alles Gute und viele Grüße

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