Was wir eigentlich den ganzen Tag so machen, das will die freundliche Nachbarbloggerin immer am Fünften eines Monats wissen, man bekommt da einen Einblick in andrer Leuts Alltag, und falls Sie das interessiert, bitte sehr. Bei mir bekommen Sie heute einen Einblick in einen stinknormalen Montag einer stinknormalen Regionalreporterin auf dem sogenannten Lande.

Wobei, so stinknormal ist dieser Montag nicht, ich habe etwas kräftezehrende Tage und Wochen hinter mir und muß nun erstmal aufladen. Mich und die Gerätschaften, die ich so brauche als multimediale Medienmacherin. Siehe oben auf dem Foto. Zumindest ein Teil davon. Funkmikrofone, Powerbank, Bluetooth-Kopfhörer, smartphone. Auf dem Foto fehlen: Ansteckmikrofon, Kamera, zweite Powerbank. Das alles braucht Saft und Kraft aus der Steckdose.

(Dabei fällt mir übrigens die Anekdote ein, wie Freund Jörg damals seine zwei kleinen Neffen antraf, wie sie eben mit bunten Plastik-Strohhalmen in einer Steckdose herumstocherten, und die auf seine leicht hysterische Frage WasUmAllesInDerWeltMachtIhrDa??? antworteten: Der Papa hat gesagt, da ist Saft drin. Aber das jetzt nur am Rande)

Jedenfalls stehen an diesem Montag keine Termine im Kalender, ich groove mich nach einigen Tagen Abwesenheit wieder in den Reporterinnen-Alltag ein. Während die Gerätschaften blinkend aufladen, befasse ich mich mit der hausärztlichen Versorgung auf dem Lande und telefoniere dazu mit einem Mediziner, besser gesagt mit seiner Assistentin (Der Herr Doktor ist noch im OP, bitte versuchen Sie es später nocheinmal), ich versuche zu ergründen, ob Borkenkäfer Odenwälder Christbäume fressen, schicke Mailanfragen an die Deutsche Greifenwarte auf Burg Guttenberg und an einen Staatsanwalt, leite den Kollegen im Funkhaus Mannheim den Hilferuf eines Heimatmuseums im Rhein-Neckar-Kreis weiter, das aus seinen Räumen rausmuss und nun in existenzbedrohender Not ist. Das ganze, bunte, pralle Leben halt.

Vorausschauend beschäftige ich mich ausserdem mit dem Deutschen Warntag, der steht vor der Tür, vielleicht ist das auch regional interessant. In jedem noch so kleinen Dorf stehen hier Sirenen auf den Dächern, die stehen da seit Jahrzehnten, manche von ihnen haben vielleicht schon im Zweiten Weltkrieg geheult, und in Friedenszeiten heulen sie bei Feuer und alarmieren damit die freiwilligen Feuerwehrleute im Ort. Zu jeder Tages- und Nachtzeit jaulen sie los, wenn es sein muß; das an- und abschwellende Geheule erweckt mit seiner Laustärke Tote und lässt unsereinen nachts senkrecht im Bett stehen.

Manchmal schon hatte ich Freunde aus der Großstadt zu Besuch, die die Sirenen bestaunen wie altertümliche Ausstellungsstücke in einem Antiken-Museum, ich erkläre dann die Sinnhaftigkeit dieser Sirenen, erläutere wortreich das Alarm- und das Feuerwehr-Wesen auf dem Lande und ernte in der Regel etwas mitleidig-spöttische Blicke. Sirenen! Auf den Dächern! Wie kann man denn so altmodisch sein?

Wer zuletzt lacht, heult am besten, denke ich so bei mir, mit Blick auf den bevorstehenden Warntag. Und stoße dabei heute bei meinem Recherchen auf einen Zeitungsbericht aus (logo) Berlin, da verlief der letzte Warntag auch eher nur so semi-erfolgreich, das war vor zwei Jahren, und die Verwaltung beschloss, nun zügig nachzurüsten mit Sirenen auf den Dächern.

Sie ahnen die Pointe: Nichts hat sich getan in Berlin, die nötigen Sirenen sind immernoch nicht installiert, zwei Jahre sind da einfach viel zu kurz. Zumal es Probleme gibt (sagt eine Sprecherin), Sirenen so zu installieren, dass sie nicht beim ersten Sturm umgepustet werden. Also, man müsse erstmal eine Firma finden, die das kann. Ja, da staunen Sie! Das ist eine ingenieurtechnische Herausforderung der allerersten Güte, und so Sachen wie die Errichtung des Eifelturms, der Pyramiden oder der Golden-Gate-Bridge, das war ja Pippifax dagegen. Naja, Sie wissen schon. Wenn ich noch in Berlin leben würde, ich würde inzwischen lauter heulen als alle noch-nicht-installierten Sirenen zusammen. (Ob das dann am Warntag helfen würde, bleibt allerdings offen.).

Vor dem Bürofenster ist es kalt und naß, im Büro ist es kalt und trocken, die Heizung läuft auf lauwarm, so will es der Energiesparplan der Stadtverwaltung, die uns das Büro vermietet. Im Raum gegenüber büffeln Geflüchtete aus der Ukraine und aus anderen Ländern der Erde Deutsch, manchmal fliegen ein paar Wortfetzen in meine Richtung, manchmal fröhliches Gelächter. Stundenlang pauken die täglich, sie sitzen in Anoraks und mit Schals an Schultischen, und wenn wir uns im Hausflur begegnen, grüßen sie höflich.

Nach den Tagen der Abwesenheit mit klammen Fingern ein paar hundert Mails checken und löschen, die übliche Routine. Die aktuellen Mails im Blick behalten, die Polizei meldet einen betrunkenen Unfallverursacher und einen aufgebrochenen Zigarettenautomaten, beides ignoriere ich geflissentlich.

Bei der mittäglichen Videokonferenz mit den Kollegen sehe ich wieder Anoraks und Schals, die Redaktionsassistentinnen auf dem Bildschirm klammern sich an Becher mit Heißgetränken, offenbar ist auch das Mutterhaus nicht gut beheizt. Das macht es mir zwar auch nicht wärmer, tröstet mich aber irgendwie, wir sind eine Art Schicksalsgemeinschaft, die Kollegen und ich. Dafür gönne ich mir in der Pause eine heiße Suppe im Café, das wärmt die Seele und trainiert das kleine Frollein Leni. Als griechischer Straßenköter hat sie so ein schickes Café überhaupt noch nie gesehen, zitternd wie Espenlaub sitzt sie unter dem Tisch, beruhigt sich aber zusehends. Der altgediente Funk- und Caféhund Lieselotte verdreht genervt die Augen, ich löffele meine heiße Linsensuppe.

Und irgendwann wird es dunkel, also Feierabend. Jetzt schnell heim an den bullernden Kamin. Die einzige Wärmequelle im Hause Landlebenblog im Übrigen, die Heizkörper bleiben allesamt kalt, so will es des Gatten Energiespargesetz. Aber wenigstens kocht er was Schönes, der Gatte. Broccoliauflauf, überbacken. Dann früh schlafen. Akkus aufladen undsoweiterundsoweiter.

So, jetzt wissen Sie bescheid, ein stinknormaler, kalter Tag aus dem Leben einer Regionalreporterin.

6 Kommentare zu “WMDEDGT.”

  1. Ein erschrockenes “Um Gottes Willen” entfährt meinem Munde, die Geschichte mit den Plastikstrohhalmen in der Steckdose, ich kann mir da ein deutliches Bild davon machen. Ja, so ist das, Kinder erkennen solche Wortmeldungen kaum als Ironie oder Spaß.

    Borkenkäfer lieben warme trockene Sommer, aber ob sie jetzt noch fit sind? Der Fachmann meint, im Winter halte sich der Käfer lieber im Boden auf und er dürfte erst wieder aktiv werden mit Temperaturen rund um 15 Grad Plus. Angestellt haben sie mit Sicherheit in vielen Regionen so einiges heuer … Man wird sich insgesamt überlegen müssen, mit welchen Baumsorten wohl aufgeforstet werden soll.

    Es ist erstaunlich, welche Leistungen der Mensch bereits vor vielen Jahrhunderten vermochte, aber Sirenen, die auch noch richtig funktionieren, die scheinen eine große Herausforderung zu sein. Da bin ich mal froh, dass sie den jährlichen Probealarm in meiner Gegend immer tüchtig schaffen. Das will was heißen!

    Feuerchen kann ich keines machen in einem dazu zur Verfügung stehenden Ofen, aber immerhin sitze ich gut eingepackt in meiner Schreibstube – ich verzichte wie jedes Jahr auf 6 meiner 8 Heizkörper. Und auch so ist es angenehm genug!

    Ich schicke wärmende Grüße! C Stern

    1. Jährlicher Probealarm? Bei mir machen die den monatlich, immer am 1. Samstag im Monat um Punkt 10 Uhr. Sehr traditionell befindet sich die Sirene hier im Turm der Dorfkirche. Bei Ausfall kommt der Mesner zum Bimmeln (oder so). Menschliches Backup-System, sozusagen.

      Kinder und “intelligente” Sprachassistenten haben eine Gemeinsamkeit: Bis sie hinreichend trainiert sind, reagieren sie nur auf gewisse Schlüsselwörter. Der Unterschied zwischen “Saft drauf” und “Saft drin” ist aber auch wirklich kompliziert.

  2. Wir leben sehr stadtnah unt trotzdem heult regelmäßig die Sirene. sowohl un Notfälle zu künden, als auch zum Teste. gar nicht altbacken! bei Neuinstallation in Berlin bedarf es garantiert Ausschreibungen en masse und dann da noch was und hier eine Änderung und dann geht der Handwerker ob der Zahlungsmoral… Ich frag mich, wie Satellitenschüsseln auf Hausdächer kommen und nicht zu Untertassen werden.
    Danke fürs Mitnehmen.
    Liebe adventliche Grüße
    nina

  3. Danke für den Beitrag, ich lese sie immer gerne und kann vieles mitfühlen oder amüsiere mich. Probealarm? Wo? Bei uns nicht, hier wurde das Teil abgebaut und bisher nicht mehr aufgebaut. Aber als Kind kann ich mich gut an die Sirenen erinnern. Schon komisch immer wieder wird versucht das Rad neu zu erfinden und oftmals denke ich, ach das hatten wir doch schon mal……. lg Maritta

  4. “… das an- und abschwellende Geheule erweckt mit seiner Laustärke Tote und lässt unsereinen nachts senkrecht im Bett stehen.” mal abgesehen von meinem Mann, Dachgeschosswohnung, Luftlinie zu Sirene ca. 15 m, der Göttergatte schnarcht weiter…
    Es bleibt mir immer ein Rätsel.
    Liebe Grüße Cathleen

    1. Alles Gewohnheitssache. Ich habe in Berlin mal um die Ecke von einer Feuerwache gewohnt. Die rücken da am Wochenende schon gerne mal fünf- oder sechsmal pro Nacht aus, mit vollem Gerödel und Tatü. Am Anfang bin ich noch aufgewacht, aber irgendwann denkst du dir nur noch, “Ach, die schon wieder!”, drehst dich um und schläfst weiter. Genauso wie ich mich auf dem Land an das Kirchenglockengebimmel gewöhnt habe. Ich wohne 120 Meter Luftlinie vom Kirchturm entfernt, ich bekomme mit, wenn in der Kirche eine Maus hustet. Und hier wird zu jedem Anlass gebimmelt: Taufe, Hochzeit, Todesfall, egal was. Etwas störend, wenn man gerade mit Großstädtern telefoniert oder eine Tonaufnahme macht und im Sommer noch dazu das Fenster offen hat, aber das macht das Landleben authentisch und ich nehme es billigend in Kauf.

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