Das Odenwälder Christkind war in den vergangenen Tagen schon zweimal bei uns, ja, da staunen Sie. Das eine Mal in Gestalt des freundlich-fülligen Nachbarn, der eher an Santa Claus als an ein zierliches Christkind erinnert. Das zweite Mal huschte das motorisierte Christkind nur an unserem Haus vorbei, in stockfinstrer Nacht, und hinterließ sein Geschenk an der Haustür. 

Beide Male zauberten wir aus dem liebevoll geschmückten Beutel mehrere Bratwürste. Roh und grob und eingeschweißt. 

Offenbar tickt das Christkind auf dem Lande irgendwie anders als in der Stadt, fleischlicher, will man fast sagen, und ich finde das als bekennender Bratwurstfan aber durchaus grandios. So eine weihnachtliche Bratwurst hat, so man nicht grade Vegetarier ist, ja durchaus etwas Lustvolles. Umso mehr, als es sich hier selbstverständlich um glückliche Bratwürste aus jeweils eigener Zucht handelt, aber sowas von

Ich nahm also die Weihnachtswürste zum Anlass, über Geschenke hierzulande nachzudenken, und darüber, wie man das wohl in der Stadt handhabt. Ich schätze, man handhabt es dort zumindest irgendwie anders, aber ich habe keine Ahnung und kann mich nicht erinnern an alte Berliner Zeiten, soweit ist das schon gekommen.

So ließ ich also die Gastgeschenke und auch Mitbringsel vor meinem inneren Auge vorbeimarschieren, die in unserem Bekanntenkreis munter und großzügig ausgetauscht werden, man muss sich das wie einen liebevollen Naturalienhandel vorstellen, wir lassen uns von der Natur beschenken und schenken fröhlich weiter.

Das haben bestimmt schon die alten Knaben im Paläolithikum  so gemacht, der Paranthropus robustus hat ja auch nicht in irgendeinem Kruschtellädchen irgendeinen Schruz gekauft, den keiner braucht und keiner will; oder nehmen Sie den Homo erectus, der hat ja, wenn er die Freunde in der Nachbarhöhle besuchte, auch keine unoriginelle Flasche Riesling aus dem Rewe mitgebracht, sondern ein Stück Säbelzahntiger oder einen feschen Feuerstein oder einen schönen Strauß Farne, so stelle ich mir das zumindest vor. Und so ist das letzten Endes auf dem Lande auch.

Wir schenken, wenn wir eingeladen sind oder es irgendwas zu Feiern gibt, gerne – logo – freilaufende Eier von glücklichen Hühnern, ein Mitbringsel, das sich inbesondere in den vergangenen Wochen zum echten Kassenschlager entwickelt, ohne, dass dabei die Kasse klingeln würde. Wir verschenken außerdem mal eine Kiste Kartoffeln aus dem Garten, eine Flasche Holunderblütensirup, ein Körbchen Holunderbeeren. Gläserweise getrocknete Steinpilze an Nicht-Sammler (bei allen anderen ernten Sie damit nur ein müdes Lächeln, das nur mal als Tipp.).

Wir bringen etwas ruppige Blumensträuße aus eigener Zucht mit, dazu wahlweise Zucchini oder Tomaten oder unser selbstgemachtes Suppengewürz. Zu besonderen Anlässen eine Dose Wurst vom heimischen Metzger, in Ermangelung eigens gezüchteter Würste.

Zu einem Geburtstag in einem Frankfurter Nobelviertel brachten wir im Sommer als Mitbringsel ein glückliches, wenngleich gerupftes, splitterfasernacktes Huhn von den Ausmaßen eines Truthahns mit, in einer durchsichtigen Plastiktüte, der Beschenkte freute sich sehr, der Rest der illustren Gäste guckte irgendwie komisch. Aber glauben Sie mir, auch daran gewöhnt man sich als Landmensch. 

Umgekehrt bekommen wir die tollsten Gastgeschenke, wenn wir Freunde zu uns einladen. Die einen bringen Marmelade mit, oder einen Sack bereits geputzten Feldsalat, die anderen selbstgebrannten Schnaps, Freund H. knallt uns wortlos einen Rehrücken auf die Anrichte, oder eine Wildschweinkeule, das Ehepaar aus dem Nachbardorf bringt frischgefangene Forellenteile mit, mal als Sushi, mal geräuchert, mal auch gleich den ganzen Fisch, direkt aus dem See.

Besonders lieben wir auch jene Bekannte, die uns bei jedem Besuch mit einem Sack guter echter Korken beglückt, ohne die entsprechenden Flaschen dazu, wohlgemerkt; die Korken werden zu Anzündern für das Kaminfeuer und verhindern über die Monate Oktober bis Mai den Odenwälder Tod durch Erfrieren. Ebenso lieben wir die Freundin, die körbeweise Tannenzapfen mitbringt, zum selben Zweck.

Ja, wenn Sie mir das alles früher erzählt hätten, da hätte ich auch irgendwie komisch geguckt. Ich war über Jahre Stammgast bei Nanu-Nana in Wilmersdorf, die Berliner unter Ihnen werden sich erinnern, dort habe ich mein Geld hinein- und irgendwelchen blödsinnigen Schwachsinn wieder hinausgetragen, der dann andere Menschen erfreuen sollte. Keine Ahnung, ob das je geklappt hat mit dem Freuen.

Jedenfalls habe ich mich mit großer Begeisterung an die ländliche Art der Mitbringselei und Schenkerei gewöhnt. Nur an eines kann und will ich mich zugebenermaßen bis heute nicht gewöhnen: An diese merkwürdige Sitte, als Geschenk ein Päckchen Filterkaffee mitzubringen. Gibts hier auch noch, immer wieder. Den Präsentkorb mit Dosenwurst, Prosecco, Filterkaffee und siebzehn Metern durchsichtiger Knisterfolie. Ich habe keine Ahnung, wo das herkommt. So arg will ich dann doch nicht werden. Sollte ich Ihnen also jemals ein halbes Pfund Filterkaffee schenken, erinnern Sie mich dran.

Frohe Weihnachten!

Dieser Beitrag ist hier vor gut einem Jahr schon mal erschienen. In ähnlicher Form. Aber ohne Weihnachtswürste.

10 Kommentare zu “Naturalien.”

  1. Das haben wir auch in unsrem Garten, ne junge Erdkröte. Auch wir schenken als Mitbringsel nur Selbstgemachtes und empfangen dieses ebenso z. B. wurde bei mir ein Krankenbesuch gemacht und ich bekam 20 frischgelegte Eier mitgebracht. Glaub mir, ich freute mich mehr als über ein ” gekauftes” Geschenk.

  2. Meine Tante ist Schwester in einer Hausarztpraxis, sie deckt ihren Kaffeekonsum ausschließlich durch geschenkten Kaffee…In Paketen aus `dem Westen’ war immer Kaffee, Kaffee in der DDR war sehr teuer und schmeckte wohl auch nicht sonderlich. Bei den ganzen (hippen) kleinen Röstereien hier in der Hauptstadt ist deren Kaffee bestimmt auch wieder ein Mitbringsel.

  3. Ich denke, das mit dem Kaffee ist noch ein Relikt aus den Kriegsjahren, als Kaffee ein Luxusgut war. Ich erinnere mich an Erzählungen von meiner Oma und meine, auch in den Tagebüchern von Viktor Klemperer gelesen zu haben, dass da häufig Bohnenkaffee mitgebracht wurde, wenn auch natürlich in viel kleineren Mengen (50 Gramm war, glaube ich, viel).

    Allerdings wurde mir im Kindergarten und in der Grundschule meiner Tochter gesagt, dass man sich auch dort noch durchaus über ein Pfund Kaffee als Mitbringsel mehr freut als über eine Packung Kekse. ;-)

    (Privat bringe ich als Stadtmensch meist selbstgemachte Marmelade oder Selbstgebackenes mit.)

  4. Hi noch Mal, entschuldige, ich lese mich ein wenig durch in Deinem tollen Blog, immer Mal wieder dies und das…
    Also das mit dem Kaffee, kenn ich auch noch und bin nicht uralt, ist für viele früher ein Luxus gewesen, bevor Tschibo und Eduscho es preiswerter und billiger gemacht haben.
    Und manchmal bleibt ja so etwas länger hängen.
    Liebe Grüße
    Nina

  5. Wir verschenken jedes Jahr nur Selbstgemachtes. Z.B in diesem Jahr: Weihnachtsplätzchen, Rosensirup, Likör, Rafaello und Neger Bolla. Die Therapeuten haben sich sehr darüber gefreut. Wir bekamen eine Ente als Weihnachtsgeschenk von einer Bekannten. Und mit Wildbratwürste, Reh, wildschwein sind wir auch wieder sehr gut eingedeckt…Das ist mir sehr viel lieber, als etwas gekauftes ;-)

  6. Getrocknete Steinpilze stehen bei mir auch ganz oben auf der Mitbringhitliste, dazu noch das Risottorezept. Hoffentlich wird’s nächstes Jahr mit den Pilzen etwas besser der Vorrat geht zur Neige.

  7. Finde ich toll, das so eine Geste auch heute noch gepflegt wird. Bei uns waren es dann eher Kuchen, beschwert hat sich aber nie jemand.
    Kaffeepäckchen werden von mir übrigens auch noch ab und an verschenkt. Der Ursprung liegt am Erlernten von den Erwachsenen, dann war er mal ein Luxusgut/ Statussymbol, und manchmal in Ermangelung an Alternativen überreicht (bei all den vielen Allergien, die mittlerweile so kursieren…). Heute bei ihm noch von Genußmittel zu sprechen, ist allerdings ein Witz.

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