Er fände mich ja doch manchmal ganz schön mutig, sagt der Gatte mit so einer Art Leichenbittermiene. Mein Geo ist nun wirklich kein Hasenfuß und eigentlich für jedes Abenteuer zu haben, aber dass ich einfach wildfremde Menschen zu mir nach Hause einlade, das findet er dann doch bemerkenswert.

Du kennst die überhaupt nicht, das könnten doch auch Mörder sein. Ich erwäge diese Möglichkeit kurz, verwerfe sie dann aber.  Ja, das könnten Mörder sein, aber wenn sie morden wollten, könnten sie sich doch den weiten Weg hier in den Odenwald ersparen. Morden kann man auch in Mannheim oder Heidelberg. Das wäre wahrscheinlich sogar einfacher. Und würde auch Benzin sparen. Das letzte Argument überzeugt den Gatten schließlich.

Langer Rede kurzer Sinn: Zu einem ersten Treffen waren heute zwei wildfremde Menschen bei mir, die ein sehr spannendes Projekt planen, einen Dokumentarfilm der etwas anderen Art, es geht um den Wald, und um Menschen, die zu diesem Wald eine wie auch immer geartete Beziehung haben, hier habe dieser Tage schon mal davon berichtet, mit erstaunlich vielen Kommentaren, das Thema Wald scheint die Gemüter tatsächlich zu bewegen, ich hatte das so nicht erwartet. Man lernt nie aus.

 

Also stapfe ich heute mit zwei wildfremden Menschen durch den verschneiten Wald. Zwei Menschen, von denen ich nichts weiß, und die nichts von mir, wir sparen uns das übliche small-talk-Geplänkel vorneweg, wir stapfen durch den Wald und gucken und schweigen, und wir schweigen und reden und gucken, und es geht also mit diesen wildfremden Menschen thematisch rund um den Wald, über Gerüche und Geräusche, über den Lärm und die Stille, es geht um Heimat und Erinnerung, um Sehnsucht und Trost, um das Sich-Geborgen-Fühlen, das Ankommen, das Zuhause-sein, das Dazugehören. Im Wald und überhaupt im ganzen Leben, so, als sei der Wald vielleicht eine Metapher für das Leben oder ein Sinnbild für irgendeine Sehnsucht nach irgendeinem ganz bestimmten Leben, naja, Sie wissen schon. 

 

Am Ende haben wir vier Stunden miteinander geredet und nachgedacht, die Wildfremden und ich, wir haben uns fast ein bisschen in Fahrt philosophiert (ja, da staunen Sie!), und wir verlassen den Wald nur, weil bei den eisigen Temperaturen das kleine Hündchen zittert und bibbert zum Gottserbarm’. Ich bin erstaunt über die Fragen und auch über die Antworten, und mir scheint zwischendurch, an den Bäumen hingen nicht nur ein paar gefriergetrocknete letzte Blätter, sondern auch jede Menge neue Erkenntnisse, neue Gedanken. Über den Wald, das Leben und überhaupt, naja, Sie wissen schon.

Das war ja offensichtlich spannend, sagt am Abend der Gatte, ganz ohne mörderische Hintergedanken. Kommen die mal wieder her? Ich denke schon. Schön wars jedenfalls. Man sollte sowas öfter machen, mit wildfremden Menschen.

 

 

 

P.S. Diese Rubrik Was schön war habe ich ja nicht erfunden, ich habe das abgeguckt. Unter anderem bei dem Herrn Buddenbohm, bei dem Sie heute auch wieder eine wunderbare Begebenheit nachlesen können. Die weckt in mir auch gleich eine Sehnsucht. Die nach dem Meer. Aber das ist jetzt wieder eine andere Geschichte.

 

 

Ein Kommentar zu “Was schön war.”

  1. Tausend Dank für Ihre Offenheit, gemeinsame Spurensuche, den emotionalen Blogbeitrag und den sonnigen Nachmittag in ihrem authentischen Heim. Wir kommen gerne wieder und freuen uns auf die Zusammenarbeit!

    Die Fremden: Erika & Servet von Kulturgut-im-Quadrat

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