Ich habe mich für einen Spontan-Urlaub entschieden, und zwar äußerst spontan, geradezu extrem spontan, wie der Name es schon andeutet. Morgens beschlossen, nachmittags schon am Urlaubsziel durch die Weinberge gestiefelt, spontaner gehts fast nimmer. Das Ziel: der Kaiserstuhl. Wetter perfekt, Entfernung locker machbar, Essen gut und Wanderwege top, mehr brauche ich ja nicht.

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Hübsch anzusehen: Achkarren im Kaiserstuhl, abends.

Und wie ich da also auf der Autobahn Richtung Süden fahre, von einem Stau zum nächsten, da höre ich bei meinem Lieblingssender (bei dem, der mich bezahlt, deshalb) eine Sendung mit Herrn Urlaub. Der Name ist Programm, Herr Urlaub heißt natürlich gar nicht so, er nennt sich so als Künstler, der er ist, Farin Urlaub, und wenn er nicht gerade Urlaub macht, dann singt er bei den Ärzten, Punkrock oder so. Aber in der Sendung ist er wegen Urlaub.

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Schneckenberg. Passt zu meinem Wandertempo.

Ich fahre also Richtung Kaiserstuhl, Richtung Leberle und Brägele und Sößle und Viertele und höre Herrn Urlaub zu, wie er über seine jüngste große Reise spricht, durch Afrika. Einen Fotoband hat er davon gemacht, den kann man käuflich erwerben, das wird in der Sendung auch erwähnt. Und Herr Urlaub berichtet, daß er bereits die Hälfte aller auf der Welt befindlichen Länder besucht hat, daß ihm also noch einige fehlen, daß er das aber noch schaffen will. Aber Afrika, das war der Hit, 35 Länder in fünf Monaten, oder so ähnlich, ich konnte zwischendurch nicht so intensiv zuhören, man muß ja auf den Verkehr achten, jedenfalls war er da mit dem Auto unterwegs, immer die Pisten rauf und runter, tolle Erfahrungen undsoweiter.

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Vom Neunlindenturm hinunter. Aber erstmal musste man rauf. Schöne Keucherei.

Aus dem Autolautsprecher purzeln Namen, die nach Sehnsucht klingen, Togo, Kamerun, Senegal und Kongo, Gabun und Gambia. Und ich also auf dem Weg nach Achkarren im Kaiserstuhl, dahin, wo man in dieser Jahreszeit vorwiegend Rentnerpaare in graubrauner Funktionskleidung und mit bequemem Schuhwerk trifft oder mittelalte schicke Damen mit Nickituch und Haarspängelchen auf dem Weg von einem Golfturnier zum nächsten.

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Nein, nicht Okawangobecken, sondern Rheinebene.

Man kann nicht die Welt verändern, wenn man nur Deutschland, Österreich und Schweden kennt, sagt Herr Urlaub sinngemäß in einem lesenswerten Interview mit der taz, das klingt mir plötzlich durchaus einleuchtend, und überhaupt: Wer einen Sweatshop in Ostasien verstehen will, der muß schon dort gewesen sein. Ich habe zwar keine Ahnung, was ein Sweatshop ist, ein ostasiatischer auch noch dazu, aber auch das klingt mir plausibel. Noch bevor ich am Reiseziel angekommen bin, kommen mir Zweifel, so ganz generell, was meine Reisen angeht.

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Sieht aus wie Ostasien, ist aber Bickensohl im Kaiserstuhl.

Und nun wandere ich also seit ein paar Tagen mutterseelenallein stundenlang durch Weinberge und Wälder, hocke an irgendwelchen staubig-warmen Lößmauern in der Sonne, stelle den Arbeitern im Weinberg dumme Fragen und bekomme schlaue Antworten, schweige viel und denke nach, das soll ja manchmal gar nicht schaden. Der Herr Urlaub sitzt mir dabei dauernd auf der Schulter, oder im Nacken, wie Sie wollen, es läuft auf das selbe hinaus.

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Tatsächlich out of camera, das Sonnenlicht war völlig gaga.
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Birke, oder Bührke, wie der Berliner sagt. Betula kenaica wars, glaube ich.
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Kamtschatka oder Mandschurisch. Erinnert mich so oder so an Hannibal Lecter.

Und während ich dann einen ganzen Tag lang im Arboretum im Lilienthal verbringe, an meinem Lieblingsplatz, in diesem kleinen Waldstück zwischen Yukonbirken, Papierbirken und Mandschurischer Birke, bei den Kamtschatkabirken, die trotz ihres Namens so zart und fein aussehen, da kommt mir noch ein Urlaubs-Statement in den Sinn. Wenn ich in Afrika bin, möchte ich irgendwie schon wieder in Asien sein, und umgekehrt. Weil ich nicht so in mir ruhe, daß mir ein Blick in die Ebene reicht, um glücklich zu sein. 

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Blick in die Ebene. Mir reichts.

Ich bin mir noch nicht sicher, aber vielleicht sollte ich damit aufhören, Leute wie Herrn Urlaub zu beneiden.

 

 

 

Falls Sie aktuell nicht zufällig eine Reise zu einem ostasiatischen Sweatshop planen, sondern eher nach einem etwas näheren Reiseziel suchen: Kaiserstuhl kann ich empfehlen. Und hier ein absolutes Muß für Naturfreunde und solche, die es werden wollen: das Arboretum zwischen Ihringen und Wasenweiler, zu jeder Jahreszeit. Das ist so eine Art Geheimtipp, das kennen nur Experten, Publikum ist also eher rar und durchaus zu ertragen.

Oder Sie gehen mal den Lößhohlwegepfad rund um Bickensohl, der hübsche Ort selber hat zwar schon bessere Tage gesehen, und früher mußte man hier unter der Woche als Wanderer auch nicht verhungern und verdursten. Muß man heute auch nicht, wenn man nur genügend mitnimmt, und das ist ja nun auch machbar, Funktionskleidung und Outdoorrucksack undsoweiter, na, Sie werden ja wohl ausgerüstet sein. Der Lößhohlwegepfad ist jedenfalls sieben Kilometer lang, lehrreich und äußerst spannend. Geht aber dauernd rauf und runter, das liegt in der Natur der Sache. Hier können Sie dazu noch ein bißchen mehr nachlesen, auf einer privaten Homepage.

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Lößhohlweg bei Bickensohl.

Und das noch: ich weiß inzwischen, was ein Sweatshop in Ostasien ist, ich habe das gegoogelt,  hier können Sie das nachlesen, warum das Mist ist, meistens jedenfalls, aber die Fachleute streiten noch darüber.

Ach so, und nochwas: Ja, ich war auch schon mal in Afrika, vier Wochen tief im Busch, in Karonga, Malawi. Malawi wird gerne mit Mali verwechselt, ist aber woanders. Eines der ärmsten Länder dieser Welt und eines derer mit der höchsten Aids-Rate. Ein sogenannter Kinderstaat, wo Du als 40jährige schon als sehenswürdige Greisin angestarrt wirst, weil so alte Leute äußerst selten sind. Es war definitiv eine der spannendsten und verstörendsten Reisen meines bisherigen Lebens, ich habe, im Schlepptau von Entwicklungshelfern vielerlei Profession, täglich zweimal nicht gewußt, ob ich nun hysterisch lachen oder weinen soll, ich habe vieles mit eigenen Augen gesehen, von dem ich wohl wußte, daß es sowas gibt, viel Erschütterndes und auch viel Fröhliches, ich möchte diese Zeit nicht missen, aber ich bezweifle im Nachhinein durchaus, daß diese Reise mein Leben oder gar die Welt verändert hat.

Aber vielleicht bin ich auch wirklich spießig und seßhaft geworden mit den Jahren. Oder das Landleben, als Berlinerin im Oudewald, ist mir exotisch genug, wer weiß das schon.

 

 

 

9 Kommentare zu “Vom Reisen.”

  1. Waaaaaas, du bist ja ganz nah , so gute 30 Minuten von mir entfernt.
    Also ich empfinde es schon als Urlaub wenn ich auf meiner Terrasse sitzen darf
    oder mir Teile von Deutschland anschaue, gesehen hab ich noch lange nicht alles.
    Spanien, Italien, selbst Österreich oder gar Malediven oder Afrika, das brauch ich
    nicht. Der Herr Urlaub ist schon komisch.
    Aber wie heißt es so schön, jedem das seine.
    Ich wünsche noch einen schönen Urlaub!

      1. Richtung Markgräflerland, grob Lörrach/Basel.
        wenn du auf meinem Blog auf Lieblingsunterkünfte schaust und
        Auf Haus am Blauenbach klickst, könnte das dein nächster Urlaub werden,
        Ich arbeite dort und würde dir tgl.das Bett machen, zu dem bekommst du
        Nur Hausgemachtes, keene Schrippen, hier gibt’s selbst gebackenes Brot,
        Ein Bauernbrot und ein Nussbrot, leckere Brotaufstriche usw.

        Für einige ist es KEIN Urlaub, wenn sie keine Croissants und frische
        aufgeblasene Brötchen bekommen….scheint für einige ein wichtiges Urlaubs-
        Feeling zu sein….

        1. Huch, dann bin ich im letzten Jahr bei Dir vorbeigelaufen, da gings zu Fuß von Basel nach Freiburg. Und ich bin hier am Kaiserstuhl tatsächlich in einem hochoffiziellen Bio-Hotel gelandet, sehr nett.

          1. Aaaah, dort bist du gelandet, ja da ist es wunderbar, vor allem
            die Holzböden usw. wäre ja bei mir immer sehr wichtig, mit
            meiner sch…Hausstauballergie, wenn du mich umbringen willst,
            sperr mich in ein Zimmer mit Teppichboden.
            Dann genieße deinen Urlaub!

  2. Farin Urlaub bei SWR4? Das glaub’ ich jetzt nicht, oder…? Die Primär-Zielgruppe von SWR4 hat dabei doch nur zugehört, in der Hoffnung billiger an Stützstrümpfe zu kommen, oder…?
    ;-)

    1. Nein, der Sender ist der SWR, für den arbeite ich, bekanntermaßen dort für alle Wellen. Herr Urlaub war bei SWR3 weltweit. (Auch, wenn das in bawü nicht so viel gehört wird wie SWR 4, was für Herrn Urlaub so gesehen schade ist). Im übrigen ist der Durchschnittliche Hörer von SWR4 wiederum 52 Jahre und vom Lande, also so wie du und ich, statistisch. Eher nix mit Stützstrümpfen. Es sei denn…. Sollten wir reden, Matthias??? :-)

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