Mensch, Wowi.

15. Dezember 2014

Mensch, Wowi, altet Haus, wat machste denn? Jetzt, wo Du nix mehr zu tun hast in Berlin?

 

Deine Abschiedsrede war ja sehr bewegend, und Langeweile setzt Kräfte frei, sollst Du gesagt haben, aber ich frage mich nun wirklich, wie man sich in Berlin langweilen will. Glaubt man Euren großmäuligen Sprüchen, kommt man in Berlin nicht einmal minutenweise zum Verschnaufen, so viel ist da los: Wieso also Langeweile? Naja, muß ich nicht verstehen.

 

 

Ist auch letzten Endes völlig wurst. Ich habe mir da nämlich etwas ausgedacht. Kommste erstmal her zu uns in‘ Odenwald. Kennst Dich ja hier aus, schließlich ist der Gatte aus der Gegend. Du hast ja jetzt Zeit.

Und staunen wirst Du: ja, es gibt ein Leben außerhalb Berlins.

 

 

Mit mir kannste auch berlinern, passt schon, und vielleicht wird unsere Begegnung auch ein bißchen anregender als unser erstes Treffen hier, seinerzeit im Rathaus zu Walldürn. Unerwartet grottenlangweilig war unser smalltalk, aber wenn Langeweile Kräfte freisetzt, solls mir recht sein.

 

 

Als erstes (damit der Absturz in die Langeweile nicht so schlimm wird) gehen wir mal am kommenden Wochenende zum Video- und Kunstspektakel Adelsheim leuchtet. Das ist kulturell so ziemlich das Schärfste, was wir hier zu bieten haben. Den roten Teppich mußt Du Dir dazudenken.

 

 

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Hier drängelt sich am manchen Tagen sogar die politische Prominenz, ein Landrat und ein Bürgermeister, ein bis zwei Abgeordnete vom Landtag, bis zu zwei Vertreter aus dem Bundestag. An den internationalen Showsternen und – sternchen arbeiten wir noch, aber das kriegen wir bis dahin hin. Und mit ein bißchen Glück treffen wir in dem Getümmel auch ein oder zwei Sozis, aber garantieren kann ich nix, das ist ja hier ein bißchen schwierig mit den Roten. Sollte aber auch egal sein. Nur bei dem Blitzlichtgewitter weiß ich ehrlich nicht, wie ich das stemmen soll, aber irgendwas wird mir einfallen. Du sollst Dich schließlich wohlfühlen.

 

Und dann machen wir so eine Mischung aus Exchangeprogramm und Schüleraustausch: Du lernst was von uns, wir lernen was von Dir.

 

Als erstes machen wir mal eine Rundfahrt. Landeplatz Walldürn, Landeplatz Lohrbach. Chakka. Da geht was. Ich meine, das muß man sich mal vorstellen: da starten und landen Flugzeuge. Soetwas hast Du noch nicht gesehen.

 

Dann ein paar Schlösser. Barock, Mittelalter, lauter so Zeug. Alles echt alt, echt fertig, echt bezahlt, echt sinnvoll, weil bewohnt.

 

Burg Guttenberg Ansicht Schildmauer Konrad Plank, Querformat

 

Dann gucken wir mal ein paar Wohngebiete an. Aktueller Baulandpreisrekord: 18 Euro der Quadratmeter. Da ist Platz für alle. Und nicht nur für die kreativen Reichen und die Hipster. Du wirst staunen.

 

Dann: Besichtigung von ein paar Firmen: Damit mal klar wird, wer das ganze Geld erwirtschaftet, das Ihr da in Berlin mit vollen Händen ausgebt. Nur so als Wink mit dem Zaunpfahl. Mit schönen Grüßen an den Nachfolger.

 

 

 

Aber in der Hauptsache könnten wir ja was von Dir lernen. Über einen Beratervertrag müssten wir dann noch verhandeln. Wir sind allerdings arm. Wären aber gerne sexy. Zumindest ein bißchen.

 

Sexy Wälder, sexy Felder und sexy weiten Himmel haben wir genug, sexy klitzekleine Industriegebiete und eine theoretischsexy Wirtschaftsförderung, aber irgendwie kommt es nicht so richtig rüber in der Welt. Noch ein paar Touristen wären schön. Noch ein paar mehr Firmen, die den Standort Odenwald so richtig hip finden. Kreativwirtschaft, Filmindustrie, Medienhäuser, was weiß denn ich? Vielleicht könntest Du da etwas machen.

 

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Ein bißchen mehr Selbstbewußtsein wäre auch nicht schlecht. Davon haben wir Berliner ja mehr als genug und könnten etwas abgeben. So als Entwicklungshilfe der anderen Art. Ich beiße mir seit Jahren hier in dieser Angelegenheit die Zähne aus, aber mit Dir könnte sowas klappen. Das Berliner Modell auf den Odenwald übertragen. Be Berlin? Be Odenwald! Ich kenne Ex-OBs, die jetzt im Kongo helfen, warum also nicht Du im Odenwald?

 

Wowi, wir zählen da auf Dich. Schließlich biste ja, siehe oben, der Gegend eh verbunden. Ich meine, Berlin, alles schön und gut, aber das wäre doch mal eine wirkliche Herausforderung. Boomtown Balsbach. Wirtschaftswunder Waldhausen. Megaaufschwung Mosbach! Klingt alles ziemlich langweilig? Ja, eben. Setzt Kräfte frei, und das ist unsre Hoffnung.

 

 

Wir müssten jetzt nur noch einen Termin finden, gib doch einfach ein paar Daten durch. Zeit haste ja genug jetzt. Anreise und Unterkunft ist kein Problem, zur Not holen wir Dich an der S-Bahn Mosbach-Käfertörle ab.

 

Alles weitere denn.

 

 

 

 

 

  • 4 Kommentare
  • Matthias Eberling 15. Dezember 2014

    Aber was kommt nach Wowi? Grölende Jugendliche, die leere Bierflaschen und Kotzflecken hinterlassen. McD- und BK-Schlachtabfallentsorger. Plötzlich funktioniert die Brandschutzanlage auf dem Flugplatz Walldürn nicht mehr und er wird geschlossen. Überhaupt: Mehdorn! Der ÖPNV wird kaputtgemanagt. Plötzlich “no-more-Rollkoffer”-Aufkleber an den Laternenmasten (sofern im Odenwald vorhanden). Denk noch mal drüber nach …

    • LandLebenBlog 15. Dezember 2014

      Deswegen wollen wir ja auch nur ein ganz kleines bißchen sexy werden. Um Himmelswillen nicht so sexy wie Berlin. Wäre ja ein Albtraum, haste recht. Aber so ein ganz kleines bißchen.

  • hafensonne 15. Dezember 2014

    Jaja, woanders wird das Geld erwirtschaftet, nach Berlin geschaufelt und dort dann verprasst. Ganz schön platt. Als wenn es in anderen Kommunen keine Verschwendung öffentlicher Gelder, Korruption und Parteienfilz gäbe.

    • LandLebenBlog 15. Dezember 2014

      GENAU! Sie sprechen ein großes Wort gelassen aus.

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