Du weißt, dass Karfreitag ist, wenn Du in der Morgendämmerung von gräßlich-ratschenden Geräuschen aus dem Bett geworfen wirst. Die Klapperbuben sind im Dorf unterwegs, vielleicht sind auch in diesem Jahr wieder Klappermädchen dabei, dem brummigen Gesang nach zu urteilen aber eher nein. Eine katholische Tradition, die es hier seit Jahrmillionen gab, in vielen Dörfern ausgestorben, bei uns lebt sie noch, ich habe dazu mal hier etwas geschrieben. Falls Sie das interessiert. Die Klapperbuben und Klappermädchen legen täglich so ihre acht bis zehn Kilometer zurück, morgens, mittags, abends, ich habe sie am frühen Abend im Nachbardorf getroffen.
Und noch so ein Geräusch im Morgengrauen: die Turmfalken kreischen rund ums Haus, ich habe den leisen Verdacht, sie wollen das hölzerne Falkenhaus nutzen, das seit Jahren vor einem unserer Dachbodenfenster montiert ist und da bislang ungenutzt einfach so herumsteht. Wir hatten das mal als vogelschutztechnische Maßnahme bauen lassen, ich meine sogar, in den Holzwerkstätten der hiesigen Jugendvollzugsanstalt; wir fühlten uns wie echte Tierretter und gaben bei jeder Gelegenheit mit dem hölzernen Ding an, aber kein Vogel interessierte sich je dafür.
Ich krieche jedenfalls verschlafen ans Schlafzimmerfenster und blicke schräg nach oben Richtung Falkenhäuschen, Herr Turmfalke sitzt auf den Dach des Häuschens wie auf seiner Burg, er ist keine fünf Meter von mir entfernt, er blickt zurück und legt den Kopf schräg, als wollte er fragen Was hast DU denn hier zu suchen?? und wirkt ein bißchen empört. Schuldbewußt murmele ich ‚tschuldigung, ich wohne hier, ich schließe ich das Fenster wieder und lege mich zurück ins Bett. Müde genug bin ich, im Dorf ist mal wieder gefeiert worden bis in den frühen Morgen, an Schlafen war da nicht zu denken, wummernde Bässe und grölende Stimmen, möglichst laut, damit auch alle etwas davon haben. Lass krachen, Karfreitag!, sowas in der Art, naja, Sie wissen schon.
Im Nachbardorf schrubbt eine Frau die Eingangsstufen zu ihrem Haus, wie karfreitäglich-geräuschvoll sie das tut, kann ich nicht beurteilen, wir sitzen im Auto und fahren nur daran vorbei, Haste das gesehen?, fragt mein Geo, Ja, antworte ich.
Die Liebe Frau im Walde besuchen wir, mir kommt das passend vor an einem Feiertag wie diesem, aber dieser sehr besondere Ort ist eigentlich an jedem Tag einen Besuch wert, ich kann Ihnen das nur ans Herz legen.
Das Wetter ist herrlich, und der Wald empfängt uns mit einem Meer aus Buschwindröschen. Der Wind säuselt durch die weißen Blüten und das rostrote Laub, er erzählt mir was von meiner Großmutter, deren Lieblingsblumen die Buschwindröschen waren; kein Mensch ist unterwegs, schön ist das. Zu hören ist nur unser entzücktes Oh! und Ah!, und das Kwarnschen unserer vorsichtigen Schritte auf den vermoddert-vermatschten Wegen. Ich bitte das Handy, aus ein paar Videos ein Filmchen zu erstellen, soviel wird man ja noch verlangen können, und das Gerät macht das nicht mal ganz schlecht.
Ein Paar kommt uns dann doch entgegen, mein Geo, die rheinische Frohnatur, wünscht Frohe Ostern!, und ich schimpfe mit ihm.
Am Nachmittag ist vorübergehend alles ganz still, das Dorf, die Straße, das Haus. Nur aus der Küche das leise Geräusch des Sparschälers, wie er über die rauhe Schale der letzten Boskop-Äpfel geführt wird, ein Freund hat uns eine ganze Tüte davon vor die Terrassentür gestellt. Zwischendurch ein Schnitt mit dem Messer, und pling!, plang!, plong!, falllen die geschälten Apfelstücke in die metallene Schüssel. Bald dann das Summen des Ofens, 180 Grad, Umluft, der Bäcker: mein Mann, das Rezept: von der Schwester in England.
So ein Tag ist das heute. Ein Tag, der einem das Gefühl gibt, es sei doch schon alles ganz schön in Ordnung im Großen und Ganzen. Ein Karfreitag, ausgerechnet.
Eine merkwürdige Welt ist das, naja, Sie wissen schon.
Wie sich doch oft die Länder gleichen.
Heuer ist bei uns wieder mal ein Steinadler Pärchen unterwegs, hoffentlich finden sie Ihre Heimat hier.
Und den Brauch mit den Ratschen gibt’s bei uns auch. Und es sind viele junge Leute dabei, das zeigt mir dass das Brauchtum weiterlebt.
https://www.google.de/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://www.baeuerinnen.it/wir-ueber-uns/braeuche-und-trachten/4930-karfreitaratschn-und-judasverbrennen.html&ved=2ahUKEwi42vCR6Jb3AhWv8LsIHXuVBhgQFnoECAMQAQ&usg=AOvVaw0yqH2j9_hIUXRb4PrAdN3Z
Und nun noch viele Ostergrüsse aus Südtirol in den Odenwald.
Wie sich doch die Wege durch Wälder und Wiesen ergeben! Mich hat es am Gründonnerstag in die Natur gezogen und ich habe im menschenfernen Wald eine Waldkapelle besucht. Ebenfalls vorbeigekommen an sich im sanften Wind wiegenden Buschwindröschen, sie sind an vielen Orten zuhause.
Das Ratschen gibt’s auch im ländlichen Österreich, ist seit 2015 sogar als Immaterielles Kulturerbe anerkannt.
Liebe Grüße aus dem Nachbarlande!
Interessante Beiträge zum „Ratschen“. Aber warum wird „geratscht? Im nahe Donebach wird auch heute noch kräftig von den Klapper- oder Raspelbuben „geklappert“, weil am Gründonnerstag die Glocken nach Rom fliegen, also hier nicht läuten können. Geklappert wird dann am Gründonnerstag, erstmals um18h, am Karfreitag morgens, mittags, nachmittags als Einladung zum Gottesdienst, und in dessen Verlauf beim „Kreuzweg“ in der Kirche, dann wieder abends, um halb Sieben und am Karsamstag letztmalig am Abend, weil die Glocken bis Ostersonntag wieder zurück sind!! Ja – da sind die Buben und Mädchen so richtig gefordert. Obwohl auch ich, lutherisch/protestantisch bin, freue ich mich, dass solche Bräuche über Jahrhunderte gepflegt werden. Auch ein Stück Kulturgut!