Jahahahaaaa, so sieht sie aus, die Frau Dr. Margot Wichtig. Als könne sie kein Wässerchen trüben. Dabei verschleppt sie heimlich olle Socken und versteckt sie im Haus, verbuddelt sie wahlweise im Garten, ich hatte der geneigten Leserschaft davon ja gestern berichtet. Ein ehemaliger Straßenköter mit offenbar einer sehr speziellen Neigung, an die wir uns noch gewöhnen müssen. Welche Herausforderungen da sockentechnisch an uns gestellt werden, ist mir erst jetzt so richtig klargeworden.

Gehe ich ins Bad, liegt in der Duschkabine eine olle Socke. In der Küche unterm Küchentisch liegt eine olle Socke. Auf dem Sofa: eine olle Socke. Undsoweiter. Ich bin also ständig dabei, olle Socken einzusammeln, die nun entweder in den Wäschekorb im ersten Stock oder direkt in die Waschmaschine im Keller gehören. Um das etwas zu vereinfachen und vorallem ständige Wege zu sparen, stecke ich die ollen Socken kurzerhand erstmal in Hosen- oder Jackentasche. Als Sockenzwischenlager sozusagen.

Nun sitze ich also dienstlich mit einem sehr feinen Herrn in einem sehr feinen Vorstandsbüro, um ein wegweisendes, tiefgründiges Interview zu führen. Es ist furchtbar warm, meine Nase läuft ein bißchen, und ich fummle mit der freien Hand in der Hosentasche nach einem Taschentuch, um mir damit damenhaft das Riechorgan abzutupfen. Ich fummele möglichst unauffälllig, ich fummele und fummele, halte währenddessen Augenkontakt mit meinem Interviewpartner, und ziehe schlußendlich ein Stück Stoff aus der Hosentasche: eine rotblaugelb-gestreifte olle Socke.

Die Sache mit dem Zwischenlager hat sich also als nicht besonders tragfähig erwiesen. Fast wie im richtigen Leben. Naja, Sie wissen schon.

Und ausserdem steht seit Tagen dieses Paar Stiefel im Eingangsbereich der Volkshochschule im Städtchen, mithin also auf dem Weg in mein kleines Büro. Ich komme jeden Morgen, jeden Nachmittag daran vorbei und versuche zu verstehen, welche Geschichte mir diese Stiefel erzählen wollen. Ein Paar Schuhe, irgendwo einfach abgestellt, das ist ja hierzulande äußerst ungewöhnlich. Aus Berlin kenne ich sowas, aber im Odenwald? Ich werde der Sache mal mit einer knallharten Recherche auf den Grund gehen.

Vielleicht kommen diese Stiefel aus Rußland oder aus der Ukraine, beide Nationen gehen hier in der Volkshochschule halbwegs friedlich miteinander ein und aus. Aber das ist jetzt wieder eine andere Geschichte, von der muß ich Ihnen auch noch mal irgendwann berichten.

Wieder mal ein paar Belanglosigkeiten verbloggt, während drumherum die Welt in Stücke springt. Glauben Sie nicht, dass ich das nicht wahrnähme, hier in der vermeintlichen Provinz. Ich nehme das alles wahr, und es erfüllt mich mit absolutem, stummem Entsetzen. Vielleicht halte ich deswegen fest an den kleinen Belangslosigkeiten, die ich erzählen, aufschreiben will. So eine Art Selbstschutz, eine 10-Minuten-Flucht ins Behagliche. Sie müssen das nicht verstehen, Sie müssen das nicht mal lesen. Ich wollte es nur mal gesagt haben.

10 Kommentare zu “Sockennachtrag.”

  1. Danke für Deine wunderschönen Geschichten in dieser wirklich traurigen Zeit…
    Wie schön, dass es Dich gibt!!! Ganz liebe Grüße und nochmals DANKE!!

  2. Vielen Dank, dass Sie uns an Ihrem Alltag teilhaben und mitschmunzeln lassen. Das tut gut in diesen schwierigen Zeiten.

    Liebe Grüße aus dem Sauerland in den Odenwald

    Andrea

  3. ehrlich gesagt halte ich mich an ihren belanglosigkeiten, sockengeschichten und hunderunden fest, während alles in stücke springt. danke für.
    als ich kind war gab es in der freundesfamilie eine ähnliche frau wichtig, aber die klaute gebrauchte unterbuxen und verschleppte, verbuddelte und gelegentlich zerfetzte sie… hunde sind wundertüten. soifz.

  4. ..stummes Entsetzen…genauso empfinde ich das auch was gerade in unseren Medien abgebildet und berichtet wird…unbegreiflich und doch Realität….wir dürfen dankbar sein für unsere “heile” Welt ….

  5. Wenn sogenannte “Belanglosigkeiten” derart formuliert daherkommen, mit unnachahmlichem Esprit, dann halte ich es für ein Geschenk an die Leserschaft. Bei mir kommt es genau so an – und niemals möchte ich all diese Geschichten missen!
    🙏 Herzensdank dafür!!! In Zeiten wie diesen brauchen wir genau DAS! Ich kenne niemanden, den die Weltlage nicht belasten würde.

    Frau Dr. Margot Wichtig sieht entzückendst aus der Wäsch’ – zum Verlieben!
    Bitte um eine Recherche zum Stiefelpaar! Ich freue mich schon heute darauf, davon zu lesen.
    Herzliche Grüße aus Oberösterreich!

    1. Nein, schon länger nicht mehr, dann muss ich den link hier mal rausnehmen, gut, dass du mich erinnerst!

  6. Dieses Fliehen in´s “Belanglose” ist meines Erachtens Selbstschutz. Der Einzelne ist gar nicht in der Lage, das im Ganzen zu erfassen und zu verarbeiten, ohne dabei irre zu werden, wiewohl auch Teile der Medien und teilweise die Medien gut daran täten, den permanenten Kick mittels neutralerer Aussagen etwas zurückzufahren.

    Da wird immer gleich gerast, gecrasht, gekracht, ge-wasweissichnoch gemacht. Dann noch das Ganze, was mit dem Zusatz wohl oder als Konjunktiv daherkommt und wo es manchmal mehr um Befindlichkeiten statts Tatsachen geht und am Ende doch nur Aufgeblähtes ist. Aber was rege ich mich schon wieder auf…

    …seit der Pandemie als zeitlichem Marker habe ich sowieso den Eindruck, dass wir langsam kollektiv durchdrehen, wenn ich mir das Verhalten im Verkehr, im täglichen Umgang miteinander, eben in den Medien oder im Umgang mit Menschen anderer Ansichten/Herkunft/hier selber weiter einsetzen so ansehe. Da stimmt irgendetwas überhaupt nicht mehr und da hilft es manchmal nur noch, den Stecker zu ziehen oder sich wenigstens auf besagtes Belangloses zu fokussieren. So oft kann man gar nicht in den Wald gehen und schreien oder fotografieren.

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