Die Nächte tropisch, die Tage heiß und klebrig, das Denkvermögen so zähflüssig wie die lauwarme Lava am Fuße des Vulkans. Rekordtemperaturen in einer Gegend, die im Untertitel Badisch-Sibirien heißt, diesen Namen wird man vermutlich nun auch mal überdenken müssen. Wir schleppten uns durchs Haus und durch den Garten, auf der Terrasse war es nicht auszuhalten, so heiß. Die Hitze war ermüdend, die Nächte schlaflos. Von mir aus könnts jetzt sofort schneien, stöhnt der freundliche Mann in der Dorfwirtschaft, aber so weit will ich nun nicht gehen.
Jetzt verabschiedet sich die Hitze mit Rumpelei und Geblitze quer durchs Land, nur wir werden bisher wieder verschont, der Katzenbuckel als Bollwerk hält bislang alle Unwetter von uns ab, nördlich und südlich von uns haut Petrus mit der Faust auf den Tisch, bei uns bleibt er friedlich. Ich bin nicht böse drum. Ab und zu ein Regen: mir ist es recht so. Es kann jetzt gleich Herbst werden, der Feldsalat ist gepflanzt, ein untrügliches Zeichen, dass der Sommer zur Neige geht.
Im nebelfeuchten Unterholz begegne ich einer Nacktschnecke. Man möchte ihr direkt ein Geschirr umlegen und sie an der Leine nach Hause führen, so groß ist die. Schnecken als Haustiere, – wer wünscht sich das nicht? Sowas hats doch früher nicht gegeben!, sage ich laut in die Stille des Waldes, wie so eine Alte. Die ganze Welt ist verrückt geworden, jetzt also auch die Nacktschnecken. Wenn die erstmal meinen Feldsalat entdecken, na dann: gute Nacht. Einmal Happ-Happ, weg isser.
A propos Happ-happ: Falls Sie morgen, Sonntag, noch nix vorhaben: Wir schließen wieder unser kleines Museum auf, werfen die Kaffeemaschine an und schleppen die weltbesten Kuchen und Torten nördlich der Alpen herbei, um Sie ein bißchen zu verwöhnen. Und um Sie eintauchen zu lassen in die Geschichte und Geschichten aus dem Odenwald. Hätten Sie zum Beispiel gewußt, wie viele Menschen im 19. Jahrhundert den Odenwald Richtung Amerika verlassen haben? Schlechtes Klima, schlechte Böden, Hungersnöte.
Wir haben das mal am Beispiel vom klitzekleinen Dorf Wagenschwend recherchiert, ellenlangen Listen haben wir gefunden, unzählige Familiennamen, die es bis heute gibt in der Region. Vorfahren, die ausgewandert sind oder es doch zumindest von Herzen und verzweifelt vorhatten. Weil in Badisch-Sibrien kein Blumentopf zu gewinnen war. Kommen Sie mal vorbei und schauen sich unsere ersten Recherchen zu dem Thema an: morgen zwischen 14 und 17 Uhr. Wagenschwend kennen Sie ja. Da an der einzigen ernstzunehmenden Kreuzung, da steht unser Museum.
Bei der Vorlage muss ich natürlich auf https://de.wikipedia.org/wiki/Hitzewelle_in_Sibirien_2020 und https://de.wikipedia.org/wiki/Hitzewellen_in_Osteuropa_und_Sibirien_2021 hinweisen.
Danke für den Tip mit den Schnecken – habe ich sofort an meine Enkelinnen (2 und 5 Jahre) weitergeleitet.