Wenn Sie mir etwas Gutes tun wollen, dann lassen Sie mich in Ihre alten Scheunen, in Keller, auf Dachböden oder verlassene Rumpelkammern. Ich liebe diese Orte sehr. Ich will da gar nicht neugierig herumkruschteln, gar nichts anfassen oder durcheinanderbringen. Einfach nur gucken und riechen und spüren. Und ein bisschen nachdenken über dies und das, über die Zeit und die Vergänglichkeit. Naja, Sie wissen schon.

Ich freue mich an solchen Orten sogar über huschende Mäuse, die ich sonst in geschlossenen Räumen eher nur so semigut finde. Ich betrachte fasziniert die unglaublichen filigranen Gebilde, die fleißige Spinnen seit Jahrzehnten ungestört weben. Ich denke darüber nach, wie viel Geschichte, wie viele Geschichten, wie viele Erinnerungen hier liegen und schlafen. Manche vielleicht für immer, manche nur vorübergehend.

Kaum wagt man, sie durch seine Anwesenheit zu stören. Manche würden vermutlich gar nicht geweckt werden wollen, aber andere würden vielleicht die tollsten Sachen berichten.

Und wie unterschiedlich die Dinge sind, die da in Kellern, Scheunen und auf Dachböden lagern – je nachdem, ob in der Stadt oder auf dem Land. Logisch, aber spannend.

Ich erinnere mich an den Keller des Hauses, in dem ich aufgewachsen bin, mitten in der Großstadt. Ein ehemaliger Luftschutzkeller war das, es gab eine schwere Tür, die ich als Kind kaum aufstemmen konnte. Dahinter die Keller der einzelnen Mietparteien, kleine Verschläge hinter einer wackligen Tür aus staubigen Holzlatten.

Ich mochte den Geruch und ich schaute im Schein einer funzeligen Deckenlampe gerne durch die Holzstreben in die Keller der Nachbarn. Fahrräder standen da, mal ein alter Staubsauger, ausrangierte Koffer mit alten Aufklebern, die zerknittert abblätterten und von früheren Reisen erzählten. Es war immer ein bisschen unheimlich da unten, nicht der dunkle Keller, sondern eher dieses Gefühl, in das Leben eines anderen zu gucken. Vielleicht sogar in ein abgelegtes, eingestaubtes Leben.

Hier auf dem Land erlebe ich oft, dass Leute ihre Keller, ihre Dachböden ausräumen und das ganze alte G’lump dann fortschmeißen wollen. Mit all der Geschichte, die daran hängt, in jeder Schraube, in jedem Nagel, in jeder Tischplatte, in jedem Stuhl. Ich rette, was ich retten kann, und inzwischen wohnen in meinem Haus, Seit’ an Seit’ mit ein paar wenigen Design-Klassikern, nicht nur wundervolle Jugendstil und sonstwas-Stühle vom Sperrmüll, sondern auch zwei alte Schultische, Fensterrahmen und die Tür eines Klassenzimmers der ehemaligen Dorfschule.

Außerdem eine alte evangelische Kirchenbank aus der Nachbarschaft, die ich sehr liebe, obwohl man auf ihr so unbequem sitzt, wie’s schlimmer nicht geht. (Das liegt in der Natur der Sache). Unser Esstisch und zwei andere Tische standen bis in die 70er Jahre in einer Gastwirtschaft im hessischen Odenwald. Eine alte Fensterputzerleiter trägt heute brav die Töpfe in der Küche, eine andere Leiter dient als Bücherregal. Alles aus der Gegend, in der ich lebe, alles gerettet vor der Müllpresse, hinterhergeworfen bekommen von den ehemaligen Besitzern, die uns vermutlich für reichlich bekloppt hielten. Was will einer mit dem ollen Zeug?

Das olle Zeug hat jetzt ein neues Zuhause bekommen bei uns, mit all seinen Geschichten. Ich gehe natürlich davon aus, dass all die Stücke nur gute und schöne Geschichten zu erzählen haben, und dass sie sich jede Nacht heimlich und flüsternd untereinander austauschen und sich gegenseitig von ihren bisherigen Leben berichten. Der Tisch und die Stühle, und die alten Türen und die Schulbank.

Naja, Sie wissen schon.

P.S. Danke, dass ich in der Scheune fotografieren durfte. Und wenn Ihr die eines Tages ausräumt: an mich denken, gell, is klar.

5 Kommentare zu “Des olle G’lump.”

  1. Was bei Dir Dachboden und Kellerräume, sind für mich mittlerweile Sperrmülltage. Gerne auch nur zum Gucken und denken “was könnte man daraus noch machen”; Platz ist eh keiner vorhanden, die Zimmer (“Appartements”) sind recht klein. Aber anschauen kostet ja nichts. Und vielleicht sieht man so auch etwas, wo man denkt “Boah, Mensch, das ist doch bestimmt schon 60, 70 Jahre alt, noch mehr, daß das noch lebt!”.
    Doch, Deine Faszination ist durchaus verständlich.

  2. Oh, oh, das kenn’ ich ;-) Da darfst Du aber nicht in meinen Keller, wenn ich meine diversen Kartons aus- und wieder einräume, weil ich nicht weiss, wohin damit ;-)

  3. Als Kind waren bei den häufigen Besuchen der Verwandtschaft und dies entweder bei schlechtem Wetter oder weil mir als oftmals einziges Kind (alle anderen waren noch Babys) einfach langweilig war, das Ziel:DACHBODEN UND KELLER.
    So wunderbare Geschichten und Gegenstände! Auf den alten Trecker Deiner Bilder hätte ich mich sofort gesetzt, trotz Spinnweben. Vielleicht hätte der Zündschlüssel gesteckt, wäre meine Hoffnung gewesen. Bei mir steht auch ganz viel solcher Geschichte(n). Und ja, heute ist das eher der Sperrmüll und noch gestern bin ich jammern an einem bunten Fenster auf einem unerreichbaren Sperrmüll Haufen langgefahren. Wenigstens kann ich Daheim z.B. einen Tisch weitergeben, an dem schon meine Uroma in der Küche gearbeitet hat, wir schlafen in Betten, die den Bombeneinschlag in s Haus meiner anderen Grosseltern überlebt haben usw. Warum andere solche “Wurzeln* wegschmeißen, werde ich nie verstehen.
    Danke für eine wiede rmal wunderschöne Geschichte.
    Liebe Grüße
    Nina

  4. Ich bin genauso.

    Und geh’ an keinem Sperrmüllhaufen vorbei, ohne mir wenigstens einen Überblick zu verschaffen.

    Wer mich kennt und XY braucht, sagt mir, ich solle doch mal gucken, ob ich XY finde – so bringe ich oft Gutes, für das ich selbst keine Verwendung habe, doch noch gut unter.

    Ich sehe aber auch, dass Menschen manchmal der Mut oder die Zeit fehlt, nach einer anderen Lösung als der Entsorgung zu suchen, sich zu kümmern.

    Es ist mir tatsächlich selbst schon so ergangen.

    Und nicht selten ist so eine brutale Trennung auch Erlösung von böser Geschichte – die ja der nicht teilt, der den Gegenstand dann rettet, also unbelastet daran geht.

    Ich denke einfach, das hat schon alles seinen Sinn so.

  5. Ich liebe das auch. Das weißt Du ja, nur habe ich es bis heute nicht geschafft, mal die Bilder unserer Bildertour irgendwie sinnvoll in einen Post zu bringen. Irgendwann wird’s wahr werden. Man braucht ja auch Ziele ;)

    Deine des Dachbodens sind toll… vumm alde Glump :)

    Liebe Grüße
    Pamy

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