Man muss im Leben einfach Prioritäten setzen, sonst wird das ja alles nichts. Jedenfalls war ich heute Nachmittag auf einem offiziellen Termin unterwegs, hoch über dem Neckar in einer Burg, dort hatte ich die Burgherrin zu interviewen, sowas hat man auch nicht alle Tage, Landadel undsoweiter, die Burg seit dem 12. Jahrhundert bewohnt, die Dame war nett und der Ausblick großartig, und jedenfalls hatte ich vergessen, das Handy währenddessen stumm zu schalten.

Das war zwar äußerst unschicklich, erwies sich aber als wahrer Glücksfall, denn kaum hatten wir unser nahezu pulitzerpreisverdächtiges Burg-Interview beendet, bimmelte auch schon das Telefon, mein Geo, am nervösen Klingelton unschwer zu erkennen. Schnell!, schrie er in die Sprechmuschel, die leider schon lange nicht mehr so heißt, komm schnell, schrie er also mit sich überschlagender Stimme, als sei der Leibhaftige hinter ihm her, es soll Gewitter geben, und wir müssen doch die Kartoffeln ernten!

Also: Prioritäten setzen. Was sage ich: es geht hier um die existentiellen Dinge des Lebens, um nicht weniger als unser Grundnahrungsmittel, also bin ich nach hektischer Verabschiedung auf der Burg hoch oben hastewattkannste zurück in die Niederungen gerast, mit Mühen durch die Ebene, und wieder rauf in den Hohen Odenwald, dortselbst in den Blaumann gesprungen, und im Gemüsegarten vor den verdorrten Kartoffelpflanzen auf die Knie gefallen.

Die Erde ist schwer und nass, und nach dem sonnigen Tag richtig warm, und ich stelle einmal mehr fest, dass es fast nichts Schöneres gibt, als mit den nackten Händen darin herumzuwühlen und goldgelbe Kartoffeln dort herauszuklauben. Keine Ernte macht mich glücklicher als die Kartoffelernte, ja so ist das, und vor Begeisterung singen am Ende sogar die Bandscheiben im Chor ein Lied.

Die Ernte selber ist etwas mager dieses Jahr, so will mir scheinen, Almonda und Annabelle gelten beide als frühreif, es sind sowas wie die Lolitas Teenager unter den Kartoffeln, und was soll man da erwarten. Zwanzig Kilo werden es sein, die wir da also in Windeseile ausgebuddelt haben, bevor dann tatsächlich der angekündigte Regen kam. Für das eine oder andere Abendessen wird es reichen.

Und wo wir gerade dabei sind, schreibe ich Ihnen rasch das Rezept für mein Lieblingsabendessen auf:

Eier (von den eigenen Hühnern)

Kartoffeln (aus dem Garten)

Knoblauch, Rosmarin, Oregano und Thymian (aus dem Garten)

Lollo Rosso, Paprika, Möhren, Tomaten (aus dem Garten)

Olivenöl (vom Freund in Griechenland)

Salz, Pfeffer (ja, das müssen Sie dann schon im Supermarkt kaufen.)

 

Und nun machen Sie was draus. Das kann ja nicht so schwer sein. Und schmeckt besser als alles, was Sie bisher in Ihrem Leben gegessen haben.

Amen. 

 

 

 

P.S.: Die nette Burgherrin wird schwer mit mir schimpfen, weil ich sie Burgherrin genannt habe. Dabei haben wir über was ganz anderes gesprochen heute nachmittag da oben auf der Burg. Es gibt da diesen ziemlich abgedrehten Plan von zwei tollen Frauen, hier: klick! erfahren Sie mehr über die Zwei und ihr tollkühnes Projekt. Sie sollten das in den kommenden Wochen verfolgen, das dürfte ausgesprochen spannend werden.

 

 

 

 

6 Kommentare zu “Blaumanns Erzählungen.”

  1. Sind eure Kartoffeln so empfindlich, dass sie keine Gewitter überstehen? In einem merkwürdigen Zusammentreffen habe ich heute auch über die frühreife speckige Annabelle geschrieben.

    1. Nein, die Kartoffeln schwammen aber ohnehin schon in der Matschepampe, da mussten sie nun wirklich raus.

  2. „Die Ernte selber ist etwas mager dieses Jahr“

    Nunja, die dümmsten Bauern undsoweiter, das wissen Sie ja sicher. Insofern völlig verständlich, daß Sie da keine Prachtexemplare erwarten dürfen. Aber zu anderen Ernteausbeuten bezieht die Regel glücklicherweise keine Stellung und wenn’s dafür genug Möhren gibt: Na bitte. Da schlägt die Eigenzucht die Supermarktware um so viele Längen (und ich ärgere mich sehr, daß ich dieses Jahr vergessen habe, sie auszusäen).

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