Die Sternsinger waren da, die Heiligen Drei Könige, Caspar, Melchior, Balthasar, und sie haben ihren Segen dagelassen. C-M-B, Christus mansionem benedicat – Christus segne dieses Haus. Stundenlang sind sie durchs Dorf gestapft, bei widrigem Wetter, wie jedes Jahr. Und eigentlich ist das Odenwälder Wetter immer doof am 6. Januar, zumindest, wenn man einen ganzen Tag lang durch die Gegend laufen will, entweder ist es bitterkalt und alles voller Schnee und Eis, oder es ist wie gestern regnerisch, windig, oll.
Den Sternsingern ist das völlig wurst, sie ziehen von Haus zu Haus, sie singen und sammeln und segnen, seit Jahrhunderten geht das so. Genau gesagt, seit dem 16. Jahrhundert, ich habe das gerade nochmal hier nachgelesen. Und während anderswo diese Traditionen vielfach ausgestorben sind, leben sie bei uns im Dorf weiter.
Wir haben wie jedes Jahr die Tür aufgemacht und die kleine Schar empfangen, uns für den Segen bedankt, eine Packung Schokolade in die mitgebrachte Tasche gesteckt und einen Schein in die Sammelbüchse. Nach einem kurzen Plausch sind die Könige und ihr Gefolge dann weitergezogen.
Dass die Tradition noch lebt, ist dabei den Kindern und den Jugendlichen zu verdanken. Ohne die gäbe es die Traditionen nicht mehr, das ist ja auch mal ein spannender Aspekt, wo Traditionen doch sonst eher von den Alten hochgehalten werden, das fällt mir eben auf. Jedenfalls habe ich in diesem Zusammenhang wieder was gelernt, tägliche Horizonterweiterung und so. Ich war von mehreren Seiten darauf hingewiesen worden, dass man die Sternsinger bitte aussingen lässt und nicht unterbricht, dass sie das mit Hingabe und Stolz machen.
Wenn ich da an meine Pubertät Jugendjahre in Berlin zurückdenke, ist den Sternsingern meine Bewunderung doppelt sicher. Ich muß das hier vielleicht nochmal so deutlich sagen. Im Leben hätte ich es nicht über mich gebracht, mich an andrer Leuts Haustür zu stellen und zu singen. Mal abgesehen davon, dass man in Berlin sowieso tunlichst keine Kinder und Jugendlichen alleine an fremder Leuts Haustür klingeln lässt, aber das ist jetzt wieder eine andere Geschichte.
Weit über 1000 Euro haben die Sternsinger gestern allein in unserem Dorf zusammengesammelt, das Geld geht in diesem Jahr an Kinderhilfsprojekte in Indonesien. Weltweit ergibt das Jahr für Jahr einen satten zweistelligen Millionenbetrag. Zusammengetragen von Kindern und Jugendlichen, die bei Wind und Wetter von Haus zu Haus ziehen. Man muß sich das einfach nochmal auf der Zunge zergehen lassen.
Sehr schön! Vielen lieben Dank, diese Tradition noch einmal so beleuchtet lesen zu dürfen!
Ich hoffe, hier kommen sie noch …
Heute kommen die Sternsinger auch zu uns in Berlin – natürlich nur auf Anfrage.
Morgen kommen sie zu uns, heute werden erstmal vor dem Feuerwehrhaus die alten Weihnachtsbäume verbrannt, bei Speis und Trank- so ist das auf dem Dorf!
Gruß aus Rheinhessen
Wir freuen uns darüber, mit welcher Freude Sie den Besuch der Sternsinger, oder den der „Heiligen drei Könige“ erlebt und so lebendig geschildert haben. Ja, man steht schon dahinter, wenn man heute, neben der weit zurückreichenden traditionellen Bedeutung, den eigentlichen Sinn des Sammelns sieht. Nachdem wir aber das gleiche Gesangbuch wie Sie haben, stehen wir trotzdem hinter diesem uralten Brauch und mit Bewunderung hinter den Kindern, die uns noch am Abend besuchten. Liebe Grüße und alles Gute in 2023 nach Balschboch.
Bei uns gibt es doppeltes Sternsingervergnügen. Zuerst kommen die Erwachsenen, die nur zu gerne Kind spielen, aber statt Süßigkeiten einen Kurzen bekommen. Also einen vor dem Singern, einen nach dem ersten Lied und dann noch einen nach dem Dankgesang. Geld bekommen sie obendrein, aber das geht nicht an hungernde Kinder, sondern davon wird ein Stadtteilfestessen, das Wurstessen veranstaltet. Echt super, weil es die Gemeinschaft stärkt. Tja und dann kommen auch noch die Kinder. Da ist es bei uns wie bei Euch und wir beschenken sie gut und gerne. Doch für mich, die AusderPfalzKommende, war es am Anfang auch gewöhnungsbedürftig, weil man an den Tag keinesfalls das Haus verlassen darf. Zumindest nicht gegen Abend.
Bei uns waren sie heute auch. Und haben die Liste rechts neben der Tür um ein Jahr verlängert.
Hier im Dorf hat ein Mitbürger den Pfarrer verklagt, weil er die Inschrift nicht wollte. Wegen Sachbeschädigung. Kannste Dir nicht ausdenken…😔
Gestern waren sie auch da, zu fünft, bei drei Häusern im Gässchen.
Gestern waren sie zu dritt da – plus eine kirchliche Mitarbeiterin mit Gitarre und ein Elternteil. Sie hatten Liederhefte dabei, und so konnten wir bei unserem offenen Samstagsfrühstück gemeinsam mit ihnen singen. Leider geht es in Berlin nicht ohne Erwachsenenbegleitung und ohne Voranmeldung, weil es durchaus schon rabiate verbale Attacken auf Sternsinger gab. Hier sind überwiegend Grundschulkinder der 5. und 6. Klasse unterwegs. Die Truppe von heute kannten wir schon vom letzten Jahr.
Jedes Jahr freue ich mich auf die Sternsinger_innen. Leider wird auch hier rationalisiert, zumindest in meinem Waldbrunner Ortsteil: statt mit Kreide die JAhreszahl zu aktualisieren, bekommt man einen Aufkleber. Das finde ich schade. War doch das Wegwischen einer Zahl und deren Erneuerung so ein besonerer Akt. Was „Hingebepptes“ hat absolut nicht den gleichen Zauber von „Vergehen und Werden“.
Soweit ich weiss, kamen die Aufkleber in / wegen Corona auf. Den genauen Grund weiss ich nicht mehr bzw. wie da lief. Wurden die nicht auch verschickt bzw. in den Briefkasten geworfen?
Die Aufkleber gibts schon ein paar Jahre, da immer mehr Haustüren aus Kunststoff oder Metall sind. Da hilft Kreide nicht weiter… Bei uns im Dorf wird nach Wunsch und Machbarkeit mit Kreide geschrieben oder geklebt.
Kreide kann auf Metall- und Kunststoffoberflächen Kratzer verursachen – oder einfach nicht haften bleiben. Um hier Regress-Ansprüchen aus dem Weg zu gehen, gibt es seit einigen Jahren die Aufkleber. Zumindest in Buchen haben die Sternsinger auch noch Kreide dabei und schreiben das Jahr auf Wunsch auch mit Kreide an die Tür.
Zudem sieht man weiße Kreide recht schlecht auf weißen Haustüren. ;-)
@ Friederike: Vielen lieben Dank für die Nachbetrachtung.
Traditionen sind natürlich besonders rund um kirchliche Feiertage angesiedelt. Mit solcherart Traditionen kann ich ganz gut leben, auch, wenn ich mich bei den wenigsten anschließe.
Sehr schmunzeln musste ich bei der Schilderung, dass Weihnachtsbäumchen gelobt werden – im Ausgleich gegen ein hochprozentiges Getränk. Ich stelle mir diese Szene gerade bei meinem winzigen Bäumchen vor, ob es wohl über 50 cm hoch ist? Ich liebe es gerade deshalb – und nachhaltig ist es auch. Ich hole es jedes Jahr im Dezember wieder hervor – schon seit über zehn Jahren – und habe immer noch die gleiche Freude an meinem Geschenk!
Raunächte sind besonders am Lande vielbeachtet – leider in städtischen Gefilde wenig Thema. Aber wer möchte, kann sich überall damit auseinandersetzen. Gibt ja reichhaltig Literatur darüber.
Herzliche Grüße von einer, die so gern ganz tief ins Ländliche eintauchen möchte – wenigstens für ein paar Tage – demnächst …