Ich war mal wieder in der großen Stadt. So semi-privat und semi-beruflich. Falls es Sie interessiert, was ich da beruflich so mache, können Sie hier mal reinklicken und hören, das gilt insbesondere für den Freundeskreis Unterhaltsame Wissenschaftskommunikation oder wie der sich nennen mag.
Auf jeden Fall war das wieder ausgesprochen nett, die Arbeit, das Private. Das inzwischen nahezu 90jährige Tantchen schleppt mich im Affenzahn durch die Hauptstadt, dass ich kaum hinterher komme, sie führt mich durch Museen und lässt mich Rolltreppen fahren, weil sie weiß, dass ich als Landpomeranze da einen gewissen Nachholbedarf habe. Und zwischendurch hangeln wir uns für das Tantchen von einem Rauchercafé ins nächste, sodass ich bereits nach wenigen Stunden Berlin vermutlich rieche wie ein überfüllter Aschenbecher. Aber was tut mal nicht alles.
Erstaunlicherweise fühle ich mich ausgesprochen wohl in der vollen, lauten und dreckigen Stadt, die fast 25 Jahre meine Heimat war, ich wundere mich selber. Falls Sie da dieser Tage mal sind, darf ich Ihnen eine (Klick!) Fotoausstellung sehr ans Herz legen. Im ehemaligen Amerika-Haus habe ich eine weitere Fotoausstellung angeguckt, durchaus auch sehenswert, aber mit hohem schlechte-Laune-bis-Depressions-Faktor. Muss ja nicht immer alles Spaß machen.
Ansonsten ziehe ich mir genüsslich den Lärm der rastlosen Stadt rein, wohl wissend, dass ich gleich wieder in der wunderbaren endlosen Stille bin. Und denke über diese Kuhglockengeschichte nach, zwei zugezogene Städter prozessieren seit Jahren mit einer bayerischen Bäuerin wegen Kuhglockenläuten. Ja gut. Ich kenne viele solcher Geschichten. Kennt irgendwer die umgekehrte Variante: den Dörfler, der in die große Stadt zieht, mitten ins Berliner Zentrum meinetwegen, und dann rechtlich gegen Autolärm, Kneipen oder Feuerwehrsirenen vorgeht?
Hm. Es bleibt kompliziert.
Na aber! Gentrifizierung ist auch, wenn Leute aus der Provinz gegen genau das klagen, weswegen sie mal aus ihrer Provinz in die Hauptstadt geflüchtet sind (<-das ist mit "Schwaben“ gemeint, nicht notwendigerweise eine Herkunft aus dem Südwesten der Republik). Die Clubs, Veranstaltungsorte, Bars, Kneipen, die deswegen von Schließung bedroht oder längst zu sind, sind Legion.
Eine Variante besagter „Schwaben“ hat – vorübergehend – die eigene Karriere/Selbstfindung/wasweißich in Berlin betrieben, ist anschließend in die ursprüngliche und/oder eine andere Provinz zurück gekehrt und entstellt sich seitdem u.a. mit Formulierungen wie „Hauptstadtslum“ zur Kenntlichkeit.
Weil: Provinz ist ein Ort und der liegt zwischen den Ohren.
Das mit der Gentrifizierung ist mir bekannt. Aber haben die tatsächlich auch geklagt gegen Kneipen und Clubs, die sie ursprünglich in die Stadt gelockt hatten? Oder sind die Läden zu, weil die Gentrifzierung und die Mieten undsoweiter? Unglaublich wäre das.
Sie kennen das SO36? Das hätte 2009 fast schließen müssen, weil klagende Neuberliner das so wollten – die von sich selbst behaupteten, große Freunde lauter Musik und der politischen Ausrichtung des SO36 zu sein. Dessen Betreiber bekamen Auflagen zusätzlicher Schalldämmung, die nur durch x Benefizkonzerte finanziert werden konnten.
Biergärten/Kneipen, wo man auch nach 22h noch draussen sitzen kann, werden immer seltener – nicht nur im PrenzleBergle, auch in Kreuzberg. Zum Beispiel wird von Neu- und Besserberlinern in Stralau eifrig gegen die Clubs auf der Lohmühleninsel/Flutgraben geklagt.
In Berlin gab es schon öfter solche Streitigkeiten von Neu-Nachbarn mit z.B. Clubs oder Open-Air-Theatern. Legendär die Schließung des Knaack-Clubs:
https://www.berliner-zeitung.de/berlin/am-mauerpark-dieser-legendaere-klub-kommt-zurueck-32215866
War mir so nicht klar, dass das immer die Neu-Berliner waren.
Noch ein bekanntes Beispiel: https://www.berliner-zeitung.de/berlin/laermschutz-aerger-das-monbijoutheater-bangt-um-seine-existenz-31674736