Der Odenwald mag die schönste Gegend in der Welt sein, aber wir müssen auch mal in Urlaub, es hilft ja alles nichts. Und Urlaub in einem Ferienhaus kommt dem Alltag schon recht nahe, nur unter erschwerten Bedingungen, haha. Nein, im Ernst, das Ferienhaus ist eine Sensation, wir haben hier schon viele Male sein dürfen und genießen die Vertrautheit, die einem besonders dann zugute kommt, wenn der Urlaub leider kurz und überschaubar ist. Wie so ein altes Rentnerpaar, naja, Sie wissen schon. Wenn Sie jedenfalls mal eine Auszeit am gefühlten Ende der Welt machen wollen, tief in den Vogesen, dann kann ich das nur wärmstens weiterempfehlen. Odenwald ist pulsierende Megametropole dagegen, also fast.

Die deutsche Feiertagsruhe erscheint einem in Frankreich im Übrigen umso schöner, weil es sie hier nicht gibt. Samstag und Sonntag ein ganztägiger kakophonischer Wettkampf der Motorsensen- gegen die Aufsitzrasenmähermannschaft, Team Waldarbeit gegen Team Brennholz und Team Akkubohrer, es dröhnen die Motoren, es brummt in meinen Ohren.
Heute, am 1. Mai, nimmt es der Nachbar gegenüber mit dem Tag der Arbeit so genau, dass er ab 7 Uhr in der Frühe sein Auto aussaugt. Um 7 Uhr 30 ist das Werk erledigt, und ich auch. Aber im Urlaub kann man ja auch mittags nochmal schlafen. Wenn Motorsensen, Rasenmäher, Motorsägen es erlauben.


Wir besuchen einen öffentlichen Garten, den wir natürlich auch schon kennen, allerdings noch nie in dieser Jahreszeit, es ist eine ausgesprochen sympathische Mischung aus botanischer Anlage und Hippie-Künstler-Projekt. Der rauchende Alt-68er mit den langen Haaren am Eingang bietet als erstes den Hunden Wasser an, dann erst wendet er sich uns zu. Und ja, natürlich dürfen wir sie mit in den parkähnlichen Garten mitnehmen, das wäre ja noch schöner, aber bitte an der Leine lassen. Logo. Kein Thema.



Dass die Hunde mal im Auto warten, während wir irgendwas betrachten, besuchen, während wir Kaffee trinken wollen: Leider völlig undenkbar, die Sonne brennt vom Himmel, das Thermometer zeigt jeden Tag um die 30 Grad. In der kleinen Stadt St. Dié möchte mein Geo das Museum besuchen, also, wenigstens mal ein bisschen Kultur, bittet er flehentlich. Soll er haben.
Ich begleite ihn bis zur Museumskasse, erkläre in gebrochenem Französisch, dass wir nur ein Ticket brauchen, dass ich nicht mitkommen kann, die Hitze, die Hunde, im Auto, undsoweiterundsoweiter. Der Museumskassierer macht eine bedauernde Geste und lässt meinen Geo dann umsonst herein. Das ist so vernünftig und gleichzeitig so schade, dass sie ihn nicht durch unser Museum begleiten können, deswegen schenkt er uns diesen Besuch. Mein Geo glotzt ungläubig. Haste den auch bestimmt richtig verstanden? Ja, habe ich. Wieso sind denn die Leute hier alle so freundlich?, fragt er noch und verschwindet dann in den Tiefen des Museums.
Ich kümmere mich in den folgenden anderthalb Stunden um die Hunde, um ihnen den Hitzetod im Auto zu ersparen, und forsche im Internet ein bisschen nach möglichen Sehenwürdigkeiten in St. Dié, die wir aber vermutlich auch schon kennen. Ausserdem gibt es wenig Sehenswürdigkeiten, die dem touristischen Blick genügen würden, dementsprechend sind die google-Rezensionen zu St Die: Was für eine hässliche Stadt!, schreiben Reisende da mehrfach, hässlich und langweilig. Ging mir beim ersten Besuch ähnlich, meine Enttäuschung war groß, ich hatte das seinerzeit hier (Klick!) im Blog beschrieben.
Die Geschichte geht in Kurzform so: Die Nazis haben beim Vorrücken der Alliierten in St. Dié in den Vogesen alles kurz- und kleingeschlagen, verbrannt, zerstört, was ihnen zwischen die Finger kam. 2000 (!) Gebäude niedergebrannt. Fünf Tage lang haben sie mit Brandsätzen und Bomben und Granaten gewütet, bevor sie dann selber abzogen. Vorher noch Männer, Frauen, Kinder ermordet oder deportiert. Hinterlassen haben sie nur Verbrannte Erde. Eine Stadt, die unbewohnbar geworden war, komplett. Eine verkohlte, qualmende, stinkende Trümmer- und Ruinenlandschaft, die als die größte ihrer Art im ganzen Osten Frankreichs galt.
Nach Kriegsende musste St. Dié ganz von vorne anfangen, im Baustil der 50er Jahre. Was damals schick und modern war, und nach einem Neuanfang aussah, finden Touristen auf der Suche nach französischem Flair heute mitunter also halbwegs hässlich und langweilig. Ging mir ja, siehe oben, erstmal ganz genauso. Wenn ich aber eins gelernt habe – auch und besonders in den Vogesen -, dann dieses: Erstmal das Maul halten, sich ein bisschen informieren und nach dem Warum? fragen. Eigentlich wie im richtigen Leben. Naja Sie wissen schon.

P.s.: Der verehrte Bloggerkollege Buddenbohm hatte vor einiger Zeit auf eine Sendung im Deutschlandfunk hingewiesen, die ich nun hier in Frankreich aus Gründen endlich mal nachhören wollte. Über das Wunder der deutsch-französischen Aussöhnung. 40 Minuten, die ich mit großem Gewinn verfolgt habe und Ihnen sehr ans Herz lege, wenn Sie sich dieses Wunder nochmal vergegenwärtigen wollen, es ist wirklich ein Wunder. (Klick!) Hier gehts zur Sendung.
Ich wünsche euch einen Motorsensen-, Rasenmäher- und Motorsägen-losen ruhigen Urlaub und gute Erholung :-)
Viele Grüße, Rolf