Den Michael mag ich wirklich gerne, ein richtig guter Typ ist das. Ich kenne ihn noch nicht wirklich lange, aber mir gefällt seine ruhige, besonnene Art, sein bescheidenes Auftreten.

Trotzdem hoffe und bete ich, dass er nie unangekündigt und mit seiner lila-farbenen Weste vor meiner Haustür stehen wird. Denn das bedeutet immer, dass irgendwem aus der Familie etwas Schreckliches passiert ist. Dem Mann. Den Kindern. Unfall, Tod, Suizid.

Dann kommen Leute wie Michael und überbringen mir die Nachrichten, die ich nicht hören will. Dann müssen die aushalten, dass ich weine, schreie, verzweifle. Dass ich vielleicht völlig durchdrehe. Aber die halten das aus, die halten vielleicht sogar meine Hand. Fürs Aushalten sind die extra ausgebildet. Und die bleiben bei mir, bis der erste Schock vorbei ist. Bis ich wieder handlungsfähig bin. Und wenn es Stunden über Stunden dauert, die bleiben einfach da.

Psychosoziale Notfallversorgung nennt sich das ein bisschen sperrig, man könnte auch sagen Erste Hilfe für die Seele. Alles ehrenamtlich, logo. Sie wissen ja: mein Lieblingsthema. Hier (Klick!) können Sie mal ein Interview zu der Psychozialen Notfallversorgung im Neckar-Odenwald-Kreis lesen. Allein hier im Kreis engagieren sich aktuell mehr als 40 Leute für dieses Ehrenamt. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden täglich.

Die überbringen nicht nur Nachrichten, die niemand hören will, die gehen auch raus zu schrecklichen Unfällen, zu Bränden. Kümmern sich um geschockte Augenzeugen, auch um Einsatzkräfte, denen das Erlebte nachts den Schlaf raubt. Die gehen überall da hin, wo andere (wie ich) lieber sofort weglaufen würden. Freiwillig und ehrenamtlich. Egal, ob mittags um Zwölf oder nachts um halb Vier.

Allein in diesem Jahr hatte die Truppe um Michael Genzwürker schon mehr als 20 Einsätze im Landkreis. Am Rosenmontag fuhren mehr als ein Dutzend Männer und Frauen aus dem Odenwald sogar nach Mannheim, weil hier nach der Amokfahrt die Not besonders groß war. Auf der Website der PSNV können Sie auch die Statistiken früherer Jahre nachlesen.

Dass ich Ihnen das alles erzähle, hat natürlich einen Grund. Weil die Helfer jetzt auch mal Hilfe brauchen, meine und Ihre. Weil die endlich, endlich ein eigenes (gebrauchtes) Einsatzfahrzeug kaufen wollen.

Damit sie sich für Gespräche auch mal zurückziehen können. Damit der Mann, der gerade weinend zusehen muß, wie sein Haus abbrennt, wenigstens trocken in dem Fahrzeug sitzen kann. Damit man die junge Frau, die eben einen schrecklichen Unfall mitansehen musste, nicht mitten auf der Straße auffangen muß, sondern sie wegholen kann von den Schaulustigen und Gaffern, rein ins Warme, ins Geschützte. Damit die bis eben völlig ahnungslose Großmutter irgendwo hinkann, während ein bewaffnetes Sondereinsatzkommando das Haus durchsucht.

Wenn Sie den ehrenamtlichen Helfern für die Seele da finanziell ein bißchen unter die Arme greifen können und möchten – das wäre toll. Sie können das zum Beispiel hier tun, auch per PayPal, sehr praktisch: https://www.betterplace.org/de/projects/150107-fahrzeug-fuer-die-psnv-nok

Oder hier beim aktuellen Spendenprojekt der hiesigen Volksbank, die legt sogar ihrerseits noch was drauf auf die Spenden.

Und wenn Sie sich noch nicht von Amazon verabschiedet haben, dann gibt es (Klick!) hier eine Wunschliste der Seelenhelfer für die Ausstattung fürs Einsatzfahrzeug.

Und dann sind Sie einfach froh, wenn Sie diesen Leuten nie begegnen werden. Zumindest nicht in deren dienstlicher, ehrenamtlicher Funktion. Privat begegnen und kennenlernen ist natürlich was anderes, privat also gerne, das sind bestimmt alles tolle Menschen.

5 Kommentare zu “Hilfe für die Seele”

  1. Notfallseelsorge. Hatten wir mal davor Jahren. Als das kleinere der Kinder mit jemandem gechattet hatte und eine Suizidankündigung im Raum stand. Und keine Nachricht mehr kam. Also nachts 2 Polizisten da, ein Notfallseelsorger, ein komplett verstörtes Kind. Zum Glück kein Selbstmord am anderen Ende. Erfuhren wir 3 Tage später. Oh Mann. Was ein Job. Was tolle Leute.

  2. Ich fand meine Nachbarin tot auf, die sich das Leben genommen hatte. Ich war zutiefst schockiert. Als ich den Notarzt bat, mir irgend etwas in die Venen zu spritzen, sagte er, ich bräuchte keine Arznei sondern Menschen. Kurze Zeit später saß ein Ehepaar in meinem Wohnzimmer und blieb bei mir, als die Kripo kam und der Leichnam abtransportiert wurde, also stundenlang. Anschließend nahmen sie mich mit in ihr Zuhause zum Spaghettiessen. Ich hatte noch viele Jahre Kontakt zu Ihnen, sie haben mir so geholfen! Ehrenamtlich. Was für tolle Menschen💗

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