Es ist ja nicht so, dass man sich langweilt als Reporterin im Odenwald. Nee, nee. Es gibt genug zu tun, ehrlich. Die spannenden Themen liegen quasi auf der Straße, sie wollen nur aufgehoben und umgesetzt werden, ständig fährt man durch die Gegend, stellt mehr oder weniger dumme schlaue Fragen, hört zu, verfasst Texte und Beiträge, und den Rest der Zeit telefoniert man, oder kümmert sich um irgendein PC-Problem, um eine klemmende Klospülung im Büro oder um Anfragen von Hörerinnen und Hörern. Es ist alles in allem so eine Mischung aus Rasender Reporterin, Facility-Managerin, Seelsorgerin und Intendantin.

Jetzt zum Jahresende kam es nochmal dicke, so reporterinnen-mäßig: Sirenen, Alarm. Erst ein (gottlob halbwegs harmloses) Feuer in einem Krankenhaus, dann kurz vor Heiligabend ein Wohnhausbrand mit einem Toten, am ersten Weihnachtsfeiertag eine Gasexplosion mit einem Schwerverletzten. Es war eine Menge zu tun. Aber ich will mich nicht beklagen. Ich werde schließlich bezahlt dafür.

Die Feuerwehrleute hier werden nicht bezahlt dafür. Womit wir (mal wieder) bei einem meiner Lieblingsthemen wären: Freiwillige Feuerwehren. In jedem noch so kleinen Dorf gibt es sie. Gut ausgebildete und regelmäßig geschulte Männer und Frauen, die in ihrer Freizeit anderen helfen. Ich meine: richtig helfen. Ehrenamtlich. Die sich den (Achtung, Kraftausdruck) Arsch aufreißen für andere, für sie durchs Feuer gehen, Leben retten. Bis an den Rand der Erschöpfung, eingepackt und vollgepackt, schwitzend, Schläuche und Geräte schleppend, freiwillig.

Alle Fotos: Symbolbilder, bei früheren Einsätz gemacht.

Es reicht jetzt mal langsam, sagt mir müde einer der Feuerwehrmänner, der bei den drei jüngsten großen Einsätzen dabei war, mittendrin. Dreimal Flammen, Hitze, Rauch, Gestank, bis spät in die Nacht. Dann kurz vor Weihnachten eine Leiche aus glühendem Schutt und heißer Asche geborgen. Zuletzt: retten, was zu retten ist nach einer Gasexplosion, gegen die Flammen gekämpft, einen Schwerverletzten an den Hubschrauber übergeben. Es reicht jetzt mal langsam.

Hahahahaaa, Freiwillige Feuerwehr, da sind doch diese Hanseln, die so gerne löschen: den eigenen Durst, mit Bier, hahahahaaa, oder die so gerne selber zündeln. Ja, nee, is klar. Ich kann es nicht mehr hören.

Bei solchen Einsätzen vor Ort treffe ich oft Männer und Frauen, die ich inzwischen selber kenne. Im richtigen Leben sind sie Grafiker und Architekten, Bäcker oder Landwirt, Schlosser oder Mechatroniker, Lehrerin, Krankenschwester oder Einzelhandelskauffrau. Wenn es in der Hosentasche piepst, rennen sie los. Mittags um 12, nachts um 4, Heiligabend oder Ostersonntag.

In einen Einsatz, von dem sie selber oft nicht wissen, was genau sie da erwarten wird. Ob es Opfer gibt, die sie vielleicht persönlich kennen. Wie es ihnen hinterher ergehen wird, wenn alles gelöscht und erledigt ist, wenn es um sie herum wieder ruhig wird, im Kopf aber laut bleibt. Und die dann, je nach Tageszeit, einfach zurück an ihren Arbeitsplatz gehen. Oder sich an die Kollegen von der Psychosozialen Notfallversorgung wenden, um sich von deren ehrenamtlichen Helfern helfen zu lassen.

Freiwillige Feuerwehr ist ja schon ein bisschen ein Exotenthema? Hab ich früher auch gedacht. In Deutschland gibt es knapp über eine Millionen Feuerwehrleute, so lese ich das bei Wikidingsbums, 996.000 davon sind ehrenamtlich im Einsatz. Eine Berufsfeuerwehr gibt es überhaupt nur in 114 deutschen Städten.

So gräßlich das ist, wenn wieder die Sirenen heulen, wenn Alarm ist, wenn die Männer und Frauen der Feuerwehren wieder losrennen müssen; so ätzend ich das finde, wenn ich dann manchmal auch raus mus als Reporterin: Da ist dann immer dieser eine Moment im konzentrierten Getümmel, wenn ein Rädchen ins andere greift, tausend Mal geübt, zwischen Flammen und Rauch und Gestank, wo ich denke: Wow! Wie großartig, dass es solche Leute gibt. Versöhnt einen mitunter mit den Widrigkeiten des Weltgeschehens und dem gefühlt stetig zunehmenden egoistischen Stumpfsinn. Und lässt einen ein bisschen hoffen.

Naja, Sie wissen schon.

9 Kommentare zu “Sirenen, Alarm.”

  1. „Wow! Wie großartig, daß es solche Leute gibt.“ JAAA, ganz genau!!
    Und sehr dankenswert, daß es …rasende Odenwald-Reporter*innen gibt … die darüber informieren.

  2. DAS! Genau das….ich werde mittlerweile echt wütend, wenn die „Dorffeuerwehr“ mal wieder belächelt wird. Ich weiß gar nicht wo diese Missachtung herkommt. Oder gemeckert, ob die nachts so einen Lärm machen müssen. Ja, müssen sie, sonst sind sie nämlich dran wenn was passiert. Und du kannst dich in deine warmen Bett wieder umdrehen und weiterschlafen, „die“ kommen so schnell nicht wieder ins Bett. Aber wenn´s bei dir brennt, können sie sich dann ja Zeit lassen und ohne Lärm anfahren…
    Sry fürs ranten, aber Danke! für ihren Beitrag

  3. Es sind ja nicht nur die mehr oder weniger spektakulären Einsätze. Im Zuge des Klimawandels hängt auch noch anderes dran. Der Mitbewohner aus der Brandenburger Pampas ist an Sommerwochenenden immer wieder dort, um die KollegINNen bei der Brandwache zu unterstützen.

  4. Alle,die geschrieben haben, haben so recht.Nicht nur die Feuerwehr,auch die Helfer vom DRK,alles Freiwillige, werden oft nicht geschätzt.Wie oft kriegt man mit,dass diese Leute von Vollidioden angegriffen werden.Auch die Gaffer,die z.Zt. durch die Hirschbergstr. fahren gehören zu der Kategorie Vollidioten. In all diesen herrscht Leere im Hirn und Null Menschlichkeit

  5. Wie immer traumhaft geniale Fotos zu diesem wichtigen Thema.
    Gerade weil immer häufiger Einsatzkräfte angegriffen werden ist es besonders gut, wenn es einen solchen Bericht gibt.
    Bei uns in der Gemeinde wurde vor einigen Tagen der Stundensatz für Entschädigung und Verdienstausfall erhöht. Die 18 € neu sind nicht viel, aber das es bisher gerade mal 12 € waren ist wenig anerkennend.

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