Wie vergnügungssüchtig muß man sein, um am Samstag vor den Osterfeiertagen in einen Supermarkt zu gehen? Ja!, sagt mein Geo und wirft sich ins Getümmel, um eine (!) Zitrone und eine Packung Rosinen zu erstehen. Komplett erschüttert kommt er zurück, das kannst Du Dir nicht vorstellen, was da los war, stöhnt er, im Supermarkt waren mehr Menschen als der Ort Einwohner hat!, er läßt sich aufs Sofa fallen wie ein müder Krieger nach der Schlacht. Ich kann mir das vorstellen, will es aber nicht.

Vielleicht ist es ein bißchen wie mit dem Stau zum Ferienanfang, alle fahren am selben Tag los, alle wissen, dass man das tunlichst vermeiden sollte, dass sie in einen gigantischen Stau hineinkommen werden, aber ohne Stau fühlt sich der Urlaubsbeginn offenbar irgendwie nicht richtig erholsam an. Vielleicht ist es auch eine Frage der Abenteuerlust oder des Kampfgeistes oder irgendsowas. Ich muß das jedenfalls alles nicht verstehen. Habe aber auch gut reden: Keine Gäste, keine Familienfeiern, keine großen Essen über die Ostertage, nur freie Zeit und Ruhe, hoffentlich.

Das mit der Ruhe ist ja dieser Tage noch so eine Sache, morgens fallen wir aus dem Bett, weil die Klapperbuwwe und Klappermädchen unterwegs sind, davon hatten wir es hier schon. Eine schöne alte Tradition. Die Glocken schweigen, die jugendlichen Klapperer klappern dafür. Die Glocken sind nach Rom geflogen, zum Brei-essen, erklärt uns in diesem Zusammenhang einmal mehr ein Herr aus der Nachbarschaft.

Dass die nach Rom fliegen, das habe ich bereits vor Jahren verstanden und einfach hingenommen – aber was es mit dem Brei-essen auf sich hat, bleibt unklar. Auch das Internet hilft wenig weiter. Wieso essen die Glocken Brei, wahlweise Milchreis? Und mit wem überhaupt? Mit dem Papst? Und was machen eigentlich die schweigenden evangelischen Kirchenglocken? Wo und mit wem sind die zum Essen verabredet? Und was steht da auf dem Speiseplan? Als brave Evangelische sollte ich das alles wissen, muß aber leider passen.

Ansonsten tönt es überall über-laut FROHE OSTERN!, auf dem Händi-Messenger erscheinen die ersten niedlichen Osterhäschen, Blumensträuße und putzige Küken. An der Tankstelle, beim Bäcker, im Vorbeigehen: irgendwo wünscht ständig jemand FROHE OSTERN!, und auch mein Geo ruft dem Briefträger aus dem Fenster FROHE OSTERN! zu, und ich schimpfe natürlich gleich mit ihm, ey, heute ist Karsamstag, Ostern ist erst morgen, das solltest Du doch wissen, hier im besonders christllichen Hinterland (KfZ-Kennzeichen BCH), aber auf mich hört ja wieder niemand, Naja, Sie wissen schon.

Und wenn Sie sich im Übrigen fragen, was es mit den merkwürdigen Fotos in diesem Beitrag auf sich hat: Die habe ich am Tag nach dem Großbrand eines Einkaufszentrums in der kleinen Großen Kreisstadt gemacht, das ist gar nicht lange her und war ein gewisses Inferno. Aber die Zerstörung, fand ich, hatte ja auch eine ganz eigene Ästhetik, und außerdem wird das alles nun bestimmt wieder aufgebaut, und so passt das irgendwie zu Karsamstag und Ostern. Dachte ich mir so.

Falls das Wetter am Ostersonntag nicht so dolle sein sollte, und Sie aber Lust auf einen Ausflug mit Weiterbildungsmöglichkeit haben, bitte sehr: Dann empfehle ich Ihnen wärmstens das (Klick!) Augusta-Bender-Museum in Schefflenz. Eine Filiale des Deutschen Literaturmuseums in Marbach und eine wirklich spannende Geschichte.

Ein Kommentar zu “Karsamstag”

  1. Anscheinend singen die Klapperkinder in Balsbach mehr als in Wagenschwend.Von den 10 Kindern singen vielleicht 2,die anderen machen höchstens Mundbewegungen…Man kann von ihnen auch nicht geweckt werden,so spät wie die durch’s Dorf laufen.Da komme ich auch auf den Gedanken: Früher war alles besser.

    Die Fotos sind wie immer genial.Vielen Dank

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