Ich habe am Samstag eine Kunst-Auktion verfolgt, aus Gründen und aus purer Neugierde, die Auktion fand natürlich in Berlin statt, in irgendwelchen schicken Räumen mit schicken Menschen.

Mehr als 300 Kunstwerke kommen unter den Hammer, das ganze Schauspiel beginnt um 12 Uhr mittags, es gibt natürlich einen live-stream im Internet. Auf dem Bildschirm ist die Auktionatorin zu sehen, die für die kommenden fast sieben Stunden ununterbrochen reden und mit Summen um sich werfen wird.

Weil sich das Ganze also zieht, gehe ich zwischendurch mit den Hunden in den Wald, den Frühling genießen und einfangen, mit dem sonderbaren Objektiv, das ich vor einiger Zeit günstig erworben habe. Wir müssen uns erst noch aneinander gewöhnen, das gute Stück und ich, so dioptrientechnisch.

Auf dem Handy in der Jackentasche läuft unterdessen der live-stream der Auktion weiter, das Odenwälder mobile Netz machts möglich, ja, da staunen Sie! Ich staune auch. Bild und Ton aus Berlin kommen kompett ruckelfrei im Unterholz an, wo immer ich auch herumstolpere, auf den entlegensten Wegen, in den tiefsten Tälern, auf den einsamsten Hügeln.

Achttausend Euro!, plärrt das Handy aus der Jackentasche, Wer bietet Achttausendfünfhundert? Ich habe keine Ahnung, welches Kunstwerk grade dran ist, ich schaue mir eingehend einen winzigen roten Blaubeer-Trieb an und versuche ihn scharfzustellen. Das dauert und erfordert volle Konzentration. Dreizehntausendfünfhundert, wer bietet Vierzehntausend? Schlag auf Schlag geht das da in Berlin.

So geht man offenbar in Berlin am Samstagvormittag shoppen, sage ich zu Frau Lieselotte, aber die guckt nur verständnislos und schnüffelt an einem moosgrünen Baumstamm. Achtundzwanzigtausend zum Ersten, Achtundzwanzigtausend zum Zweiten, plärrt das Handy, uuuund Achtundzwanzigtausend! Brummend taumelt eine dicke Hummel vorbei, noch müde vom Winterschlaf, nehme ich an. Der Frühling hat sich Zeit gelassen in diesem Jahr im Odenwald, dafür kommt er jetzt mit Macht und warmen Sonnenstrahlen.

Die Stimme in der Jackentasche stellt das nächste Kunstwerk vor, Losnummer 175, sie rattert Künstlerdaten herunter, Größe und Zustand. Leicht bestoßene Ränder. Signiert und datiert. Die ersten Gebote lagen schon vor der Auktion vor, wenn ich das richtig verstehe, wir beginnen also mit Neuntausend, sagt die Stimme. Ich kniee mich mit der ollen Jeans auf den aufgeweichten Waldboden auf der Suche nach dem nächsten Motiv. Ein Buschwindröschen! Die Lieblingsblume meiner Großmutter selig, und auch ich liebe Buschwindröschen sehr. Hemdliglunki, sagt die Freundin aus Basel dazu, und jedes Mal muß ich deswegen lächeln, wenn ich Hemdliglunki sehe.

Tja, falsch geguckt, weiß ich inzwischen. Sauerklee, nicht Hemdliglunki

Inzwischen sind wir am kleinen Bach angekommen, die Hunde stehen mit den Füßen im glitzernden Wasser und trinken. Über eine kleine wacklige Brücke geht es zu einer Schutzhütte, und ich ärgere mich, dass ich nicht wenigstens einen Apfel oder eine Banane eingepackt habe, oder Brot und Käse. Wir machen jetzt trotzdem eine Pause, sage ich zu den Hunden, Zweiunddreißigtausendfünfhundert! plärrt es aus dem Handy.

Frau Lieselotte und Frollein Leni legen sich hechelnd auf die dicken, knallgrünen Moospolster, Pause finden sie eigentlich immer doof, aber naja, Sie wissen schon. Über uns klopft ein Specht, und als er davonfliegt, erkenne ich ihn als Schwarzspecht. Noch nie habe ich einen Schwarzspecht leibhaftig gesehen, unglaublich! rufe ich den Hunden zu, aber die glotzen wieder nur verständnislos. Zweiunddreißigtausendfünfhundert zum Letzten!

Und, wie wars?, fragt der Mann, als wir nach ein paar Stunden wieder nach Hause zurückkommen. Herrlich!, antworte ich, ein Samstagmittag ganz nach meinem Geschmack. Ich erzähle ihm von den Buschwindröschen und dem Schwarzspecht, er holt das Bestimmungsbuch, und wir lesen nochmal alles, was da zum Schwarzspecht so steht.

Später reden wir nochmal über die Berliner Kunstauktion, da war ein Bild von Lesser Ury, das hätte ich gerne gekauft, sage ich. Lottogewinn vorausgesetzt. Lesser Urys Berliner Stadtansichten wecken in mir regelmäßig eine komplett idiotische Berlin-Sehnsucht, ich bin seinen Werken mal durch Zufall irgendwo begegnet, seitdem habe ich ihn im Auge.

Ich bin ein bißchen neidisch auf den unbekannten Käufer, der heute den Ury ersteigert hat. Ob der sich das Bild ins Wohnzimmer hängt? Oder in ein Büro? Blödsinn, sagt der Gatte, der verschließt das im Tresor und verkauft es irgendwann wieder weiter, gewinnbringend. Nur deswegen kaufen die doch Kunst. Jetzt glotze ich verständnislos, mein Geo schüttelt den Kopf, und dann wechselt er das Thema und sagt triumphierend Ich habe heute übrigens acht Eier aus dem Hühnerstall geholt.

Wenn Sie übrigens Lust auf einen Ausflug haben: Das kleine Museum Wagenschwend hat heute (Sonntag) von 14 bis 17 Uhr wieder geöffnet, ich werde Ihnen da gegebenenfalls ordentlich einschenken, Kaffee verläppern und Sie abkassieren. Und danach können Sie zum Maibaum-Stellen ins benachbarte Dorfgemeinschaftshaus.

Und der Gatte zeichnet und bloggt.

4 Kommentare zu “Zum Ersten, zum Zweiten.”

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