Wenn ich ehrlich bin, mache ich morgens nur kurz das Radio an, um zu hören, ob über Nacht irgendwo irgendeine Atombombe gefallen ist. Wenn nicht: auch recht, dann schalte ich die Nachrichten gleich wieder aus. Heute früh werden 150 Tote nach Halloween-Feierlichkeiten in Seoul gemeldet, ich denke so bei mir, Ohje, aber immerhin keine Atombombe und würge den Nachrichtensprecher mit einem beherzten Druck auf die Power-Taste wieder ab.

Es ist kompliziert, um es vorsichtig auszudrücken.

In einem der Nachbarorte hat es dieser Tage morgens einen Schlag getan, dann ein Knirschen und Knacken und Ächzen, und – huch! – war dem einen Windrad da draußen auf den Wiesen ein Rotorblatt abgeknickt. Tja, so kanns gehen. Materialermüdung offenbar, ich kann das nachfühlen. Nun steht das Windrad da, mit dem abgeknickten Rotorblatt, nichts geht mehr, das Ganze sieht ein bißchen aus wie ein trauriger Schwan mit gebrochenem Flügel.

Seit Tagen beraten die Experten, wie nun vorzugehen sei, niemand traut sich so richtig ran an die Unglücksstelle, denn niemand weiß, ob nur das Rotorblatt geknickt ist oder vielleicht demnächst das ganze Riesen-Ding umkippt. Da walten ja gewisse Kräfte, das abgeknickte Blatt da hoch oben ist immerhin knapp 50 Meter lang und könnte die Statik am entgegengesetzten Ende, ganz unten, durcheinanderbringen, man weiß es nicht genau. Und ich denke, das beschreibt die allgemeine Lage ziemlich gut. Es wird jedenfalls vor Absturz- und Umsturzgefahren gewarnt, ich werde das im Auge behalten müssen, schon aus beruflichen Gründen.

Ich war im Wald unterwegs mit einer Fotofreundin, das herbstliche Laub wollten wir nochmal fotografieren, nie war der Herbst so bunt im Odenwald wie in diesem Jahr. Ich sage das in jedem Jahr, aber diesmal ist es wirklich wahr. Uns kam allerdings etwas dazwischen beim stillen Geknipse, eine lärmende Herde Schafe eilte durch den Wald, der Schäfer mit dem geschnitzten Hirtenstab vorneweg, an die zweihundert, dreihundert Schafe hinterher. Sie kamen von Mülben und wollten nach Wagenschwend und Balsbach, quer durch den Wald, die Waldwege nur noch eine einzige wogende Schafherde, plärrende Lämmer und blökende Mütter, und drumherum das herbstliche Laub, wir eilten eine gute halbe Stunde hinterher, sahen zwar immer nur die Hinterteile, aber es war ein Traum.

Jetzt stehen sie bei uns im Dorf, wir hören das Blöken bis zu uns, das klingt alles sehr idyllisch. Vier Wochen will der Schäfer bleiben, vielleicht laden wir ihn nochmal zum Abendessen ein, er war ja schon mal hier, das war ein spannender Abend, (Klick!) hier können Sie nochmal über den Wanderschäfer nachlesen.

Im Dorf hat es eine Beerdigung gegeben, ich bin bei diesen Themen derzeit etwas hellhörig. Eine Beerdigung knapp eine Woche nach dem Sterbedatum. Ich warte derweil immernoch auf die Sterburkunde für die Berliner Tante, die vor knapp vier Wochen gestorben ist, von einem Termin für eine Beisetzung ist da noch lange keine Rede. Acht, neun Wochen kann es dauern, sagt der Bestatter in Berlin, er kennt seine großstädtischen Behörden-Pappenheimer.

Badisch-Sibirien heißt der Odenwald im Untertitel, mit sechs Monaten Eis und Schnee, von Oktober bis mindestens März. Ich denke derweil darüber nach, ob ich noch rasch in den Supermarkt springen kann, ob ich das verantworten kann, oder ob es den Hunden im Kofferraum dann zu heiß werden könnte.

Eigentlich läßt man hierzulande spätestens im Oktober die Winterreifen aufs Auto aufziehen und behält sie bis Anfang Mai, ich habe das in diesem Jahr völlig vergessen, fällt mir eben siedendheiß ein. Ich werde morgen mal gleich in der Werkstatt anrufen. Die halten mich vermutlich für bekloppt, Winterreifen?, wer denkt denn jetzt an Winterreifen??, aber ich gehe da lieber auf Nummer sicher. Und bekloppt ist ja im Moment sowieso alles, – insofern – Naja, Sie wissen schon.

10 Kommentare zu “Absturzgefahr”

  1. Genau aus den Gründen, weil ich satt an schlechten Nachrichten bin (das private Umfeld kann einen ja auch ganz schön in Atem halten), überhöre ich das eine oder das andere, weil ich möglichst keine Nachrichten höre oder sehe. Halloween ist ohnehin nicht unbedingt mein Lieblingsfest, schon gar nicht schätze ich Menschenmassen.

    Windräder wachsen mittlerweile ja schon fast wie Pilze aus der Erde und ihre Errichtung wird mitunter von deutlicher Gegnerschaft begleitet, was ich durchaus auch verstehen kann, denn schön sind sie wahrlich nicht anzusehen. Dass sich Orte gegen eine Errichtung wehren, die in erster Linie vom Fremdenverkehr leben, kann ich nachvollziehen.

    Obwohl von Schneefall weit und breit keine Rede sein kann, wurden in meinem städtischen Wohnumfeld bereits Stangen zur Warnung vor Dachlawinen angebracht – bei anhaltenden Spätsommertemperaturen.
    Winterreifen am Auto, die sind sicherlich wichtiger, denn auch in den Autowerkstätten wird es bald wieder zu Staus kommen … Zumindest eine rechtzeitige Terminvereinbarung macht wohl Sinn!

    Liebe Grüße,
    C Stern

    1. @Hauptschulblues: Dass Windräder ökologisch sinnvoll sind, ist mir klar. Deshalb ist mir auch der Wunsch danach verständlich, wenngleich ich nachvollziehen kann, dass man in touristischen Gegenden keine Freude damit hat. Grundsätzlich finde ich es aber noch weitaus wichtiger, ohnehin sorgsam mit Energie umzugehen. Ich mache keine Flugreisen, ich fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Fernstrecken mit dem Zug, besitze kein Auto, ich heize mit Bedacht und freue mich, dass inzwischen immer mehr Geschäfte ohne sinnlose Nachtbeleuchtung auskommen.
      Wie wir Windräder optisch wahrnehmen, mag unterschiedlich sein. Und dazu darf wohl auch jeder seine eigene Meinung haben.

      1. Vielleicht sollte man Windräder künstlerisch gestalten. Ein bisschen Farbe beeinträchtigt ja den Wirkungsgrad nicht. Aber bitte nur abstrakte Malerei, die keinen Sinn hat und einfach nur schön ist, sonst gibt’s da auch wieder Diskussionen.
        (Der Vorschlag ist ernst gemeint!)

  2. Oh, sind das wunderbare Lämmer, auch einn Rücken kann entzücken …und dieses Schafherde Bild im Wald.
    Ich wußte nicht, dass es hier noch Wanderschäfer gibt. Selbst die ortsansässigen haben zu kämpfen.
    Ich kann mich an meine Kindertage erinnern, dass verstorbene Verwandte (Land) in 3 höchstens 4 Tagen beerdigt wurden. Vorher noch aufbahren und Andacht. Heute dauert es wohl überall länger aber Berliner Zeiten sind da wohl speziell
    Eine gute Woche, ohne abfallendes Rotorenblatt oder so, lieber mit einem Schäfer Stündchen
    liebe Grüße
    Nina

    1. Huch! Danke! Habe vorhin mit großem Interesse die zwei Videos zum Thema Burnout geschaut, danke auch dafür!

  3. Apropos Schafe :-). Als Berlinerin kennen Sie möglicherweise die Geschichte der Schafe auf dem früheren Flughafen Tempelhof.

    https://www.tempelhoferfeld.info/schafe-tempelhofer-feld-geschichte/

    „Kurt Stemmler war 1948 bis 1972 Angestellter des Schäfermeisters Läpple und hütete ab 1951 mit einem Kollegen auf dem Flughafen Tempelhof 600 bis 1000 Schafe.“

    Dieser Kurt Stemmler war mein Onkel und hat mir vor einigen Jahren phantastisches Bildmaterial zur Verfügung gestellt.

    „Am Vorabend der Flucht hatte er (Läpple) einen Angestellten eingeweiht, der spontan reagiert hatte: „Ick komme mit.“ Das war 1961 bei der Massenflucht mit etwa 600 Schafen. Mein Onkel war der „eingeweihte Abgestellte“.

    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/flucht-aus-der-ddr-wie-schaefer-laepple-mit-600-schafen-ueber-die-grenze-entkam-li.46385

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