Ich telefoniere nach dem Tod der Tante in der Weltgeschichte herum, so ein Todesfall ist in allererster Linie ein bürokratisches Monster, will mir scheinen. Nicht auszumalen, wenn die uralte Tante ein chaotischer Messie gewesen wäre und alle Dokumente stundenlang irgendwo gesucht werden müssten. Es ist alles wohlgeordnet, ein Griff, und alle Unterlagen waren da, das ist ein Segen. Trotzdem immernoch aufwändig genug. Ordnen Sie also bitte Ihren Kram, bevor Sie sterben, die Nachwelt wird es Ihnen danken.

So bin ich jetzt unter anderem auch hochoffizielle Grabstellennutzungsberechtigte, ein Amt, das ich für die kommenden 25 Jahre zu bekleiden und vor allem zu finanzieren habe, so will es das Gesetz. Ich telefoniere also mit Berliner Friedhofsverwaltungen, mit Steinmetzen und dem Bestatter, mit Banken, Versicherungen, dem Berliner Gas- und Stromversorger, um nur einen Bruchteil zu nennen. Was schön ist: alle sind ausnehmend freundlich und hilfsbereit am Telefon, die Geschichte von der Berliner Ruppigkeit ist ein Märchen, glauben Sie mir. Sehr schön ist das, es erleichtert die Dinge ungemein.

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Stundenlang sitze ich bei einer Sitzung des Kreistages dienstlich in einer Festhalle in einem der Dörfer hier, die Festhalle hat ihre besten Zeiten lange schon hinter sich, die Wände sind mit einer Art braunem Teppichstoff verkleidet, aus dem man vermutlich inzwischen eine würzige Suppe kochen könnte. Ich lausche dem hiesigen Landrat, der seine 44-seitige Haushaltsrede vorträgt, die ich im Übrigen schon am Vormittag durchgelesen habe, so habe ich jetzt bei der Sitzung ein bißchen Zeit darüber nachzudenken, warum Menschen Festhallenwände mit braunem Teppich verkleidet haben und wann das wohl gewesen sein mag. Ich tippe auf die Sechziger.

Als Nervennahrung für Kreisräte und Pressemenschen liegen auf den Tischen Gummibärchen, jeweils eine Tüte. Der Landkreis hat sich verpflichtet, bei Sitzungen aller Art vornehmlich regionale Produkte anzubieten, Fair-trade-Landkreis, der er ist, und so sind die Gummibärchen vom hiesigen Müsli-Hersteller, leckerleckerleckerleckerleckerlecker. Die Gummibärchen sind auch noch vegan, meiner Meinung nach übertreibt der Landkreis da tatsächlich, und dementsprechend finde ich sie nicht lecker. Esse sie aber trotzdem. Die Geste zählt, Gummibärchen bei einer hochwichtigen Kreistagssitzung, die Abgeordneten mümmeln und kauen und lutschen, ich mümmele auch und freue mich.

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Amtsblätter sind ein ewiger Quell der Freude, wir erfahren aus diesen Bekanntmachungsblättern der Gemeinden, was wichtig ist und was man einfach wissen muß. Das Amtsblatt gehört donnerstags zur Pflichtlektüre. Weil ich aus nicht nachvollziehbaren Gründen gestern die Rubrik “Kirchliche Nachrichten” überblättert habe, musste mich erst eine Freundin darauf aufmerksam machen, und nun lache ich mehr, als ich sollte.

https://twitter.com/Odenwaelderin/status/1583182062282244097

Ich bin mit großer Begeisterung evangelisch, aber leider auch anti-alkoholisch eingestellt, und nun weiß ich auch nicht. Ich werde die Pfarrerin mal fragen müssen.

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Das Küken aus dem Frühjahr hat sich zu einem prächtigen Junghuhn entwickelt, ich sollte da mal Fotos liefern. Prächtig zumindest in Form und Farbe. Charakterlich kommt es wohl nach dem Vater, unserem JoHahn, und wie er in jungen Jahren, zeigt es sich als komplett dämliches, hysterisches Viech. Immernoch stolpert es piepsend hinter Mutti her, dabei ist es längst im Teenager-Stadium, die anderen Hennen verdrehen die Augen, weil es panisch-piepsend davonrennt, wenn ich das Gehege nur betrete. Der Vater war genauso, treue Leser erinnern sich vielleicht. Er hat sich aber gemacht, ich musste zwischendurch Abbitte leisten, insofern sind wir zuversichtlich. Das ist doch auch schön.

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Während die Ernte prinzipiell ein Reinfall war, beschenkt uns der Nußbaum in diesem Jahr doppelt und dreifach. Etwa 1,2 Mio Walnüsse liegen im Garten herum, wir sammeln und verteilen an Freunde und Bekannte, und am Ende sind alle glücklich. Schön ist das. Und der Herbst so insgesamt, die gefärbten Bäume im Garten, das bunte Laub im Wald: ein Traum ist das. Wenn ich da draußen unterwegs bin, kann die Welt mich mal. Das ist doch schön.

Was schön war: Ich habe diese Rubrik einst beim verehrten Herrn Buddenbohm abgeguckt. Sie kommt in diesen Zeiten etwas unter die Räder. Und wird damit vielleicht umso wichtiger, naja, Sie wissen schon.

5 Kommentare zu “Was schön war.”

  1. Ja, der Kölner Jürgen Becker liegt richtig mit seiner Aussage: Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin. Und du mit deiner Aufforderung an alle, die noch hinterblieben sind: bringt eure Unterlagen zusammen auf die Reihe und zeigt, wo ihr das Ganze aufbewahrt.ich gebe mir derzeit Mühe, so lange die Erinnerung an die notwendige Vorgehensweise frisch ist.
    Bon week-end!
    Astrid

  2. Von einer Ordnung von Unterlagen, wenn es zu einem Todesfall kommt, kann ich leider nur träumen! Es beschäftigt mich sehr und auch schon lange, zu wissen, dass mir dieser Tag bevorsteht – und den Messiezustand der elterlichen Wohnung zu kennen. Solche Belastungen den eigenen Kindern zuzumuten, das ist fast nicht zu glauben. Umso mehr achte ich selbst auf meine eigene Ordnung, da wäre alles mit ein paar Handgriffen zu finden.

    Ob sich derartige Gummibärchen als Nervennahrung in so einem teppichstoffverkleideten Ambiente eignen, da vermelde ich doch erhebliche Zweifel! Diese Art von Gummibärchen kann man sich auch mit ganz viel Rum nicht “leckertrinken” :-)
    So wurde “damals” gebaut, typischer Stil dieser Zeit. Man mag es auch kaum glauben, dass derartig auch Teppichböden in Wohnungen verklebt wurden …

    Auf eine weitere bunte Herbstzeit,
    liebe Grüße, C Stern

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