Im Autoradio kommen die Weltnachrichten, während ich heute früh am Katzenbuckel vorbei Richtung Neckartal fahre. Die Top-Meldung handelt davon, dass Deutschland die Verbrechen der Kolonialherren im heutigen Namibia als Völkermord anerkennt, nach jahrelangen Verhandlungen, (Klick!) hier können Sie das nochmal nachlesen.

Anfang des 20. Jahrhunderts hatten deutsche Kolonialtruppen zum Tod von mehr als 70.000 Menschen aus zwei afrikanischen Volksgruppen beigetragen. Es starben 70 Prozent der Herero und 50 Prozent der Nama, sie wurden gequält, mißhandelt, vergewaltigt, umgebracht, sie verdursteten, gingen in Konzentrationslagern zugrunde, heißt es in diesem (Klick!) Artikel in der Zeit.

Nun fragen sich treue Leser nicht ganz zu unrecht, was dieses Thema in einem Odenwälder Landleben-Blog zu suchen hat. Das will ich Ihnen sagen: Die Geschichte der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia führt uns direkt in den Odenwald, genauer gesagt an den eben erwähnten Katzenbuckel, hinein ins kleine Dörfchen Strümpfelbrunn. Ja, da staunen Sie. Ich staune auch.

Hier in Strümpfelbrunn wird am 9. Mai 1849 Theodor Gotthilf Leutwein geboren, ein Pfarrerssohn, der seine militärische Karriere beim 5. Badischen Infanterie-Regiment Nr. 113 beginnt und es schlußendlich bis zum Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika bringt. Leutweins Aufgabe in Afrika ist es ab 1898, die deutsche „Machtstellung den Eingeborenen gegenüber unter allen Umständen“ aufrechtzuerhalten und zu befestigen, heißt es in (klick!) diesem Beitrag bei wikipedia. Leutwein legt demnach den Grundstein für die systematische Etablierung der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia. Systematische Etablierung der deutschen Kolonialherrschaft, das klingt auf den ersten Blick halbwegs nüchtern bürokratisch, dürfte aber grauenhaft genug gewesen sein.

Meyers Kleines Konversationslexikon, 1908. Strümpfelbronn ist Strümpfelbrunn.

1904 erhebt sich der Volksstamm der Herero gegen die deutschen Herrscher. Der Gouverneur Leutwein aus Strümpfelbrunn wird abberufen und durch Lothar von Trotha ersetzt, der mit noch härterer Hand gegen die Einheimischen vorgeht. Unter von Trotha beginnt ein Vernichtungskrieg, und damit das, was die Deutsche Bundesregierung inzwischen als Völkermord anerkennt.

Leutwein kehrt 1905 nach Deutschland zurück, nach Überlingen am Bodensee, er stirbt 1921 in Freiburg, wo er auch begraben liegt.

In Strümpfelbrunn erinnert eine Theodor-Leutwein-Straße an den Sohn der Gemeinde, angeblich auch eine Gedenktafel am Pfarrhaus, die ich aber heute nicht entdecken konnte. Vielleicht habe ich sie übersehen, vielleicht ist sie auch abgehängt, das Erinnern und Gedenken an Persönlichkeiten wie Theodor Leutwein ist ja nicht ganz unkompliziert. Überhaupt gibt es bundesweit nur wenige Leutwein-Straßen, lese ich bei Wikipedia, neben der in Strümpfelbrunn noch eine in Mosbach, Mannheim und in Ludwigshafen (?) , in München und in Düsseldorf. Einige davon stammen noch aus der NS-Zeit, als man Leutwein als mutigen Kolonialpionier verehrte.*

Das Straßenschild in Strümpfelbrunn jedenfalls sieht schon etwas zerzaust aus, gehegt und gepflegt und richtig (oder falsch) gewürdigt wird es offensichtlich nicht. Wenn es eines Tages mal neu gemacht wird vom Gemeinde-Bauhof, dann könnte man doch einen kleinen Zusatz, eine Erklärung oder Einordnung…- , naja, Sie wissen schon. Ich mein ja nur.

Wenn Sie das Thema interessiert, kann ich Ihnen noch diesen (Klick!) aktuellen Vortrag sehr empfehlen, der im Rahmen der Neckar-Odenwälder Historikertage im vergangenen Herbst gehalten wurde, leider konnte ich da nicht dabeisein, sondern habe mir dieser Tage alle Vorträge mal im Internet zusammengesucht. So stieß ich unerwartet auf den Strümpfelbrunner Pfarrerssohn Theodor Leutwein, von dem ich nie zuvor gehört hatte.

*Nachtrag: es gibt offenbar doch deutlich mehr Leutweinstrassen als gedacht in Deutschland, die Aussage oben ist also nicht korrekt.

3 Kommentare zu “Der Kolonialherr.”

  1. Das ist eine wirklich spannende Geschichte!
    Ich bin (ebenfalls) gegen Bilderstürmerei, Statuenstürzen und Umbenennen. Das macht die Vergangenheit nicht ungeschehen, sondern übertüncht sie nur. Totschweigen ist aber auch nicht gut. Besser ist es, den Zusammenhang zu erklären, wie im Blog empfohlen. Das fördert das Geschichtsbewußtsein. Und das ist immer wichtig, vielleicht gerade jetzt besonders.

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