Friedrich.

1. April 2017

Wir haben ja nun in einer Hauruck-Aktion einen neuen Hahn organisiert, jede Pietät vermissen lassend, einen Ersatz für JoHahn, Gott hab ihn selig. Der Gatte wollte es so, es konnte ihm gar nicht schnell genug gehen mit dem neuen Hahn, der liebe Himmel weiß, wieso. Vermutlich irgendso ein Männerding.

Und das hat er nun davon, der Gatte. Kaum war Karl Friedrich, genannt Friedrich, eingezogen, war mein lieber Geo abgemeldet. Aber sowas von. Freudig erregt lief er gleich am ersten Nachmittag ans Hühnertörchen, machte albern puttputtputt und lockte seine Hühnerschar – allein: keine Sau ließ sich blicken. Kein Huhn, kein Hahn, kein gar nichts.

Kamen sie sonst immer eilig angewetzt, wenn Geo rief und allerlei Leckereien in den Auslauf streute, bleiben sie jetzt einfach da, wo Friedrich ist. Friedrich sitzt irgendwo hinten im Garten, die Hühner himmeln ihn an, sie hängen quasi an seinen nichtvorhandenen Lippen, sie turteln um ihn herum und tippeln hinter ihm her, Friedrich hier, Friedrich da, sie treten sich dabei gegenseitig auf die Füße und schlagen sich gegenseitig ihre Flügel um die Ohren, und mein lieber Geo guckt in die Röhre.

Nicht, dass ihn das in seiner Eitelkeit kränken würde, ach, i wo denn, Was ist das denn für ein Scheiß?, flucht er, wenn er vom Hühnerauslauf wieder ins Haus kommt, dieser blöde Hahn, ich verstehe gar nicht, was die an ihm haben. Ich sage dann Ach, Du armer, armer Hase, bist Du jetzt ganz abgemeldet? und verkneife mir ansonsten jeglichen Kommentar um des ehelichen Friedens willen. So viel steht fest: Friedrich hat bei meinem Geo derzeit keine guten Karten.

Aber es kommt ja noch schlimmer. Friedrich heißt ja nicht nur Karl Friedrich, wir haben ihm nach dem ersten Tag bereits einen offiziellen Nachnamen verpasst, Karl Friedrich von Brüllhahn. Ja, Sie ahnen es, Friedrich kräht nicht ab und zu, wie vernünftige Hähne das zu tun pflegen, – Friedrich brüllt. Ununterbrochen. Ohne jede Pause.

Friedrich brüllt mit den Vögeln um die Wette, er brüllt die Sonne an, die Wolken offensichtlich auch, Friedrich unterhält sich brüllend mit dem Nachbarhahn schräg gegenüber, Friedrich brüllt, wenn Autos vorbeifahren oder wenn der Wind weht, er brüllt den Hennen Liebesschwüre in die Ohren, er brüllt die Schmetterlinge an und den Spatzen hinterher, er brüllt, weil es 13 Uhr ist oder 15 Uhr oder 8 Uhr früh, er brüllt bei Hunger oder Durst, oder wenn er satt ist, er brüllt bei jedem noch so kleinen Anlass. Und wenn es keinen Anlass zum Brüllen gibt, dann brüllt er eben so lange, bis er einen findet.

Australorphähne haben dabei den Resonanzkörper eines Kontrabasses, und wenn Friedrich brüllt, wackeln die Wände. Mein Geo, dessen Herz Friedrich ja nun ohnehin nicht wirklich im Sturm erobert hat, um es mal vorsichtig zu formulieren,  – mein Geo also hat daraufhin gleich die Nummer des Züchters gewählt, um mal freundlich nachzufragen, was für einen Brüllaffen er uns da angedreht hat ob er sich das erklären könne und ob da Besserung in Sicht ist.

Ist es angeblich, der Hahnenzüchter sagt, man müsse sich das vorstellen wie pubertierende Jugendliche auf einem Jungs-Internat, die nun plötzlich erstmals die Freiheit einer Klassenfahrt genießen und dort auch noch auf hübsche Mädchen treffen. Da sei eine Kommunikation in Zimmerlautstärke auch nicht denkbar, da sei auch erstmal nur lautes Gebrüll und zotige Witze und Wichtigtuerei.

Das wird sich also ändern. Sagt der Züchter jedenfalls. Heute immerhin hat Friedrich schon deutlich weniger gebrüllt, ja, tatsächlich, nur noch alle zwei Minuten, statt gestern alle zwanzig Sekunden, das ist doch schon ein Fortschritt. Es hatte aber zur Folge, dass mein Geo während des Mittagessens unvermittelt aufsprang und in den Hühnerauslauf eilte, Es ist so still da draußen, da wird doch nichts passiert sein?  

Und jetzt weiß ich auch nicht.

 

 

 

  • 15 Kommentare
  • Jaelle Katz 1. April 2017

    Wie wäre es, wenn sich Friedrich mit anderen Hähnen auf einem Hähnekrähwettbewerb messen würde? So als echter Krähgor? DAS gibt Pokale, ich ahne es…

    • LandLebenBlog 3. April 2017

      Wir haben ihr bereits bei einer europaweiten Ausschreibung angemeldet, der Pokal ist uns so gut wie sicher.

  • Christin 1. April 2017

    Werte Kollegin, Danke für den Lacher der Woche am späten Abend!
    Der Mann und ich mussten vor vier, fünf Wochen das Haus der leider verstorbenen Schwiegermutter im fernen Dänemark ausräumen, in einem Villenquartier, wie der Mann es nennt, also einer hübsch eingewachsenen Wohngegend mit Doppelhaushälften und schmucken Einfamilienhäusern, ziemlich moosigen Gärten, Obstbäumen, Rosenbeeten und, tataaa, Hühnern. Es scheint in Dänemark gerade der heiße Scheiß zu sein, sich zwischen Carport und Kräuterbeet ein Hühnerhaus zu setzen, so man einen Garten hat. Die Hühner sind bzw. waren nicht das Problem, wohl aber der Brüllhahn, der sich, Friedrich gleich, von vor Sonnenaufgang bis tief in die Nacht die Seele aus dem Leib kikerikiete. Schon am zweiten Tag verspürte ich Mordgelüste und wälzte Rezepte für Coq au vin, die hühnerhaltenden Nachbarn waren offenbar aushäusig … allein, wir waren abends von der ganzen Packerei zu müde. Beim letzten Besuch vor zehn Tagen herrschte – Stille. Die Hühner gackerten leise, kein Hahnengeschrei, nichts. Was wohl passiert ist? Wir werden es nie erfahren, fürchte ich.

    • LandLebenBlog 3. April 2017

      Ich glaube, ich WILL es gar nicht erfahren…. hüstel.

  • Peer van Daalen 2. April 2017

    Das mit neuen Hähnen, das kommt mir alles so bekannt vor …

    Unser Kinski war ein akustischer Hooligan. Vor allen am frühen Morgen. Wenn der nicht als erster aus dem Stall kam – was er nie tat – hat der für ´ne viertel Stunde alles mit Gebrüll und Krawall umgenietet, was ihm in die Quere kam. Da haben sich sogar die Knackis in unserem Nachbarhaus die Haare gerauft.

    Sein Nachfolger – der Ronaldo – war eher eine ruhiger, dafür jedoch ein eitler Fatzke, der sich sogar vor einem Spiegel selbst bewundert hat. Aber eine gute Seele mit fürsorglicher Haltung gegenüber unserem blinden Huhn, das es nicht leicht hatte gegen die anderen Krawall-Tanten aus seinem Harem.

    Ich hätte vorher nie geglaubt, daß Hühner eine derart charakterliche Vielfalt zutage legen können …

    • LandLebenBlog 3. April 2017

      Ich weiß inzwischen auch, wie unterschiedlich die einzelnen Exemplare sind. Friedrich ist im Übrigen zu den Hennen noch mehr Gentleman als es JoHahn je war, und der war schon ein ausgemachter Kavalier.

  • Muschelfinderin 2. April 2017

    Herrlich! ich hoffe, es kommt nicht zu Streitereien mit den Nachbarn.
    Ich würde ja auf´s Land ziehen wollen der Ruhe wegen.
    Nicht auszudenken, wenn nebenan so ein Geschreie wär. ?

    • LandLebenBlog 3. April 2017

      Dass es auf dem Land ruhig zugeht, ist aber auch ohne Friedrich ein Gerücht, das sich seit Jahrzehnten hartnäckig hält, warum auch immer.

  • Micha 2. April 2017

    Sehr schon beschrieben – ich komme nicht umhin, ganz auf Geo’s Seite zu sein!

    • LandLebenBlog 3. April 2017

      Ich glaube, er ist kurz davor, den Kochtopf bereitzustellen.

  • Erika Schroth 2. April 2017

    herrlich geschrieben, das Landleben kann unterhaltsam sein.

    • LandLebenBlog 3. April 2017

      Auf jeden Fall ist es laut. Ähem.

  • Südlurker 3. April 2017

    Wird dann der werte Gatte demnächst selbst das Beil schwingen? Coq au vin ist ja durchaus etwas Gutes ;)

  • Jane Richter 3. April 2017

    Ich empfehle für Ihren Herrn Geo das ultimative Selbsthilfebuch in Sachen gesangstarker Hahn:
    ” Findus und der Hahn in Korb” von Sven Nordquist – Ihr Friedrich scheint mir große Ähnlichkeit mit dem dort porträtierten Caruso zu haben…

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