Medizinischer Notfall.

26. Dezember 2013

 

Tristes Wetter, tristes Thema: Krankenhausfinanzierung.

Klingt nach Bürokratenkram und Langeweile. Um Gesundheitsthemen muß man sich doch erst ab 60plus kümmern. Wenn man dann auch die Apothekenumschau im Abonnement bezieht. Neben der Bäckerblume.

Gähn.

Interessiert in der Netzgemeinde keine Sau, beklagt aktuell der Berliner Mitblogger Burks und hat das Thema trotzdem hier aufgegriffen. Lesenswert. Und mit einem Verweis auf die Berichterstattung der hiesigen Rhein-Neckar-Zeitung. Die Welt ist klein.

 

Ich behaupte: das Thema ist im ländlichen Raum noch mal dramatischer als in der Stadt. Wird in Berlin-Charlottenburg eine Klinik privatisiert, weil sie finanziell auf dem letzten Loch pfeift, fährt die privatisierungskritische Erna Kasunke eben drei S-Bahn-Stationen weiter, bis nach Wilmersdorf. Nervig, aber letzten Endes kein Problem.

 

KKH Buchen1

 

Auch die beiden kommunalen Kliniken im hiesigen Landkreis stecken tief in den roten Zahlen. Sind dabei in bester Gesellschaft: Kommunale Krankenhäuser, die die schwarze Null schreiben, muß man ja schon mit der Lupe suchen, bundesweit. Von Gewinnen will man gar nicht reden.

 

Die privaten Krankenhausgesellschaften scharren mit den Hufen. Klopfen immer wieder freundlich an. Umkreisen manch ein kommunales Haus wie die Geier, hoch oben am Himmel, aber eben unübersehbar. Wir könnten Euch helfen, versprechen die Damen und Herren und winken mit dem Scheckbuch. Arme Regionen werden da auch schon mal schwach. Nehmen den Scheck und geben ihre Krankenhäuser her. Und hinterher sind alle glücklich. Die profitorientierte Krankenhausgesellschaft und die arme Kommune, die plötzlich einen Haufen Geld ihr Eigen nennt. Oder zumindest einen Haufen Schulden losgeworden ist.

 

Bloß die Patienten nicht. Denen ziehen die neuen Betreiber nämlich nicht selten Stück für Stück die Versorgung unterm wunden Hintern weg. Schließen hier eine Abteilung, machen da Abstriche im Angebot. Was sich nicht rentiert, wird dichtgemacht. So einfach ist das. Können die paar Patienten-Hanseln auf dem Land doch nach Heidelberg fahren im Bedarfsfall, oder nach Würzburg. Was sind schon 80 oder hundert Kilometer? Sind ohnehin zu wenig Kunden hier.

Und wenn es den Damen und den Herren einfällt, machen sie aus einem Klinikum auf dem Land vielleicht noch eine Privatklinik. Oder eine Schönheitsfarm. Beauty ist ein hohes Gut, und mehr Geld bringt das mal garantiert. Und Krankenschwestern, Pfleger, Ärzte finden sicher ja auch anderswo einen Job. Marktwirtschaft nennt sich dann sowas.

 

KKHMosbach

 

Immerhin: kommunale Krankenhäuser dürfen sich weiterhin auf Zuschüsse aus dem Steuersäckel verlassen, siehe oben. Weil es beim Thema Gesundheit eben nicht nur um Wirtschaftlichkeit und Markt und schnöden Mammon gehen darf.

 

Ob das aber reicht, um defizitäre Kliniken aus dem Gröbsten rauszuholen?

 

Oh weh, alles ganz schlimm, sagen jetzt der Willi und die Gertrud und wiegen den Kopf bedeutsam hin und her und ziehen ein Gesicht wie hundert Tage Regenwetter. Willi und Gertrud waren auch noch nie so wirklich krank. Wüssten aber ganz genau, was jetzt zu tun sei. Und wenn es morgen soweit kommt, dann lassen sie  sich von ihrem Hausarzt in ein Krankenhaus außerhalb des Landkreises überweisen.

Ich weiß auch nicht, warum der mich da hinschickt. Hab ich nicht gefragt. Ach so, Blinddarm, grauer Star und neue Hüfte könnten die hier auch? Komisch. Wußt ich nicht. Naja, vielleicht beim nächsten mal. Andererseits, der Hilde ihre Schwägerin, der ihren Bruder, der hat mal schlechte Erfahrungen gemacht, hier im  Krankenhaus vor Ort. Weißte noch?, 1972 war das, oder so, wie er seine Gallensteine hatte. Ist vielleicht besser, ich geh dann doch nach Würzburg.

 

 

Es ist ein bißchen wie beim guten alten Tante-Emma-Laden. Keiner geht hin, aber wenn er zumacht, jammern alle. Oder wie beim Nahverkehr auf dem Land: Alle wollen eine Buslinie, und wenn sie endlich fährt, steigt keiner ein. Solange ich noch Auto fahren kann…

 

Die Menschen im kleinen Einbeck machen vor, wies gehen kann. Zumindest geht es sich gut an, wenn man der Berichterstattung glauben darf. (Odenwälder! Mitbürger! Freunde!!, lest das!! Gefälligst.) Offenbar war den Einbeckern wirklich klar (wirklich. klar.), was das vermeintliche Zauberwort Privatisierung mit sich bringen kann. Die haben erkannt, daß Krankenhaus jeden angeht, und nicht erst dann, wenn man mit Blaulicht in die Notaufnahme fährt.

Solidargemeinschaft undsoweiter.

Haben sich zusammengetan und ihr Bürgerhospital  saniert. War offenbar gar nicht so schwer. Und ziemlich erfolgreich. Könnte man vielleicht was lernen draus.

 

Der dortige Interims-Geschäftsführer ist jetzt hier im Landkreis unterwegs. Soll auch hier die Kliniken retten und sanieren. Bisher geht immer noch die Hälfte aller potentiellen Patienten woanders hin, hat ihm ein Blick in die Krankenhaus-Statistik gezeigt. Das ist noch Spielraum, sagt er. (Ich hätte das anders formuliert. Weniger höflich.) Wenn die Bürger mitspielen. Und die überweisenden Hausärzte. Und nicht nur jammern über das Krankenhausdefizit. Allein davon werden die Zahlen nämlich nicht besser. Hab ich mir sagen lassen.

 

Solidargemeinschaft undsoweiter. 

 

Bloß, daß mir nachher keiner heult.

 

 

 

 

 

  • 12 Kommentare
  • waswegmuss 26. Dezember 2013

    Das Thema ist etwas komplexer als es auf den ersten Blick scheint. Ich werde das demnächst mal verbloggen.
    Jedenfalls bin ich froh, dass ich zwischen zwei Welten lebe: Frankfurt und Spessart. Hier ist die CSU-Regierung ein wahrer Segen für die Landkrankenhäuser.
    Ihr im Ländle habt jetzt die grüne Pest am Ruder, diese Leute glauben immer noch dass Privatisierung vor Staat steht.

    • Friederike 26. Dezember 2013

      Das Thema ist natürlich auch hier vor Ort extrem komplex. Viel komplexer als ich es hier ausführen wollte. Aber eines ist doch sicher: wenn die Leute das Angebot nicht nutzen, sieht die Zukunft solcher Häuser natürlich düster aus, so oder so. Das, was die Leute in Einbeck da offenbar geschafft haben, könnte ja ein Vorbild sein.
      Unabhängig davon ist natürlich das ganze Krankenhaus-/Gesundheitsfinanzierungssystem offenbar so schief, daß keiner mehr schwarze Zahlen schreiben kann. Das ist allerdings ein bundesweites Thema.

  • Dominik 26. Dezember 2013

    Das ist hier eher die Unfähigkeit einiger Verwalter, ein Mangel an akutmedizinischen Abteilungen und der Unwille der Bevölkerung, die lieber in ein Belegarzthaus läuft, als in ein normales Krankenhaus.

    • Friederike 26. Dezember 2013

      Beim vermeintlichen/tatsächlichen Unwillen der Bevölkerung bin ich mir noch nicht sicher, woran es liegt. An den Leuten selber? Weil “”uniklinikum” ihnen vertrauenswürdiger klingt? Oder an der überweisenden Ärzten? Ich weiß nicht, wie das im Regelfall läuft – ob der Patient sich seine Klinik selber sucht, oder halt da hingeht, wo ihn der Onkel Doktor hinschickt, warum auch immer.

      • Friedhild 28. Dezember 2013

        Ein Teil des Problems “Aushäusigkeit” ist, dass manche Fachärzte informelle Verträge mit Facharztpraxen und -Kliniken(Heidelberg, Mannheim, Würzburg, undsoweiter)haben und dann ihre Patienten dorthin schicken – wurde mir auf Nachfrage bestätigt. In Einbeck gibt es das vermutlich auch, trotzdem muss es dort besser funktionieren, wer auch immer sich dort um die Solidarität bei dem “Einbecker Bürgerspital” engagiert. Wenn man den Leserbriefen Glauben schenken darf, hat sich der entlassene Geschäftsführer Duda wohl herzlich wenig um Kommunikation mit der niedergelassenen Ärzteschaft bemüht. Ich frage mich aber auch, ob das alleine sein Job ist und sein kann, gibt es doch z. B. die Klinik-Ärzte oder den Landrat, die sich kümmern müssten, damit die Situation besser wird. Bei uns wird schnell fokussiert auf einen Schuldigen; die breite Aufklärung und Transparenz fehlt; ganz schnell sind dann die Probleme gelöst…….., oder?
        Und ganz grundsätzlich frage ich mich, wer noch alles verantwortlich ist für das Riesendefizit “aus heiterem Himmel” (da lachen ja die Hühner, nicht der Landlebenblog-Hahn)und wann diese endlich Farbe bekennen. Es gibt ein Aufsichtsratsgremium bei den NOK-Kliniken, und einen Aufsichtsratsvorsitzenden, den Landrat. Defizite in Millionenhöhe entstehen nicht plötzlich, da haben die Aufsicht und die Kontrolle versagt. Das empört mich!Dafür bezahlen die Gemeinden und damit die Kreisbürger mit der erhöhten Kreisumlage. Zum Weiterdenken: Was wäre gewesen, wenn man das VOR der Landratswahl gewusst hätte?

        • Friederike 29. Dezember 2013

          Das mit der Verantwortung ist ja die eine SAche – aber die andere ist doch: wenn die Menschen jetzt nicht hinter ihrem Krankenhaus stehen, können die verändern und verbessern, was sie wollen, – es wird nicht reichen.

  • Peter Weller 31. Dezember 2013

    Hat sich hier eigentlich schon jemand im Krankenhaus schlecht versorgt gefühlt? Dem empfehle ich mal einen Besuch bei den italienischen Kollegen. Wem das nicht reicht, der kann sich auch mal in ein englisches 10-Bett-Zimmer legen. In Deutschland schreit man schon Zweiklassen-Medizin, wenn der Privatpatient im 2-Bett-Zimmer liegt, während es sich der AOKler mit drei anderen teilen muss. Eine Zusatzversicherung für ein paar Euro löst das “Problem”.

    Die Kritiker mögen vielleicht mal einen Blick in Richtung USA werfen. Dort können auch Besserverdienende oft nur mit Mühe die Krankenhausrechnungen bezahlen.

    Russland hat eine höhere Arztdichte als Deutschland, aber eine 10 Jahre geringere Lebenserwartung. Also ab nach Russland, weil es dort mehr Ärzte gibt?

    Gibt es Studien, die zeigen, dass Patienten in Kliniken mit privatem Träger schlechter behandelt werden?

    Eine effizientere Nutzung des “Humankapitals” ist in Kliniken lange überfällig. Ärzte werden nicht dafür ausgebildet, im ersten Jahr ihrer praktischen Tätigkeit mehr oder weniger nur Blut abzunehmen und Braunülen zu legen. Selbst das Sortieren von Laborbefunden (das Sortieren, nicht die Interpretation!!) bleibt jungen Ärzten oft nicht erspart. Die Privatisierung kann da durchaus Wunder wirken.

    • Friederike 31. Dezember 2013

      Das habe ich schon manchmal gehört, andernorts, vorallem von Ärzten, daß Privatiserung nicht das Schlechteste sein muß. Aber hier in der Region überwiegen offenbar die Sorgen. Weil man mit einer Privatisierung eben alles aus der Hand geben würde, nehme ich an. Und negativBeispiele gibt es offenbar genug. (von möglichen positiven Erfahrungen erfährt man zumindest nicht wirklich was). DAs Problem ist ja: unsereiner als Laie hat den Durchblick nicht.

  • DasKleineTeilchen 31. Dezember 2013

    liebe f.: ohne übermässig rummaulen zu wollen, aber weisse schrift in der typo auf schwarzem hintergrund ist *echt* anstrengend. nur so als anstoss.

    • Friederike 31. Dezember 2013

      Hats schon mehrfach gegeben, den Anstoß, Asche auf mein Haupt, aber bisher bleibe ich standhaft weiß auf schwarz. Es passt halt so schön zum dem radikalen Lebenswandel von Berlin in den Odenwald. Alles anders als bisher. Oder so.

  • Montez 31. Dezember 2013

    Die Privatisierung unseres ortsansässigen Krankenhauses hat dazu geführt, dass man, und das weiss ich aus eigener leidvoller Erfahrung, den Chirurgen, ne, alles Ärzten, die Patienten unterm Messer wegreissen muss. Sie sind offenbar angehalten, jeden und in jedem Fall zu operieren, um ordentlich Zaster reinzubringen. Das Wohl des Kranken steht hier keineswegs im Vordergrund. Ist aber auch ein Konzern. Wo da jetze regiert.

    Diese Einbecker Initiative hört sich super an. Hut ab.

    • Friederike 1. Januar 2014

      Was man so hört, kann einem genau das aber auch in Häusern in kommunaler Trägerschaft passieren, wenn die nämlich finanziell auf dem letzten Loch pfeifen. Hach es ist alles sehr kompliziert. Und wenn man sich jetzt vornimmt, einfach nicht krank zu werden, ist auch keinem geholfen….

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