Ein architektonischer Kracher ist dieser Bildstock, mitten in der Pampa zwischen den Odenwald-Metropolen Hettigenbeuern und Klein-Hornbach, nicht. Zugegeben. Trotzdem sollte man zweimal hinschauen.
Architektur-Fans, die hier zufällig vorbeigewandert kommen, schauen sogar dreimal hin.
Eiermann? Eiermann. Wie: Egon Eiermann. Einer der bedeutendsten Architekten der deutschen Nachkriegsmoderne. Eiermanns Vater stammte aus Buchen im Odenwald, seine frommen Verwandten haben hier, auf der Höhe bei Hornbach, diesen Bildstock errichtet.
Egon Eiermann, Walter Gropius, Mies van der Rohe; Bonner Abgeordnetenhochhaus, Deutsche Botschaft in Washington: Namen und Bilder tauchen auf, während man da auf dem zugigen Buckel steht und nichts als Nadelwälder und Maisfelder sieht. Und, natürlich: die Berliner Gedächtniskirche, Eiermanns wohl berühmtester Bau, entstanden aus und neben der Kriegsruine. Eine Kirche, die die ganze Welt kennt. Die da plötzlich, so vertraut und völlig unerwartet, aus dem Odenwälder Unterholz aufsteigt. Berlin ganz nah.
Egon Eiermann selber war der Gegend sehr verbunden. Der Heimat seines Vaters. So sehr, daß er nach Kriegsende hier ein paar Jahre gearbeitet hat. Eine Siedlung hat er gebaut, für Heimatvertriebene und Flüchtlinge, die irgendwo unterkommen mussten. Gemeinsam mit einem katholischen Pfarrer gründete er dafür die erste kirchliche Baugenossenschaft Deutschlands. Weil die Flüchtlinge kein Geld hatten, um Anteile zu kaufen, stellten sie stattdessen ihre Muskelkraft zur Verfügung, so entstand Haus um Haus.
Nirgendwo auf der Welt gibt es heute soviele Eiermannbauten auf einem Haufen wie in und um Buchen herum. Und immer noch und immer wieder kommen Architekturprofessoren mit ihren Studenten, um hier, tief in der Provinz, weit weg von Berlin und Bonn und Washington, die Spuren Eiermanns zu verfolgen. Der übrigens, Wahlberliner und vielleicht auch sowas wie ein Weltenbürger, hat sich hier auch begraben lassen: in Buchen, mitten im Odenwald.
Und die Buchener selber? Nein, wir sagen jetzt nicht, daß die sich mit manchem modernen Bauwerk „ihres“ Egons ein bißchen schwer getan haben. Wir geben auch nicht diese Geschichte weiter, die hier gern erzählt wird vom Eiermann-Anbau am traditionsreichen Hotel Prinz Carl in Buchen: Von diesem Gebäude, das ans „Bauhaus“ erinnert und dessen Fassade mit vorgelagerten Stangen und Holzteilen sehr modern wirkt neben dem altehrwürdigen Haupthaus des Hotels. Daß es angeblich bis heute Buchener gibt, die sich noch immer fragen, wann denn endlich „das Gerüst“ wegkommt, das die Eiermann’schen Bauarbeiter 1967 offenbar vergessen haben. Nein, das erzählen wir jetzt nicht. Vermutlich ist es auch nicht wahr.
(Am besten, Sie fahren einfach mal hin und machen sich ein Bild. Oder Sie lesen bei Interesse ein bißchen nach über Egon Eiermann und seine Zeit im Odenwald.)
Wir sind dann noch ein paar Stunden weitergewandert, der Hund und ich. Die Odenwälder Pampa im Blick und unter den Füßen, und die Berliner Gedächntiskirche im Kopf.
Vielen Dank, ich wär da einfach vorbeigelaufen. WIeder was gelernt und wieder einmal bemerkt, dass ich im Alltag öfter mal genauer hinsehen sollte. Danke!
Immer gerne! ;-) (Das genau-hinschauen gehört ja sozusagen zu meinem Job.)