Es juckt mich überall, ruft Kurt Meidel ins Telefon, wir wollen doch was schaffen! Endlich wieder Gäste bedienen, endlich wieder richtig ranklotzen. Meidel ist einer von den Gastronomen, mit denen wir vor genau einem Jahr schon mal gesprochen haben. Und wie gehts inzwischen? Wir wollen endlich wieder richtig schaffen, sagt er.
Dabei hat er zu tun, das Take-away-Geschäft im Gasthaus Linde in Gerolzahn läuft soweit ganz gut. Man muß sich halt immer wieder was Neues ausdenken, Neues anbieten, nur mit der normalen Karte würde es nicht funktionieren. Die Stammkunden haben die normale Speisekarte jetzt schon ein paar mal rauf und runter bestellt, da muß alle 14 Tage ein besonderes Angebot her. Die Familie Meidel macht freitags, samstag und sonntags den Laden auf, und dann kommen die Bestellungen, und Kurt muß in die Küche. Es läuft halbwegs, aber frustrierend ist es schon, das alles. Und seine Frau, sagt er, die leide noch mehr als er. Die will Kundenkontakt, die will rein in die Gaststube und mit den Leuten sprechen, das vermisst sie sehr.
Der Linde geht es dabei wie vielen familiengeführten Gasthäusern auf dem Land, immerhin müssen wir keine Miete zahlen, keine Pacht, das ist ja schon viel wert, sagt Meidel. Aber zehn Aushilfen hat er schon zu Beginn der Pandemie heimschicken müssen, das tut weh, und ich muß zusehen, dass ich die irgendwie halten kann, dass die eines Tages wiederkommen. Eines Tages. Wann immer das sein wird. Irgendwann wirds wieder ganz normal losgehen, wie früher, hofft Meidel, und er hofft das seit einem Jahr.
Unter der Woche, wenn die Linde geschlossen ist und die Küche kalt bleibt, – unter der Woche untätig rumsitzen, und der Pandemie-Zeit beim Vergehen zugucken, das ist Meidels Sache nicht. Irgendwas ist immer zu tun, am Haus, jetzt auch wieder im Garten. Und sein Sohn hatte da schon lange diesen Traum, den haben wir jetzt einfach umgesetzt: Ein Bogenkino für Bogenschützen haben sie in den vergangenen Monaten eingerichtet, mit allem Pipapo, das bewerben sie schon kräftig in Bogenschützenkreisen, aber aufmachen dürfen wir das auch noch nicht. Es ist alles ein bißchen frustrierend.
Ostern, Pfingsten, Frühling, Sommer: die Linde in Gerolzahn ist beliebtes Ausflugslokal, oben auf den Höhen über der Wallfahrtsstadt Walldürn. In normalen Zeiten würde der Laden jetzt summen und brummen, wären Gaststube und Wintergarten an vielen Tagen rappelvoll. In diesem Jahr kommen auch die Pilger nicht vorbei, die große Wallfahrt ist quasi abgesagt, jedenfalls werden sich die großen Fußgruppen aus allen Teilen Deutschlands nicht auf den Weg machen, die sonst immer in Hundertschaften bei Meidel Rast gemacht haben.
Irgendwie geht’s, ein bißchen Geschäft haben wir ja, sagt Meidel. Aber es juckt mich überall. Wir wollen endlich wieder schaffen.
Wir haben vor ziemlich genau einem Jahr bei der Linde in Gerolzahn schon mal nachgefragt, wie es denen so geht. Auch bei mehreren anderen Gastronomen hier in der Region. Bei denen wollen wir jetzt nach 12 Monaten nochmal hören, wie sie zurechtkommen, so nach und nach. Die Fotos stammen noch von den ersten Besuchen, damals, Ende April 2020.
Die Geschichten aus dem ersten Lockdown finden Sie hier:
Ich muß warten und hoffen – die Heidersbacher Mühle
Alle kennen Oskar – der Engel in Balsbach
Jammern machts auch nicht besser – die Linde in Gerolzahn
Wir haben keine Ahnung – Ferraros Pizzeria
Die Stammkunden retten uns – Prinz Carl in Buchen
Ich war wie gelähmt – Wiegmans Fliegerstübchen Walldürn
Das tut schon weh – Wohlfahrtsmühle in Hardheim
Was bleibt mir anderes übrig – das Alte Wasserwerk in Walldürn
Sehr schön, dass Sie sich der verlassenen Gastronomie annehmen. Vielleicht bleibt bei den Lesern was hängen für die Zeit der Herdenimmunität.