Manchmal denkt Edwin Schwarz darüber nach, wie es sein wird.

Wie es sein wird, wenn er mal nicht mehr kann. Wenn er vielleicht krank zuhause liegt und irgendjemand seine Bienenkästen, seine gesamte Imkerei-Ausrüstung und das Bienenhaus für einen Schleuderpreis verhökert. Bloß, daß es wegkommt.

Wer will sich denn um diesen Krempel jetzt noch kümmern, wo der Edwin nicht mehr kann? Wie all das, was er in 30 Jahren für viel Geld angeschafft hat, einfach flöten geht.

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Und er denkt darüber nach, wie all das Wissen, das er in seinem Kopf (und in seinem Herzen) angesammelt hat in diesen 30 Jahren, wie sich das langsam verwässert, und immer weniger und weniger wird, und eines Tages, wenn er dann vielleicht stirbt, wie diese 30 Jahre Erfahrung und Wissen und Liebe zu den Bienen, zur Natur, sich einfach in Nichts auflösen.

Dann ist alles weg. 30 Jahre. Einfach so, sagt Edwin Schwarz, und wenn man ihn dabei anschaut, hat man das Gefühl, das macht ihm mehr Angst und Sorge als alles andere.

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Und weil alle immer über Nachwuchsförderung reden, auch im Imkerverein, und weil sie doch alle eigentlich genau das meinen: daß nicht alles irgendwann einfach weg ist, einfach so, – deswegen macht Edwin Schwarz jetzt sein eigenes Nachwuchs-Ding.

Eine Anzeige hat er ins Amtsblatt gesetzt. Wer schon mal mit dem Gedanken an die Imkerei und an den eigenen Honig geliebäugelt hat, wer aber zurückschreckt vor den vielen Startkosten und der kompletten Anfänger-Ahnungslosigkeit, dem vermietet Schwarz jetzt seinen Bienen. Und die Kästen. Dazu seine gesamte Ausrüstung. Und das Bienenhaus, und den wildromantischen Standplatz an einem kleinen Tümpel, mitten in den Feldern und Wiesen und nicht weit vom Wald.

Und: er vermietet seine gesammelte Erfahrung, sein Wissen aus 30 Jahren Imkerei. Mühevoll erarbeitet und mit Leidenschaft zusammengetragen, soll jetzt ein anderer davon profitieren. Im Grunde vermietet Edwin Schwarz einen Teil von sich selber, und einen Großteil dessen, was ihm wichtig und bedeutsam war in diesen letzten 30 Jahren. Damit es nicht irgendwann einfach weg ist, einfach so.

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Gabi Nießen aus einem Nachbardorf hat die Anzeige im Amtsblatt gelesen. Das ist genau das, worauf ich heimlich seit Jahren gewartet habe. Schon lange wollte sie sich mit Bienen und der Imkerei beschäftigen, aber immer kam irgendwas dazwischen, und das alles kostet erstmal eine Stange Geld, und vor der ganzen großen Bienenwissenschaft habe ich auch einen Heidenrespekt. Alles ganz schön kompliziert und abschreckend, wenn man keinen Ansprechpartner kennt, den man mal fragen kann.

Jetzt also mietet sie den freundlichen Herrn Schwarz und seine Bienen. Und alles, was sein Kopf zum Thema Imkerei so hergibt. So ein unglaublicher Erfahrungsschatz, das ist ja ein Geschenk, sagt Nießen, und Schwarz freut sich, daß nicht irgendwann einfach alles weg ist, sondern daß er seine Kenntnisse jetzt weitergeben kann.

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Nießen kümmert sich jetzt also um die Bienen, und Schwarz, gesundheitlich schon angeschlagen, wird entlastet. Zweimal die Woche wollen sie sich am Bienenhaus treffen, und Schwarz will der Frau aus dem Nachbardorf alles zeigen, alles erklären. Eine ganze Bienensaison lang.

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Am Ende werden sie gemeinsam Honig schleudern, Gabi Nießen wird die Ernte mit nach Hause nehmen dürfen und sich dann irgendwann entscheiden, ob sie die Bienen und die Ausrüstung von ihrem Mentor übernehmen will. Weil das ganze Wissen aus seinem Kopf bis dahin auch in ihrem Kopf ist, und weil seine Bienenleidenschaft bis dahin dann auch ihre ist.

Das wäre der Traum, sagt Schwarz.

Damit nicht einfach alles irgendwann verloren geht.

Einfach so.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15 Kommentare zu “Einfach so.”

  1. dann drücken wir der Frau Nießen und Herrn Schwarz ganz arg die Daumen, dass sich ihr Traum erfüllt und doch nicht alles irgendwann weg ist und verloren geht.
    Super Idee!!

  2. Oh – genau auf sowas hätt ich auch heimlich gewartet, bevor wir uns die Bienen zugelegt haben- wie wunderbar!
    Und wahrscheinlich kann sie nachher alles übernehmen und hat den Herrn Schwarz immer noch im Hintergrund als Helfer und Ratgeber- man kann nämlich unmöglich bereits nach einem Jahr das ganze Wissen von 30 Jahren von einem Kopf in den anderen bringen ;-)
    Herzlichen Glückwunsch, Frau Nießen!!!

  3. schade schade das du soweit weg bist, ich wollte mir dieses Jahr auch Bienen holen, leider ist das aber wirklich alles sehr teuer in der anschaffung und ich muss noch schnitzel schlachten (was viel geld kostet), nochmal 2 kaelber nachkaufen usw usw. Nun habe ich mein vorhaben auf naechstes Jahr verschoben!

  4. Was für eine grandiose Geschichte! Es beginnt traurig und endet doch so positiv und hoffnungsfroh. Ich wünsche Herrn Schwarz und Frau Nießen eine tolle Bienen-Saison, eine prima Ernte und dass die nächsten Monate so gut laufen, dass aus den Hoffnungen und Träumen eine langfristige Perspektive werden kann.

  5. Was ein toller Post, liebe Friederike,
    denn wo wird die Menschheit hinsteuern wenn das Wissen der Alten verloren geht?
    Man sieht es heute in ganz vielen Bereichen – es fehlt – und die Jungen müssten mehr zuhören – mehr erfahren – so hat die Menschheit überlebt und nicht wo ich am besten eine Krawatten-Binde-app runterladen kann :(
    Hg sendet Dir
    Birgit

    1. Ich wäre ja schon froh, sie würden sich auch mal ums Krawattenbinden kümmern, oder um gute Umgangsformen, von mir aus dann auch via App… ,-)


  6. So schön die Idee. Wie viel Wissen und Können geht auch und insbesondere im alten Handwerk verloren. Wie viele Berufe … Berufungen? … gehen verloren. Einfach so.
    Gut, Bienen wären nichts für mich, aber würde ich eine solche Anzeige lesen, wenn es ums Handwerk geht und es ist in meiner Nähe … Ich wäre dabei.

    1. Ginge mir genauso. Ich warte noch auf die Anzeige vom Ziegenhalter, der mir alles beibringen will…..

  7. Was für eine grandiose Idee, sein Wissen zu vermieten. Es geht doch nichts aber auch rein gar nichts über Erfahrungen. Ich wünsche Beiden einen tollen Bienensommer und ein gegeseitigen „Geben“ und „Nehmen“.

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