Wenigstens wird meine Ware nicht schlecht, sagt Ralf Felzmann, die wird höchstens immer dicker. Vor ihm im Teich schwimmen die Forellen, für die Felzmanns Landgasthof Heidersbacher Mühle auch berühmt ist. Die Fische schwimmen da herum, sie werden immer dicker und sind vielleicht froh, dass sie wider Erwarten noch am Leben sind. Vielleicht wiegen sie sich auch in der Annahme, dass das nun immer so bleiben werde.

Ich habe ja am Anfang gedacht, dass wir Ostern wieder aufmachen könnten. Dann habe ich gedacht, zum 1. Mai wirds bestimmt was. Felzmann grinst ein bißchen halbherzig. Mann, war ich naiv, oder? Juni? Juni wäre klasse. Aber glauben tue ich das auch noch nicht.

Felzmann hat seine Heidersbacher Mühle komplett dichtgemacht, kein Take-away, alles zu. Die Mühle, tief unten im Tal, und nur über einen verwunschenen Asphaltweg zu erreichen, der schier kein Ende nehmen will. Durchhalten! ermuntert einen auf halber Strecke ein Wegweiser. Bis man dann endlich unten ankommt. Dort eröffnet sich dem Gast eine romantische kleine Zauberwelt, eine Mühle mit Teichen und Wiesen, wie aus dem Märchenbuch oder zumindest aus einer LandLust-Fotoreportage.

Kein Wunder, dass hier dauernd Leute heiraten oder zumindest ihre Hochzeit feiern wollen. Hochzeiten, Taufen, Kommunion, wir haben mehr als 40 große Veranstaltungen zwischen April und September, sagt Felzmann, und nochmal 40 kleinere. Wenn er sagt groß, dann meint er für meine Verhältnisse riesig, und wenn er sagt klein, dann ist das immernoch groß genug, nehme ich an. Die meisten Veranstaltungen und Buchungen sind schon abgesagt für dieses Jahr.

Wo sich sonst abends auf dem Parkplatz die feinen und die dicken Autos mit Kennzeichen von sonstwoher drängeln: alles leer. Das ist ein bißchen wie in meiner Kindheit, sagt Felzmann, damals hatten wir an Wochenenden ein paar Gäste, ansonsten war es hier immer ruhig. Felzmann liebt die Ruhe und die Stille hier unten, und ich gebe zu, ich merke jetzt, was ich in den vergangenen Jahren vielleicht auch verpasst habe. Nach Corona wird nicht sein wie vor Corona.

Wir haben in den vergangenen 25 Jahren nicht selten geschuftet wie die Brunnenputzer, sagt der Mühlenwirt. Es hat uns auch immer wirklich Spaß gemacht. Die Leute strömen in normalen Zeiten aus allen möglichen und unmöglichen Himmelsrichtungen in die Heidersbacher Mühle, angeblich gab es schon Gäste, die mit dem Hubschrauber da hingeflogen sind, sie alle lockte die gute Küche und das einnehmende Wesen von Ralf Felzmann. Der vermittelt mit seinem jungenhaften strahlenden Lächeln und den wilden Locken noch jedem Gast, dass er genau auf ihn schon lange voller allergrößter Vorfreude gewartet hat.

Der Erfolg hat ihm auch ermöglicht, nun zumindest ein bißchen gelassener zu sein als andere Kollegen vielleicht, die jetzt in böse Not geraten. Felzmann ist gut versichert, der Laden gut aufgestellt. Wenn ich am Ende des Jahres mit einer Null rauskomme und nicht noch zig-tausende drauflegen muß, bin ich gottfroh. Ich muss einfach warten und hoffen.

Hoffen, dass die Heidersbacher Mühle mit einem blauen Auge davonkommt. Dass er nicht am Ende gezwungen ist, so runterzufahren, dass er Mitarbeiter entlassen muß. Davor habe ich wirklich die meiste Angst, wir sind so ein tolles Team. Acht Angestellte, davon zwei Auszubildende, dazu ein Heer von 450-Euro-Kräften, um die 40 Männer und Frauen. Das macht mir wirklich, wirklich Angst.

Bis auf die Azubis hat Felzmann alle nach Hause geschickt. Die zwei angehenden Köche sorgen jetzt dafür, dass die Mühlenküche nicht ganz in den Tiefschlaf fällt, wir machen lauter prüfungsrelevante Sachen, damit denen die Zeit nicht verlorengeht. Prüfungsrelevant heißt an diesem Morgen: Rosmarinbutter schäumen.

Außerdem brauchen die ihre Struktur, die Jungs will ich deswegen nicht auch noch fortschicken. Nicht prüfungsrelevant, aber schon lange geplant: nebenher legen die Jungs einen Kräuter- und Gemüsegarten an der Mühle an, so richtige Pionierarbeit mit schwerem Gerät und mühsamer Handarbeit, hier kommt die Minze hin, hat der eine schon beschlossen und macht eine ausladende Armbewegung Richtung zukünftiges Beet. Und morgen gehen wir mit dem Chef joggen. Fit bleiben, sagt der andere grinsend.

Im Kühlschrank hängt eine eben erlegte Wildsau. Wird eingefroren. Isst ja derzeit niemand. Felzmann ist selber Jäger, und er weiß, dass die meisten Jäger ihr Wild bei der Gastronomie abliefern. Abliefern würden. Normalerweise. Und jetzt? Die müssen ihren Schussplan erfüllen und wissen nicht, wohin mit dem Fleisch. Felzmann zuckt mit den Schultern.

Aber es geht uns gut hier unten mit unserer Mühle, überhaupt doch eigentlich uns allen auf dem Land, sagt er, stell Dir mal vor, man wäre jetzt in einer Großstadt, mit Miete und Pacht und angewiesen auf Touristen, die nicht so bald wiederkommen werden. Ich will wirklich nicht jammern. Wir müssen einfach warten und hoffen. Und irgendwann können wir wieder aufmachen, und dann lassen wir es so richtig krachen.

(Klick!) Hier gehts zur Website von der Heidersbacher Mühle. Irgendwann macht die auch mal wieder auf, und dann freuen sich Felzmann und seine Leute über Ihren Besuch.

Ich stelle Ihnen hier in loser Folge ein paar Gaststätten und Restaurants aus meiner Nachbarschaft vor, die derzeit irgendwie mit dieser Corona-Krise umgehen müssen. Die Grund- Idee dazu habe ich hier bei diesem großartigen Fotografen abgeguckt, auf den mich ein Blogleser hingewisen hat. Ich mache sowas sonst nur ungerne, Ideen abgucken, aber ich glaube, für einen guten Zweck darf man auch mal abgucken. Wenn Sie bisher ohnehin immer mal essen gegangen sind und sich das auch derzeit irgendwie leisten können: Unterstützen Sie die Wirtschaften und Restaurants in Ihrer Nähe. Sie müssen kein take-away-Fan sein, hier gehts nicht um Ästhetik im Alltag, sondern um Solidarität. Ganz einfach. Und Gutscheine, Sie können jetzt auch Gutscheine kaufen und dann später verschenken, wenn die Restaurants alle wieder in ihren ganz normalen Alltag zurückgekehrt sind. Und nein, ich bekomme für diese Werbung kein Geld, ich mache das aus reiner… Naja, Sie wissen schon.

Bisher waren wir zu Besuch bei einer (Klick) Pizzeria in Limbach, einem Griechen in Walldürn, beim Engel in Balsbach, beim amerikanischen Fliegerstübchen und beim Hotel-Restaurant Prinz Carl.

10 Kommentare zu “„Ich muss warten und hoffen“”

  1. wie war Ralf, die Stille, das Inne- und Anhalten, als Gastronom fast ein Geschenk, wenn die Angst um die Mitarbeiter nicht wäre! Wir hoffen, wir sehen uns bald, irgendwo! Drücken Euch herzlich

  2. Oh, die Haidersbacher Mühle – da hatte ich mal die große Freude, an einem Geschäftsessen teilnehmen zu dürfen. Inklusive Wanderung davor und danach.
    Vielen Dank, dass Sie immer wieder so tolle Gastronomen vorstellen.
    Mit liebem Gruß, Ev

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