Ich meine, das muß man sich mal vorstellen: Kommt der Vater zu Tür rein und sagt zu Tochter Notburga So, nun heirateste mal brav den lieben Samo. Ausgerechnet einen Wendenfürsten, unchristlich bis zum Gehtnichtmehr. Nee, also ehrlich.

So ungefähr jedenfalls beginnt die Geschichte zu unserem heutigen Ausflugstipp. (Verbunden mit einem aktuellen Termin am Sonntag, schreibe ich Ihnen alles unten drunter.)

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Tochter Notburga jedenfalls diskutiert mit dem Vater gar nicht erst lange rum, sondern macht sich schnellstens aus dem Staub. Versteckt sich in einer Höhle, um der Ehe zu entgehen. Machte man damals so, 7. Jahrhundert, naja, Sie wissen schon. Und weil es seinerzeit den McDonalds am Mosbacher Kreuz noch nicht gab, läßt sie sich das Essen von einer Hirschkuh in die Höhle liefern, – 7. Jahrhundert, da waren die Dinge halt noch etwas altmodischer als heute.

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Wie dem auch sei: Der Vater ist zornig und sucht –  und findet die Tochter in der Höhle. Und will sie mit Gewalt nach Hause zerren, das wiederum war damals auch nicht anders als es heutzutage bei manchen Vätern immer noch so ist. Bei dem generationsübergreifenden Gerangel erweist sich Notburga zwar letzten Endes als die Stärkere, muß aber einen Arm lassen. Der Vater zieht also mit töchterlichem Arm unterm Arm, aber ohne eigentliche Tochter wieder ab.

Mit ohne Arm.
Mit ohne Arm.

Die Sage wäre keine echte Sage, wenn jetzt nicht eine Schlange ins Spiel käme. Eine sehr nette Schlange. Die bringt für die Arm-ab-Wunde Kräuter und lauter feine blutstillende Sachen, als Notfallversorgung der etwas anderen Art. Die Wunde heilt, der appe Arm stört kaum, und Notburga verlegt sich von Stund an auf das Missionieren und christianisiert aus ihrer finstren Höhle heraus das halbe Neckartal.

Beim Stichwort Christianisieren sind wir jetzt natürlich bei der Kirche. Bei der klitzekleinen Kirche in Hassmersheim-Hochhausen, gleich bei der Notburga-Höhle um die Ecke. Daß das kleine Kirchlein genau da steht, wo es steht, ist auch die Schuld der einarmigen Dame. Die nämlich verfügt vor ihrem Tod, daß ihre Leiche bitteschön auf einem Wagen von wilden Ochsen egal-wohin gezogen werden möge, und wo die stehenbleiben, solle eine Kirche gebaut werden.

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Das kleine Kirchlein aus dem 12., 13. Jahrhundert ist so ziemlich eines der schönsten Ausflugsziele in der Region, wenn Sie mich fragen. Trotzdem ein Geheimtipp. Hier kommt kaum ein Fremder je vorbei, wenn man mal von Heidelberger Kunstgeschichtsprofessoren oder eingefleischten Heiligen-Verehrern absieht. Letztere gehen ja aber angeblich nur ungerne in evangelische Gotteshäuser.

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Wer das Kirchlein besichtigen will, hat am kommenden Sonntag, 6. September, dazu nochmal eine Möglichkeit, muß also vorher keine Führung buchen oder so. (Klick!) Hier können Sie die entsprechenden Öffnungszeiten für Sonntag lesen, da ist das Kirchlein zum letzten Mal für dieses Jahr unkompliziert besuchbar, ich kann Ihnen das sehr empfehlen. Und (klick!) hier gehts zur Website des Fördervereins.

Und hinterher kehren Sie irgendwo im nahegelegenen Hassmersheim ein, ich war neulich im Treidelpfad oder wie das heißt, sehr hübsch, auch zum Draußen-sitzen, da gibts aber auch sonst noch ein paar andere Gaststätten. Und überhaupt war dieser Artikel hier im Blog schon mal zu lesen, aber ich habe ihn jetzt wegen des bevorstehenden Besichtigungstermins nochmal hervorgekramt. Und weil die Geschichte doch wirklich zu schön ist.

11 Kommentare zu “Die einarmige Heilige.”

  1. Echt toll erzählt! So machen Sagen Spaß;-) Und falls ich mal in der Nähe bin, muss ich mir das natürlich mal anschauen!
    VG Charlie

  2. Quod esset demonstrandum – was zu beweisen wäre – , zwei brave Katholiken freuen sich über einen interessanten Ausflugstipp in den Pfingstferien. Wir freuen uns schon auf Weitere!

    1. Wobei mir natürlich jetzt erst einfällt: evangelische Kirchen sind ja in der Regel geschlossen, wenn nicht gerade Gottesdienst ist… Wenn ernsthaft Interesse an einem Besuch: einfach Mail über das Kontaktformular, ich hätte da einen Ansprechpartner.

    2. Ich habe noch einen Link in den Beitrag eingefügt, der führt zur Homepage des Fördervereins, da kann man auch wegen Führungen mal anrufen.

  3. Notburga….Jetzt muss ich mal ein ganz düsteres Geheimnis preisgeben: Gedrängt von meinen (damals) erzfrommen Cousinen & vom „Parre“ des Dorfes habe ich damals die Patenschaft über ein „armes Heidenkind“ in Afrika übernommen ( bezahlt ) und diesem armen Kind den Namen Notburga verpasst. Den fand ich so toll, weil eine Dorfschönheit ihn trug. Später hat mich die ganze Geschichte, aber vor allem die Namensgebung schwer beschämt…
    Notburga…Jetzt weiß ich dank dir, wodurch der Name in der Gegend so verwurzelt ist. Wenn ich also mal nur noch als Tourist in den Odenwald komme, dann wird die Kirche mein Ziel sein.
    Solche „Heidenkind“ – Geschichten könnte ich noch einige erzählen. Sie gehören mit zu den schwärzesten ( nicht nur wegen der Hautfarbe der Kinder ) meiner Kinderzeit.
    LG
    Astrid

  4. Notburga hiess die Mutter eines Schulkameraden, das war so um 1932. Da gab es aber echt noch Schlimmeres.
    Aber ich finde den Odenwald mit all seinem Kuriosen in jedem Post noch schöner, wie schade das ich das nicht mehr geschafft habe.
    Dafür, für das teilen Ihrer schönen Region und den tollen Bildern möchte ich danke sagen und eine wundervolle Weihnacht wünschen.

  5. Darf ich darauf hinweisen, dass es auch in Tirol eine heilige Notburga gibt? Die Notburga von Eben oder Rattenberg (Ortszuweisung variabel), eine einfache Dienstmagd und erste Gewerkschafterin (mit himmlischer Unterstützung). Und Legenden gibts auch dazu. Die Basisversion: https://www.dibk.at/Themen/Tiroler-Heilige-und-Selige/Heilige-Notburga (ohne Legenden) uind etwas „unterspickter“: https://tirolischtoll.wordpress.com/2017/08/19/die-heilige-notburga-eine-mutige-frau-im-mittelalter/

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