Es gibt so Begegnungen, die versöhnen einen mit der Welt, wenn man gerade drauf und dran war, an ihr zu verzweifeln. In unserem Fall heißen die Begegnungen Kerstin und Jakob. Die beiden stehen dabei stellvertretend für eine Handvoll Teenager. Lotsen nennen sie sich selber. KZ-Gedenkstätten-Lotsen.
Kerstin und Jakob verbringen einen Gutteil ihrer Freizeit und jede Menge Wochenenden in der KZ-Gedenkstätte in Mosbach Neckarelz. Die Geschichte dazu haben wir neulich hier erzählt. Kerstin und Jakob haben – wie die anderen Lotsen – Seminare und Workshops besucht, alles ehrenamtlich, logo, haben sich durch haufenweise Literatur gewühlt, haben Filme geschaut und mit Zeitzeugen und ehemaligen Häftlingen gesprochen.
Jetzt führen sie Besuchergruppen durch die Ausstellung in der Gedenkstätte. Die 16jährigen erzählen den 60-, 70jährigen die Geschichte des KZs. Denen, die sich mitunter fast noch selbst erinnern können müssten, denen aus der Nachbarschaft, denen von weit weg. Besonders die älteren Besucher gucken schon mal komisch, wenn sie merken, wer sie da durch die Ausstellung begleiten soll, sagt Jakob. Wie? Ihr wollt uns was über unsere Geschichte erzählen?, fragen die dann. Ihr seid doch viel zu jung.
Nach ein paar Minuten legt sich meist der Zweifel, sagt Kerstin. Dann schwanken die Besucher. Zwischen dem Erschüttern über die KZ-Geschichte und dem Staunen über den, der sie ihnen da erzählt. Ich hab gedacht, ich wüsste viel darüber, hat neulich eine alte Besucherin gesagt, – aber Ihr wißt ja noch viel mehr. Und dann stecken sie den jungen Lotsen eine Tafel Schokolade zu, ganz altmodisch, oder auch ein bißchen Geld. Das kommt in die Kaffeekasse. Wir machen das hier schließlich ehrenamtlich, sagt Kerstin.
Während die Klassenkameraden im Schwimmbad abhängen oder zuhause am PC, tauchen die jungen Gedenkstättenlotsen in die Geschichte ein, erzählen von Leid und Tod, von den unmenschlichen Arbeitsbedingungen für die KZ-Häftlinge, von Wassersuppe und trocken Brot, von Erschießungen und von den Überlebenden. Ist alles sehr lange her, klar, sagt Kerstin. Aber ich finde trotzdem, daß unsere Generation sich damit auseinandersetzen muß. Darf schließlich nie mehr wieder passieren, sowas. Außerdem war es direkt hier, in meiner Nachbarschaft.
Sich vor ganze Gruppen Erwachsener hinzustellen, ihnen einen kleinen Vortrag zu halten und sie durch die Ausstellung zu führen, findet sie dabei nicht stressig. Nö. macht mir Spaß sowas.
Bloß Lehrergruppen und Gewerkschafter, die sind ein bißchen anstrengend, sagt Jakob grinsend. Jakob, der inzwischen auch zum Vorstand des Gedenkstättenvereins gehört.
Und ein bißchen nervig ist die Absprache mit den anderen, den älteren Lotsen der Gedenkstätte. Die sind ja nicht so wirklich internetaffin. Immerhin hat die Gedenkstätte schon einen facebook-Auftritt. Die Organisation der Wochenenddienste geht aber nur per Mail, und manchmal sogar noch per Telefon, sagt Jakob und macht dazu einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Vergiß es. Ich gehe nicht auf facebook, sagt Dorothee Roos, die Altvordere, die für die jugendlichen Lotsen zuständig ist. Und übrigens, sagt sie grinsend, ich hätte hier noch eine Gruppe mit Geschichtslehrern – wer von Euch beiden will die führen?
Es gibt so Begegnungen, die versöhnen einen mit der Welt, wenn man gerade drauf und dran war, an ihr zu verzweifeln.
Wer Näheres über die KZ-Gedenkstätte wissen will, klickt hier.
Und die LandLebenBloggeschichte rund um das KZ gibts hier nochmal.
Kann man diese wunderbare Geschichte bitte ganz laut in die Welt hinaus schreien? Da gibt’s nämlich gerade viele, die an diesem Planeten verzweifeln und dringend kleine Leuchttürmchen benötigen.
Löblich! Die Jugend ist man doch besser, als ihr Ruf (woran ich nie wirklich zweifle, bis auf die kleinen Ausnahmen, über die man leider offensichtlicher stolpert) und nicht alle haben nur Fun im Kopf.
Da fällt mir wieder meine Oma zu ein, die nun wohl sagen würde: Dummes Zeug machen ist laut, Gutes tut man im Stillen.
Hut ab!! Unsere Jugend ist nicht so missraten wie wir Erwachsene manchmal glauben und uns wenige das auch vorzeigen. Wir müssen ihnen mehr ver- und zutrauen.
Danke für diesen schönen Artikel!