Es hätte nicht schlimmer kommen können, sagt Antje Wiegman, und in ihrem Lächeln wechseln sich Sorge und Zuversicht in Sekundenbruchteilen ab. Natürlich hätte es noch schlimmer kommen können, man kann sich ja die tollsten Horror-Szenarien ausmalen, aber für uns war das wirklich ein Schock.
Alles war geplant, alles war vorbereitet, alles Geld, alle Kraft in den Traum vom eigenen kleinen Restaurant gesteckt. Adam Wiegman hatte seinen sicheren Job gekündigt, die Flyer für die Neu-Eröffnung am Walldürner Flugplatz waren gedruckt, 1. April, Wiegmans Fliegerstübchen. Da sollte die Eröffnungsparty steigen.
Dann: shutdown. Nix mit Neueröffnung. Ich habe erstmal Atemnot bekommen, sagt Antje. Wir waren ein paar Tage lang wie gelähmt, wie in einer Schockstarre. Und dann haben wir es einfach verdrängt und weiter geplant, weiter vorbereitet.
Adam kommt ursprünglich aus Indiana, das ist irgendwo tief in den USA, und Adam hat schon in der Gastronomie gearbeitet, und als Feuerwehrmann in Los Angeles und als Schweißer. Die Liebe hat ihn nach Deutschland und in den Odenwald zu Antje geführt, das ist eine ziemlich irre Geschichte, aber da müssen Sie die beiden dann schon selber fragen.
Wenn es jedenfalls eine einzige Konstante in Adams bisherigem Leben gibt, dann ist es Barbecue. So richtig voll amerikanisch. Chicken quarter, racks of rib, Sliders, Cole slaw, naja, Sie wissen schon. Also nicht so, wie Erwin Piependeckel in kurzen Hosen und mit Adiletten an den Füßen im Reihenhausgarten am Bratwurst-Grill steht, nee, nee, Barbecue ist eine Kunst, eine Weltanschauung, eine Art Religion. Sie können das hier (Klick!) bei wikidingsbums mal nachlesen, es ist unglaublich, und das ist einer der längsten Artikel, den ich bei Wikidingsbums je gesehen habe.
You don’t have to make it, you have to love it, sagt Adam, man muß die Gerichte nicht machen, man muß sie lieben. Adam regt sich ja auch so auf, das die meisten Menschen Burger, also Hamburger und Co, einfach zusammenbauen. Ein paar Zutaten aufeinanderstapeln, zusammendrücken, fertig. So geht das nicht, sagt der Mann aus Indiana, Du musst es mit Liebe kreieren. Genauso wie die Barbecue-Saucen. Geheimrezepte, jahrhundertealt, die hat Adams Urgroßmutter vermutlich schon für John Wayne am knisternden Lagerfeuer in der Prärie zubereitet, so stelle ich mir das vor.
Vor lauter Begeisterung für sein Barbecue und sein Herzensprojekt Fliegerstübchen hat Adam dann auch irgendwie vergessen, sich allzuviele Sorgen zu machen. Jetzt also auch hier: take away. Und das ohne jede Stammkundschaft, ohne Erfahrung an diesem speziellen Ort, ohne großes lokales Netzwerk. Antje und Adam sind ja komplett neu hier.
Die Leute kennen uns nicht, die wissen nicht, ob man bei uns gemütlich sitzen kann, oder wie toll der kleine Kinderspielplatz und die Terrasse am Haus sind, die wissen nicht mal, ob wir nett sind, sagt Antje. Das Einzige, womit wir jetzt wirklich punkten können, ist die Qualität des Essens. Manchmal holen Leute abends im take-away was ab, wildfremde Menschen aus der Umgebung, und die rufen dann am nächsten Tag nochmal an, wie super lecker das Essen war, ist das nicht großartig?
Überhaupt, alles großartig: Die vielen freundlichen Kunden, das Entgegenkommen der Verpächter am Flugplatz, die Unterstützung der Flugsportclub-Leute, die städtischen Behörden, die haben uns in diesem ersten Chaos alle geholfen, es ist fantastisch. Sie werden diese merkwürdige Zeit überstehen, diese Neueröffnung unter extrem erschwerten Bedingungen. Im Moment geht es uns wie den Blumen da auf dem Tisch, sagt Antje, mal fröhlich aufrecht, und ab und zu geknickt.
Aber wenn wir das überstehen, kann ja eigentlich nicht mehr viel schiefgehen, hoffen sie.
Eine Website haben die Beiden leider noch nicht, zuviel BBQ um die Ohren. Dafür sind sie bei facebook sehr aktiv, da können Sie hier unten schon mal einiges nachlesen. Also, eigentlich alles, was Sie wissen müssen, auch ohne facebook-account. Einfach auf „…mehr anzeigen“ klicken, das müsste funktionieren. Da stehen auch Telefonnummer und Öffnungszeiten.
Ich will Ihnen hier in loser Folge ein paar Gaststätten und Restaurants aus meiner Nachbarschaft vorstellen, die derzeit irgendwie mit dieser Corona-Krise umgehen müssen. Die Grund- Idee dazu habe ich hier bei diesem großartigen Fotografen abgeguckt, auf den mich ein Blogleser hingewisen hat. Ich mache sowas sonst nur ungerne, Ideen abgucken, aber ich glaube, für einen guten Zweck darf man auch mal abgucken. Wenn Sie bisher ohnehin immer mal essen gegangen sind und sich das auch derzeit irgendwie leisten können: Unterstützen Sie die Wirtschaften und Restaurants in Ihrer Nähe. Sie müssen kein take-away-Fan sein, hier gehts nicht um Ästhetik im Alltag, sondern um Solidarität. Ganz einfach. Und Gutscheine, Sie können jetzt auch Gutscheine kaufen und dann später verschenken, wenn die Restaurants alle wieder in ihren ganz normalen Alltag zurückgekehrt sind. Und nein, ich bekomme für diese Werbung kein Geld, ich mache das aus reiner… Naja, Sie wissen schon.
Liebe Friederike, von Herzen Danke für die Zeit, die du dir genommen hast zum Fragen stellen, zuhören, fotografieren, da sein.
Das ist ja echt der Alptraum, noch nicht geöffnet und dann… zack! Um so schöner zu lesen, daß es nun eben mit Take-Away geht, auch wenn einen noch keiner kennt. Weiterhin viel Glück, damit es zur Neueröffnung dann auch mal kommt.
Da freue ich mich als Autor des Wikidings-bums-Artikels natürlich sehr hier verlinkt zu werden. Auch das Schreiben des Textes war eine Herzenssache, Und verstehe Adam natürlich auch sofort. Wenn man die US-Barbecue-Kultur richtig von innen erlebt hat, lässt sie einen nicht wieder lost. Und auch ich bin seit Jahren mit dem Versuch unterwegs, diese irgendwo in Deutschland nachzukreieren – leider ist der Odenwald einfach zu weit weg. Sonst würde ich sofort Takeout bestellen und abholen.
Wie, DU bist das gewesen?? Deinem Blog folge ich doch schon länger, sporadisch, aber immer mal wieder! Die Welt ist klein! :-)
Ja, ich war das. Aus der Wikipedia halb-abgewandert, weil es dort immer schwerer wird, „schön“ zu schreiben und Geschichten zu erzählen. Und Barbecue ist nun bestenfalls halb gutes Essen und halb Tradition und Geschichten. Wobei ich auch mal über Barbecue und mein persönliches Verhältnis dazu bloggte – ich habe es über meinen Namen verlinkt. – Schade, dass die Welt gerade so groß geworden ist, und es derzeit komplett unmöglich erscheint all‘ die spannenden Lokale mit ihren schönen Geschichten aus Berlin heraus zu besuchen.
Sehr schöne Reportage! Und die Bilder gefallen mir außerordentlich gut! Haste prima gemacht :-) Antje und Adam muss man einfach mögen, beide sind die typischen Prototypen der Marke „Ehrliche Haut“. Die reißen sich für ihre Ideen echt den A… auf, während andere behäbig abhängen. Werde mir das Fliegerstübchen demnächst mal anschauen.
Wäre H. nicht in München, wäre er sofort dort. Frau H. Lieblingsspeise sind Spare Ribs.
Und: Sie machen einen großartigen Blog.
Jetzt hat mich dieser Blogpost doch inspiriert, selbst noch einmal etwas zum Thema Barbecue zu schreiben. Willkommen zurück übrigens vom RÜckzug. Wir werden jetzt Vorräte aufstocken und schauen was de Welt um uns herum sich so macht.
Sehr cool, das werde ich studieren. Vorräte sind bereits aufgefüllt. Ich erwarte ja ehrlich gesagt eine zweite Welle.
Danke für Deine wunderbaren, erfrischenden Artikel, wenn auch dieses Thema einen traurig stimmt. ABER: die Restaurants/Kneipen sind ab dieser Woche wieder geöffnet – yippieh! Und Dank deines Artikels werden wir dieses Wochenende diese Beiden besuchen und freuen uns – nach einer Wanderung – dort lecker zu essen. Nun haste den Salat (… oder Hamburger, oder Rips oder … ☺)
So wichtig. Wenn alle weg sind, was bleibt uns dann