Einen kleinen Ausflug habe ich gemacht, nach Hesselbach am Ende der Welt. So weit am Ende der Welt, dass die Alliierten es beim Einmarsch in der Region erstmal gar nicht entdeckt haben. So hat es mir zumindest mal ein alter Hesselbacher erzählt. Das nahegelegene Schloß Waldleiningen haben die Amerikaner angesteuert, das wurde seinerzeit als Lazarett genutzt; etliche deutsche Soldaten und SS-Leute türmten und hätten sich dann in den Wäldern rund um Hesselbach versteckt gehalten, wochenlang. Bis die Amis merkten, oh! huch!, da ist ja noch ein Dorf!

Jedenfalls- und das wollte ich eigentlich erzählen – liegt Hesselbach bis heute gefühlt am Ende der Welt, in einer Art Sackgasse an einem besonders schönen Fleckchen Odenwald. Ein kleines Dorf, in das Besucher kommen, weil sie die Natur genießen oder im sehr netten Gasthaus einkehren wollen.
Der Wald drumherum: ein kleiner, großer Traum, stellenweise wie aus dem Bilderbuch, rauf und runter geht es, über Moos und Wurzeln, über Wald- und Wiesenwege, mal lauschig und eng, mal mit weitem Blick ins Tal, über hügelige Landschaft hinweg.



Ein bisschen fühle ich mich wie in einer anderen Welt. Zeitweise geht es am Limes entlang, die Römer haben ja hier überall ihre Spuren hinterlassen. Und die Wanderer und Naturfreunde tun es ihnen heute gleich: Entlang des verwunschenen schmalen Wanderpfades immer wieder kleine und größere Steinmännchen, sorgsam aufgebaut. Der Wanderpfad ist gut ausgeschildert, die Steinmännchen dienen also eher nicht (wie früher oder anderswo) der Orientierung, sondern sind bloße Zierde oder irgendein Meditationsdingens oder wasweissich. Auf jeden Fall hat da jemand sichtbar Spuren hinterlassen.
Ich war hier! scheinen die Steinmännchen hier zu rufen, damit es bloß jeder Vorübergehende weiß. Damit bloß alle wissen, dass andere schon vor ihnen da waren, ätschi-bätschi! Damit man den Wald bloß nicht so verlässt, wie man ihn vorgefunden hat. Wo ein Steinmännchen ist, kommen bald andere hinzu, wäre doch gelacht!
Ich gehe durch den Wald, sehe hier und da die Männchen und denke dabei an den wunderbaren Weg zum Wasserfall in den Vogesen, den ich inzwischen auch schon seit Jahren kenne. Irgendwann hat irgendwer hier neben einem kleinen Gedenkstein ein Steinmännchen aufgebaut, ich erinnere mich an dieses erste Steinmännchen, das ich damals noch ganz witzig fand.
Bald waren es drei oder vier, dann fünf oder sechs. Als ich dort in diesem Frühjahr wieder vorbeikam, traf mich der sprichwörtliche Schlag, der Stein-Schlag quasi: hunderte von Steinmännchen, eines größer und aufwändiger als das andere, dicht an dicht standen sie, es war ein Wettrüsten der Steinmännchen, der Weg schon halb versperrt, zum Gedenkstein schon kein Rankommen mehr möglich. Ich war hier!, schienen auch diese französischen Vogesen-Steinmännchen zu brüllen, und Meiner ist größer als Deiner! Auf den Kanarischen Inseln wurde das Unsinnige Touristenritual gar schon zur Plage, wie man im Geo-Magazin online nachlesen kann. Zur ebenso ökologischen wie ästhetischen Plage.
So tappe ich also durch den vermeintlich unberührten Wald bei Hesselbach, ich komme gedanklich von den steinernen Männchen auf die großen Fragen der Menschheit, dann auf die Weltenlage allgemein, und am Ende weiß ich auch nicht weiter. Also gedanklich.

Ich kann Ihnen die Gegend zum Wandern trotzdem sehr empfehlen. Sie müssen ja nicht gerade Steinmännchen im Unterholz hinterlassen. Naja, Sie wissen schon.
P.S. Nein, ich habe die Steinmännchen nicht fotografiert. Aus Gründen. Soweit kommts noch.
Wenn ich zuständig wäre, würde ich sie gnadenlos wegräumen. Genau so wie diese dämlichen Liebesschlösser. Irgendwann hat man dann einen Instagram Hotspot. Braucht kein Mensch.
Liebe Grüße in den Odenwald von Beate aus dem Nordschwarzwald
…und Steinweibchen gibt es gar nicht? Arme Welt *g*
Ciao, Rolf
❤️