Der Fünfte eines jeden Monats ist traditionell der wmdedgt-Tag, Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?, will die freundliche Nachbarbloggerin wissen, und viele Blogger antworten. So eine Art Bloggerritual-dingens, naja, Sie wissen schon.

Jedenfalls ist das heute einer von verschiedenartig-klassischen Tagen aus dem Leben einer Regionalreporterin, ich eile in der grauen Morgendämmerung mit Hunden über Felder, eisiger Wind beißt ins Gesicht, Hunde werden nass, aber eigentlich ist das alles ziemlich herrlich. Dann zuhause Hühner versorgen, Mülltonne raus, Gummihosen aus, Büroklamotte an, Kaffee, Hunde füttern, los.

Im Korrespondentenbüro in der kleinen Großen Kreisstadt wartet viel Bürokratenkram, ich muß Sendungs-Mitschnitte basteln und verschicken an Interviewpartner der vergangenen Woche, damit die das alles nochmal nachhören können. Am hausinternen Rechnungsprogramm verzweifeln, den Rechner kurzzeitig aus dem Fenster schmeißen wollen, um Hilfe rufen in der Technikzentrale im fernen Baden-Baden. Mich dann irgendwann endlich der eigentlichen journalistischen Arbeit widmen, und wie immer 26 Themen-Bälle gleichzeitig in der Luft halten, Schicksal der Alleinkämpferin in der vermeintlichen Provinz.

Es geht um Demos gegen Rechts und um Demos für Liebe, Freiheit, Selbstbestimmung, es geht um Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker in der Region, es gibt einen schweren Unfall mit einem LKW bei Walldürn, außerdem am Landgericht Mosbach eine Gerichtsverhandlung wegen Körperverletzung oder versuchten Totschlags, so ganz sicher ist das zunächst nicht, aber das muß man mal im Auge behalten.

Ich recherchiere zu den geplanten Bezahlkarten für Geflüchtete und dazu,wie das hier im Landkreis funktionieren würde, ich telefoniere nebenher mit meinem liebsten Feuerwehrmann der Feuerwehr, kümmere mich um die Initiative einer hiesigen Schule, die nach einem Sinto benannt werden soll – oder auch nicht -, ich frage den Sohn eines KZ-Überlebenden, ob er ein Fernsehinterview geben würde (ja, würde er) und erkläre einer Kollegin die Besonderheiten der Buchener Faschenacht.

Dann gibt es eine Anfrage von Studenten der Dualen Hochschule, die ein Filmchen über die Radiofrau im Odenwald machen wollen, für die (Klick! sehr empfehlenswert!) Stadt-Land-Fluß-Geschichten, das muß hausintern besprochen werden. Parallel dazu korrespondiere ich mit der Leitung der JVA Adelsheim, die feiern demnächst Jubiläum, 50 Jahre größter und/oder einziger Jugendknast in Baden-Württemberg sozusagen, das könnte auch ein Thema sein. Es ist ein gewisser Gemischtwarenladen von Themen, das liegt in der Natur der Dinge. Ich recherchiere, mache Notizen, telefoniere in der Gegend herum, plane Termine.

Zwischendurch hole ich Kaffee und irgendein babbisches Süßteilchen beim Bäcker, ich esse und trinke am Schreibtisch vor dem Computer und gelobe Besserung. Ist ja nicht gesund, und teuer noch dazu. So ganz in Ruhe kann ich das aber ohnehin nicht genießen, im fünf-Minuten-Takt ploppen neue Mails auf, so geht das seit dem Morgen schon. Und eine Anruferin beklagt sich über störende Geräusche aus dem Radio, immer beim Verkehrsfunk, ihr Mann höre das nicht, sie aber sehr wohl. Ich bin ratlos. Verspreche aber, bei den nächsten Verkehrsmeldungen mal ganz genau hinzuhören, ob ich denn auch was merke.

Am Abend gehe ich dienstlich durch die Gassen der Altstadt, zur nächsten Demo, diesmal also für Liebe, Freiheit, Selbstbestimmung, „Es geht ums Ganze!“ lautet das Motto, und angekündigt sind 500 bis 1000 Teilnehmer, Landwirte mit Traktoren, Handwerker, Verbraucher, das muß man sich mal anschauen, öffentlich-rechtlich, – auch, weil es ja ums Ganze geht. Dabei war ich doch erst neulich dienstlich auf einer Demo, da ging es gegen Hass und Hetze, gegen Rechtsextreme und die AfD, 3000 Menschen waren da im kleinen Mosbach auf dem Marktplatz.

Hätte ich mir ja noch vor ein paar Jahren auch nicht träumen lassen, dass man als Odenwald-Korrespondentin mal von Demo zu Demo eilen muß. Zumal ich in 25 Lebensjahren in der deutschen Demohauptstadt Berlin auf keiner einzigen Demo war, zumindest kann ich micht nicht daran erinnern. Dafür war ich viel zu langweilig, zu brav. Und jetzt also ausgerechnet im Odenwald, das ist ja schon ein gewisser Treppenwitz der Geschichte, oder eine Ironie des Schicksals, oder irgendwas dazwischen.

Jedenfalls entpuppt sich die Demo auf dem abendlich düsteren Marktplatz eher als Demöchen, ein Traktor steht da, und vielleicht einhundert Personen, und während die dann mit Trommlern durch die Altstadt ziehen, ziehe ich wieder ab, Richtung Feierabend. Richtung gefüllte Zucchini, Richtung Sofa und Kamin. Damit werde ich die Welt jetzt garantiert auch nicht besser machen oder retten, aber naja, Sie wissen schon.