In der mittäglichen Pause tue ich, was ich sonst nie tue, nie getan habe: Ich höre Musik. Ich höre nicht auf den Wind über den Feldern, nicht auf die Vogelstimmen, nicht auf das Hecheln der Hunde an meiner Seite. Ich höre Mozart. Eine Spotify-Playlist auf meinem Handy, ich stelle das Gerät auf volle Lautstärke, es ist wie so ein Ghettoblaster aus den 80er Jahren, nur halt in der Jackentasche, nicht lässig auf der Schulter oder unterm Arm.
Erst kommen irgendwelche Symphonien, dann Opern-Arien. Mach doch mal die wimmernde Madame aus!, pflegte meine Mutter vorwurfsvoll zu sagen, wenn im Radio Arien gesungen wurden, ich bin selber kein großer Freund von Arien, aber heute ist mir alles egal, Hauptsache Mozart. Hauptsache nix Böses denken müssen, Hauptsache nix hören von der Welt.
Von hinten nähern sich dunkle Hubschrauber, sie kommen aus der Richtung vom Garnisonsstädtchen her, fliegen in großen Kreisen, tief über der Landschaft. Oh cool, eine Übung, hätte ich früher gedacht. Jetzt denke ich Ich will gar nicht wissen, wofür die jetzt wieder üben und stelle den Mozart in der Jackentasche lauter, Exsultate jubilate singt eine Madame gegen das Brummen der Rotoren an, gar nicht wimmernd, eigentlich sehr schön. Ich sollte mehr Mozart hören, Sie sollten mehr Mozart hören, das beruhigt ungemein. Naja, Sie wissen schon.
Auf dem Weg ins Büro sehe ich die Stare auf der Leitung und knipse sie schnell durch die Windschutzscheibe. Zugvögel. Warten sie auf den Zug? Oder auf Godot? Vielleicht auf den Weltfrieden. Dann können sie vermutlich da warten, bis sie schwarz werden. Sie sind aber schon schwarz, schillernd schwarze Stare. Es ist verwirrend. Erinnert mich aber daran, wie das in mir immer eine merkwürdige Sehnsucht weckt, Zugvögel, die sich sammeln, Zugvögel auf ihrem Weg nach Süden.
Ganz selten mal sieht man hier Gänse über den Odenwald ziehen, neulich beobachtete ich sogar Kraniche, zum ersten Mal in meinem Leben. Der Odenwald, zumindest unsere Ecke hier, ist als Überflugszone für derlei Zugvögel wohl eher uninteressant. Umso unglaublicher der Anblick, umso faszinierender die Schreie und Rufe der Kraniche hoch oben in der Luft. Ich wär gern mitgeflogen, das ist zwar nicht Mozart, sondern Reinhard Mey, Über den Wolken. , aber Hauptsache Musik.
Im Café meines Vertrauens ist am Nachmittag wieder Damenkränzchen, ein großer Tisch ist reserviert wie immer, die Damen trudeln nach und nach ein, sie haben sich alle ein bißchen schick gemacht, Haar aufgeföhnt, ein bißchen Lippenstift, neue Blusen über hübschen Hosen. Ein Platz bleibt noch ein paar Minuten leer, die Dame kommt etwas zu spät und wird sogleich von den anderen darauf hingewiesen. Ei, ich hab doch g’sacht, dass ich noch schlachte‘ muss!, sagt sie über Cremetorten und Obstkuchenstücke hinweg, quer über den Tisch, dann bestellt sie sich auch ein Stück Torte, und dann sind alle glücklich.
Ich sag’s Ja: MOZART! in ALLEN Lebenslagen!
Schöne Grüße an alle
Bei Ihnen ist es Musik, mich lenkt das Lesen Ihres Beitrags ab. Vielen Dank dafür!
Liebe Grüße
Andrea
Oh oh die Stare! Gestern morgen vor meinem Fenster (Schulhofbäume gegenüber) ein plaudern und quietschen, ein pfeifen und piepen, ein surren und schnurren und ich liege im Bett höre zu und geniesse es.
Mozart ist auch gut. Oder Zarabi von Oum. Da wird mein ganzes Zimmer zum Ghettoblaster. Grins. Schlafen Sie gut. Grüße aus der Stadt.
Das kleine Glück ist so wichtig in dieser Zeit – egal ob Musik oder Lesen oder was auch immer.
Musik in meinen Ohren, das einzige, worin ich eine gewisse Lautstärke noch haben kann. Ansonst bestimmt Stille mein Leben, in dem auch das geschriebene Wort eine große Rolle spielt.
Dazu gesellt sich immer wieder die Natur als so wichtiges Lebenselixier. Und mein geliebtes Teehaus und ja, auch im Kaffeehaus lässt es sich gut aushalten.
Nachrichten nur noch sehr punktuell, denn sie sind schon lange nicht mehr zu ertragen. Die mordlüsterne Menschheit lässt mich zutiefst schaudern.
Liebe Grüße, C Stern