Ich war für ein paar Tage auf dem gefühlten Dach der Welt, auf einer einsamen Alphütte, 2500 Meter hoch. Eine Hirtin, 600 Schafe, drei Ziegen, drei Hühner, drei gigantische, furchterregende Herdenschutzhunde und ein Hütehund. Die Alp nur mit dem Hubschrauber erreichbar. Da wir keinen Hubschrauber griffbereit haben, müssen wir zu Fuß hoch, den angeblich gemütlichen Weg, dreieinhalb Stunden stramm bergauf, dann noch eine gute Stunde steil bergab, quer durch unwegsames Gelände ohne Markierung, ohne Wegweiser. Die Rucksäcke gefüllt mit frischem Obst und Gemüse für die Hirtin.
Ich schnaufe, keuche, schimpfe. Verfluche jeden Höhenmeter. Muß vielleicht so sein, wenn man von einer Welt in eine andere wechselt, denke ich bei mir.
Da oben geht es ausschließlich ums Existentielle. Essen, trinken, schlafen, arbeiten. Auf Sonne hoffen, damit es ein bißchen Solarstrom gibt. Auf Regen hoffen, damit das Gras wächst und die Schafe satt werden. Um 6 Uhr aufstehen, weil eine Ziege den Kopf durchs Fenster streckt, abends um Zehn müde auf die Matratze fallen. Kein Telefon, kein Radio, keine anderen Menschen weit und breit. Das ist schön. Unfassbar schön.
Auf dem beschwerlichen Rückweg muss ich an den entfernten Bekannten denken, Koch war er von Beruf. Und einen Lebenstraum hatte er sich vor Jahren erfüllt: einmal bei Starkoch Paul Bocuse essen gehen, irgendwo bei Lyon in Frankreich. Der Abend muß grandios, das Essen sensationell gewesen sein, jedenfalls sagte seine Frau danach den wegweisenden Satz: Das war so schön, da fahren wir nie wieder hin.
Jetzt bin ich wieder im Odenwald, das ist ein bißchen schade, aber auch irgendwie schön. Besser als von der einsamen Alphütte weit oberhalb der Baumgrenze direkt in eine Zweizimmer-Wohnung, dritte Etage Hinterhaus in irgendeiner lärmenden, stickigen Stadt.
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Zurück zuhause: erstmal an die Tankstelle. Während der Kraftstoff ins Auto blubbert, dudelt im Hintergrund das Tankstellenradio, der Nachrichgensprecher berichtet von gewalttätigen Ausschreitungen und irgendwas von Streubomben und Ukrainekrieg. Ich höre einfach weg.
Ey, willste Kaffee? Zigarette? Kleine Pause??, brüllt ein junger Typ vom Tankstellengelände Richtung gegenüberliegende Straßenseite. Einer von diesen Männern mit Dreiviertelhosen, Turnschuhen, Hipsterbart und extrem cooler Rapper-Schirmmütze. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite schleicht ein Mann, die Haare ungekämmt, ein Rucksack auf dem Rücken, eine dicke Plastiktüte in der Hand. Schon früh am Morgen ist es heiß, er ist viel zu warm angezogen, er schwitzt.
Der Mann bleibt kurz stehen, sieht den Odenwälder Rapper, der mit den Armen fuchtelt. Komm, Pause machen, ich lade Dich ein!, brüllt der rüber. Der Mann zögert, er sieht mißtrauisch aus, Komm, ich lade Dich ein!, schreit der Typ nochmal, der Mann gibt sich einen Ruck und überquert langsam die Straße, nickt. Ja, danke, sagt er zu dem Typen mit der Schirmmütze, dann gehen beide in die Tankstelle. Schön ist das, sehr schön.
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In aller Herrgottsfrühe mit den Hunden in den Wald. Solange es noch nicht zu heiß ist. Auf einer Wiese jagt ein Fuchs Mäuse, eine junge Blindschleiche kreuzt meinen Weg, wie ein Regenwurm so dünn ist sie, na, Du hast ja noch Einiges vor, sage ich vergleichsweise dämlich zu ihr. Im vermodderten, vertrockneten Schlamm überall Tierspuren, im Unterholz Geraschel, Gepiepse, – schön ist das. Einfach mal nicht nachdenken über all das andere, einfach nur still sein und gucken und hören. Ein bißchen Alphüttenweisheit mit in den Alltag rüberretten.
„Der Geist des Zen lebt nicht auf dem Berg, sondern im Tal“ (M. Pirsig, Zen oder die Kunst ein Motorrad zu warten)
Vielleicht muss man aber erst mal auf dem Berg gewesen sein, um im Tal dann den Geist zu treffen. Ich muss darüber nachdenken.
Bei uns geht es am Donnerstag ins Allgäu. Füssen, Forggensee und die Alpen im Hintergrund. Wenn das Knie bis dahin wieder tun Ordnung ist, freuen wir uns auch auf solche Touren. Im Moment (Sonntag 17 Uhr) freuen wir uns über Gewitterregen und Abkühlung. 22 Grad…
Wie schön … diese Erinnerung an viele Hochgebirgswanderungen “von Hütte zu Hütte” …
und Dankbarkeit dafür, den jetzigen Alltag in der Ruhe des Landlebens im Odenwald verbringen zu dürfen …