Ich werde ja immer mal wieder von Leuten gefragt, wie ich es auch beruflich so am vermeintlichen Ende der Welt aushalte. Besonders gerne fragen das coole Großstadt-Journalistenkollegen, die sich rund um die Uhr am Puls der Zeit und im Zentrum des Weltgeschehens wähnen. Sie fragen das mit einem milden Lächeln, das mir vermutlich vermitteln soll, dass ich so ganz richtig im Kopf ja nicht sein kann als Landreporterin.

Ich muss an dieser Stelle nicht schon wieder all jene Vorzüge des Landlebens aufzählen, die mir auch den Job zur reinen Wonne machen, ich will mich ja nicht wiederholen. Aber gestern nun kam tatsächlich ein weiterer, neuer Aspekt hinzu, der mich darin bestärkt, journalistisch lieber in der vermeintlichen Provinz zu arbeiten als im sogenannten Zentrum des Weltgeschehens. Meine körperliche Unversehrtheit. 

Ja, die Dame und die Odenwälder Herren auf dem Foto sehen alle durchaus friedlich aus, und sie waren es auch, ich kann da gar nichts anderes berichten. Aber sie befanden sich gestern eben im besagten Zentrum des Weltgeschehens, naja, zumindest so ein bisschen, und ich also mittendrin. Gemeinsam mit zwei anderen, ausgesprochen friedfertigen Odenwälder Zeitungskollegen und gefühlt 50 wichtigen und zu allem entschlossenen Großstadtjournalisten, die teilweise mit schwerem Gerät angerückt waren, um mal im Bundeswehrjargon zu bleiben.

Wir alle wollten live dabei sein, wie die abgebildete freundliche Dame auf einem niedersächsischen Truppenübungsplatz verkündet, dass a) zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung das Heer der Bundeswehr deutlich aufgestockt wird, und dass das b) nun ausgerechnet (und ausschließlich) im schönen Odenwald passiert, mit der Stationierung von mehr als 500 Dienstposten im kleinen Hardheim.

Dazu kann man nun inhaltlich stehen, wie man will, Bundeswehr hin oder her, Pazifismus, Feindesliebe, naja, Sie wissen schon. Fest steht aber, dass sowas für eine kleine Kommune im Odenwald ein ziemlicher Kracher ist. Infrastruktur, Konjunkturbelebung, Wirtschaftskraft, Einwohnerzahlen undsoweiter. Langer Rede kurzer Sinn: Das war nicht nur für uns Odenwälder Pomeranzenreporter äußerst berichtenswert, sondern auch für allerlei andere Journalisten. (Ob die nun überhaupt einen Schimmer haben, wo der schöne Odenwald liegt, darüber denken wir ein andermal nach.)

Als es im Eifer des Pressetermin-Gefechts und im äußerst straffen Zeitplan der Ministerin um Interviews, Fotos oder Videoaufnahmen ging, da rannte und drängelte plötzlich die wogende Journalistenmeute und vergaß jegliche Kinderstube. Es tauchten aus allen erdenklichen Richtungen nicht nur sperrige Filmkameras und Fotoapparate auf, sondern auch jede Menge Ellenbogen, die mich mal in den rechten, mal in den linken Rippenbogen trafen. Zweimal bedrängte mich rücklings ein anonymer Donnerbusen, einmal drückte ein journalistischer Bierbauch von hinten.

Mehrfach machte ich wider Willen die körperliche Bekanntschaft mit einer strammen Hüfte, die zu einem unrasierten Zwei-Meter-Kamera-Hünen gehörte, der mich mit kurzem professionellem Hüft-Schwung vom Platz schubste, den ich mir im Reportergewimmel doch eben erst mühsam ergattert hatte. Zunächst meinerseits ohne Einsatz körperlicher Kampfmittel, um das hier mal gleich klarzustellen, Pazifismus, Feindesliebe undsoweiter, ich bin ja ein Christenmensch. Also, ich war es zumindest, bis zu diesem Pressetermin.

Als ich mir dann wiederum den Weg zurück in die erste Reihe erkämpft hatte, vorbei an wogenden Leibern mit Kameras und gigantischen Puschel-Mikrofonen am Stiel, nun schon etwas weniger rücksichtsvoll, etwas weniger freundlich, um die beste Video- und Foto-Sicht auf die Odenwälder und andere Protagonisten zu haben, packte mich die kräftige Hand eines Ton-Manns an der Schulter und wollte mich zurück ins zweite Glied zerren. Nun habe ich nichts dagegen, wenn man mich mal kräftig anpackt, aber doch bitte nicht auf einem verregneten, modderigen Truppenübungsplatz unter freiem und bitterkalten Himmel und vor den Augen einer Bundesministerin. Und dann auch noch in Niedersachsen, also, ich bitte Sie.

Et reicht jetze, schnauzte ich den Kameramann an, ick bleibe hier jetz stehn, vastandn? Manchmal ist meine Berliner Herkunft mit dem dazugehörigen Dialekt ja doch von Vorteil, jedenfalls hielt mich der Kollege offenbar für eine Berliner Großstadtjournalistin mit entsprechendem Schandmaul und entfernte seine haarige Pranke unverrichteter Dinge von meiner Schulter. Ein gelungener Trick, den ich mir also für Fälle dieser Art merken werde.

Die Position erwies sich, nebenbei gesagt, als die schlechtestmögliche zum Filmen, die Frau Ministerin klemmte im entscheidenden Moment am rechten Bildrand und schaute nicht mal ansatzweise Richtung meiner (klick!) Kamera, aber bitte. Eher hätte ich mir den kameraführenden Arm abgehackt, als nochmal nach einem besseren Platz in der Meute zu suchen.

Sie ahnen, es war ein kräftezehrender Tag. In einem wilden Haufen wildgewordener Reporter eingekesselt zu sein, dabei nicht komplett die Beherrschung zu verlieren und hinterher die blauen Flecken im Rippenbereich als eine Art Trophäe zu bewundern, ich bin das schlichtweg nicht gewöhnt. Nicht mehr, gottlob. Ich bin hier im Wald gut erzogene, freundliche, solidarische und kooperative Kollegen gewöhnt. Ja, da staunen Sie.

So sei es, und so bleibe es, bis in Ewigkeit, Amen.

 

 

 

Ich habe übrigens aufgrund des kleinen Dienstausflugs gestern vergessen, die Hühner zu füttern. Als ich dann heute früh etwas gerädert ins Gehege kam, ging ein Geschrei und Gezeter los, man macht sich keine Vorstellung. Es spielen sich dann dramatische Szenen ab, und noch die friedlichste Henne wird plötzlich zur Hyäne. Da wird gehackt und getreten, und wenn Hühner Zähne hätten, würden sie sich mit deren Hilfe auch noch beißen. Oder kreischend an den Haaren ziehen, ach, was weiß denn ich. Hauptsache, als erstes am Futter. Nicht zu glauben. Keine Ahnung, wie ich da jetzt drauf komme, aber das wollte ich Ihnen doch auch noch berichtet haben. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

11 Kommentare zu “Hauen und Stechen.”

  1. Liebe Friederike, jetzt haste mal wieder gemerkt, wie ruhig und gesittet es bei uns hier zu geht ;-) Hauptsache, Du bist wieder gesund zuhause angekommen, und die blauen Flecken gehen wieder weg ;-)

  2. Ich habe teils geschockt, und teils verständnisvoll vor Ihrem Bericht gesessen.
    Da ich pro BW bin, kann ich gewisse Dinge nur gutheißen. (In der momentanen Lage sowieso, aber wir wollen ja keinen Roman schreiben.) Das vdL schon wieder mittenmang ist…eher nicht.
    Hauptsache ist, Sie sind wieder heile zurück!

    Jetzt ist Wochenende, hoffentlich können Sie es genießen!
    Franziska

  3. Toll geschrieben. Mir (Ingrid Eirich-Schaab) ging es genauso. Ich habe mich irgendwann nur stabil hingestellt und meinen Platz, den ich vor den ruppigen und heftig drängelnden Fernsehleuten eingenommen hatte, durch Standfestigkeit behauptet. Dadurch konnten sie ihre Fernsehkameras nicht mehr schwenken und mussten diese umstellen. Dann bin ich im entscheidenden Moment hinter sie gegangen und habe durch eine Lücke gefilmt. Das gab die besten Aufnahmen. Die Ministerin nicht vor ödem Matschplatz, sondern (im Bild) links und rechts eingerahmt von schweren Kameras und Mikrofonen. :)) Ja so hinterwäldlerisch, wie die „wichtigen“ Grossstadtkollegen meinen, sind wir nicht. Wie Friedericke schreibt: Hilfsbereit und kollegial. Und die Ergebnisse unserer Arbeit sind mindestens genausogut. :)). Wie schön ist es doch, auf dem Land zu leben (siehe alle weiteren Blockbeiträge von Friederike). Die kann ich nur unterstreichen. Euch allen eine schöne Adventszeit.

    1. Das war eine super Idee und super Bilder, mit der Lücke. Da war ich leider nicht drauf gekommen….

  4. Das schlimmste Pack sind Motorjournalisten.
    Ein Freund hatte als Medientechniker bei vielen Präsentationen und Automessen viele Gelegenheiten, diese Spezies kennen zu lernen.
    Schön in warme Gefilde fliegen, die teuren, von den Autofirmen bezahlten Unterkünfte beziehen und dann tagelang in den Protzkärren durch die Algarve oder Toskana kurven. Abends dick essen gehen und zum Schluss die vorgestanzten Textblöcke mitnehmen und daheim abschreiben.
    Und so lesen sich deren Elaborate dann auch.

  5. Bin ich froh, dass ich nicht darüber berichten musste! Der Lokaljournalismus hat schon seine Vorteile. Ich (hab schon im Studium gemerkt, dass aus mir aus solchen Gründen kein „richtiger“ Journalist mehr wird) bin auch aus der Großstadt aufs Land gezogen und kenne die mitleidigen Blicke – und die Vorzüge und die Hühner hab ich auch :-)
    Viele Grüße,
    Marlene

  6. ich habe jetzt doch mal geschmunzelt
    obwohl die blauen Flecke ja sicher nicht zum Lachen sind
    aber die Assoziation zu den Hühnern trifft ins Schwarze.. ;)
    noch eine schöne Adventszeit

    liebe Grüße
    Rosi

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