Artenvielfalt.

22. November 2016

Ich frage mich manchmal, wo die vielen Damen und Herren Naturschützer eigentlich leben. Vermutlich in Großstädten. In hermetisch abgeriegelten klimatisierten Neubauwohnungen. Anders ist nicht zu erklären, wieso sie dauernd von Artenvielfalt schwärmen. Von Biodiversität.

Wenn sie, wie unsereiner, auf dem Lande leben würden, also richtig auf dem Lande, dann hätten sie die Schnauze voll von Artenvielfalt. So wie ich.

Foto: Gerda Müller/pixelio
Foto: Gerda Müller/pixelio

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Im Grunde meines Herzens bin ich  ein ökologisch bewusster Naturfreund. Ich plaudere mit Zaunkönig und Kuckuck,  erziehe unerzogene Siebenschläfer und schichte Laubhaufen für wintermüde Igel auf, ich weiß Maiglöckchen (lecker) von Bärlauch (giftig, – oder umgekehrt?) zu unterscheiden und pflücke im Frühjahr Waldmeister und Knoblauchrauke.

Im Auftrag unseres Kamins und im Kampf gegen den Heizölverbrauch krieche ich durchs Unterholz und sammle fürs wärmende Feuer Kiefernzapfen und säge oberschenkeldicke Äste, die mein Geo heimlich aus dem Wald herauszerrt, aber was tut man nicht alles für Umwelt- und Naturschutz.

Aber ich hasse die Artenvielfalt. Ich meine, die Welt wäre in Ordnung, wenn es eine Spinnenart gäbe, eine Fliegenart und eine Art von Wanzen, Zecken oder Asseln. So hatte ich mir das zugegebenermaßen auch gedacht, als ich aus der Großstadt raus aufs Land zog. Aber ich hatte die Rechnung ohne die Artenvielfalt gemacht.

Foto: K.Wieland-Müller/pixelio
Foto: K.Wieland-Müller/pixelio

Nein, Im Keller lauern nicht die Spinnen – was schlimm genug wäre – :  im Keller (und im Garten und im Badezimmer und auch am Kopfende des Bettes)  lauern kurzbeinige Behaarte, haarlose Langbeinige, dicke Kurzhaarige und solche, die ihre langen Langhaar-Arme nach mir ausstrecken, das sind die Allerschlimmsten.

Ich trage in der Regel ein Bestimmungsbüchlein durch die Gegend und lerne alle Tier- und Pflanzennamen wie ein braver Streber, aber ich habe mich von Anfang an geweigert, der Spinnenartenvielfalt dergestalt zu huldigen. Es ist mir völlig wurscht, wie sie alle heißen, ob salticus scenicus oder Phalangium opilio, alles völlig überkandidelte Namen für diese sechsbeinigen Caligulas, ich schreie sie bloß an, je behaarter, desto lauter, und laufe dann schnell weg und hole Geo. Frauenselbstbewußtsein und Emanzipation sind mir in solchen Augenblicken auch ganz wurscht.

Foto: M.Mittenentzwei/pixelio
Foto: M.Mittenentzwei/pixelio

Das Gleiche bei den Fliegen: Sind Sie auch noch der Ansicht, es gäbe Fliegen? Ja? Einfach so, eine Art? Hahaha, selten so gelacht.

Es gibt dicke fette Brummer, die wie Drohnen durch die Küche dröhnen, es gibt die kleinen wendigen, deren frühmorgendliche KamikazeSturzFlugübungen in der Regel mit Hubschrauber- Getöse in meiner Ohrmuschel enden (da braucht man keinen Wecker mehr), es gibt die feinsinnig summenden, die sich offensichtlich für was Besseres halten und es aber  immer nur auf meine Nasenspitze abgesehen haben, und darauf, dass ich mich – wild und verbissen mit den Armen fuchtelnd und gegen einen unsichtbaren Feind kämpfend – , zum Trottel mache, und es gibt die grünglänzenden, bei deren Anblick ich (während sie majestätisch  über unser warmes Abendessen schreiten) sofort einen Schluck aus der Desinfektionsmittelflasche nehmen möchte.

Von der dicken Kaffeefarbenen, die mir neulich nach einem lecker Cappuccino im Mund herumsummte, will ich gar nicht reden.

Foto. Gerda Müller/pixelio
Foto. Gerda Müller/pixelio

Mein Leidensgenosse Gabriel Strobl könnte Ihnen vermutlich noch viel mehr solcher Geschichten erzählen. Der gute Mann war Priester und sammelte für das Naturhistorische Museum von Stift Admont in der Steiermark. Fliegen. Und Mücken. 7500 Arten hat er zusammenbekommen und insgesamt  80.000 Exemplare aufgespießt. Ein Anfang, immerhin. Ich kann es ihm nicht verdenken. Offenbar hat auch er auf dem Lande gelebt, und offenbar war auch er ein Feind dieser Art von Artenvielfalt.

Es sei denn, ich hätte da was falsch verstanden.

 

 

 

Dieser Beitrag ist vor zwei Jahren schon mal hier erschienen, und als ich gestern im Keller wieder einer dicken fetten Erna gegenüberstand, musste ich an ihn denken. Ja, ich nenne alle dicken fetten Spinnen Erna, aus Gründen. Bitte, wenn Sie Erna heißen, fühlen Sie sich nicht getroffen, es hat mit Ihnen nichts zu tun, rein gar nichts. Es ist eine ganz andere Geschichte, die ich Ihnen hier auf dem Blog ganz sicher nicht erzählen werde. Oder vielleicht doch, eines Tages, wenn mich mal der Hafer sticht. 

 

  • 30 Kommentare
  • Provinzei 29. Juli 2014

    Kann es nachvollziehen, hat doch meine Angetraute auch eine mords Angst vor z.B. Wanzen.
    Also nicht die, die einen stechen und aussaugen, die gibt es ja kaum. Zumindest in einem sauberen Haus bei einigermaßen trockenen Matratzen u.s.w. . ( Ja, warum gibt es eigentlich heutzutage nicht mehr “diese” Wanzen ? ) Egal, die anderen gibt es noch massenweise.
    Hier hilft ein Moskitonetz. Ist sowieso mega gemütlich. Wobei sich manche Leute darin eingesperrt fühlen. Einfach mal testen.

    • Friederike 29. Juli 2014

      Boah, die STINKWANZEN, die sind schlimm!

  • Astridka 29. Juli 2014

    :-D
    Als Hobbyentomologin liebe ich die Vielfalt der Insekten. Aber ich habe auch meine Grenzen, und die liegen auch bei den Spinnentieren wie Zecken & Erntemilben. Na ja: Stechmücken mag ich auch nur eingeschränkt…
    Lass dich nicht unterkriegen!
    Astrid

    • LandLebenBlog 29. Juli 2014

      Lass ich nicht! Wäre ja noch schöner, wenn das viechzeugs auch noch diesen Sieg davontrüge!

  • schneck 29. Juli 2014

    Endlich sagt’s mal jemand! Hier ist es dasselbe. Fürchterlich, was da alles in die (ebenerdige) Wohnung hineinkreucht. Übrigens, wussten Sie schon: Ein Mensch verschluckt im Schlaf unbemerkt auch ab und an mal eine Spinne, die nachts im Bett herumkrabbelt. Forscher gehen derzeit von ca. 30 Tieren pro Menschenleben aus. Dies jetzt aber schnell wieder vergessen!

    • LandLebenBlog 29. Juli 2014

      Oh!mein!Gott!!!! Das ist ja grauenhaft.

    • rosmarin 30. Juli 2014

      ja… endlich sagts mal jemand.
      blöderweise weigert sich selbst der nichtsnutzige hund, auch mal fliegen und spinnen zu verspeisen. mäuse werden gern genommen, aber bei insekten wendet sich selbst das tier genervt ab.
      herr schneck: das mit den im schlaf versehentlich verschluckten spinnen war jetzt aber ein böser witz?????

  • provinzei 29. Juli 2014

    Ach was !
    Fahr Fahrrad. Fleischeinlage garantiert.

  • provinzei 29. Juli 2014

    Noch was. Du bist eine tolle Fotografin !
    Vor allem die Fliege im 3. Bild. Respekt !

    • Friederike 29. Juli 2014

      Das war nicht ich. Solche Bilder macht meine Assistentin, Pix Elio.

  • Waltraud Kessler-Helm 29. Juli 2014

    ich hasse Spinnen…egal wie sie heissen oder aussehen. Naja mit Fliegen habsch keine probleme seit wir Fliegengitter haben. Doch verrat mir mal einer, wie diese fiesen 6- Beiner in Haus trotz Fliegengitter kommen???

  • Amélie 30. Juli 2014

    Mein Sohn würde beim Anblick der Spinnenbilder kreischen. So wie gestern im Garten… 2 Spinnen im Buddelkasten. Ein Schrei. Kind rennt wie von Sinnen durch den gesamten Garten. Ich dachte, er sei von einer Biene gestochen worden. Aber es waren nur 2 Weberknechte im Buddeleimer…

    • LandLebenBlog 31. Juli 2014

      Ferien auf dem Bauernhof scheidet also aus, wenn ich das richtig sehe. ;-)

  • Michael 31. Juli 2014

    Also, jetzt muss ich doch mal eine Lanze für die Spinnen brechen. Als ehemaliger Odenwälder weiß ich auch, wovon ihr sprecht. Ich sehe Spinnen aber tatsächlich anders seit Horst Sterns Bemerkungen über die Spinne. Muss um 1980 gedreht sein und ist sicher heute noch irgendwo erhältlich. Also, Spinnenphobiker aus Stadt und Land, geht auf die Suche. Dann seht ihr die Tiere mit anderen Augen und werdet auch feststellen, dass sie nicht sechs, sondern acht Beine haben.

  • LandLebenBlog 31. Juli 2014

    Acht?????

  • Micha 22. November 2016

    GROSSES Thema mit unseren Feriengästen (Platz zwei nach Wetter): Ängste. Ja, gibts denn Schlangen hier? Nein, wirklich, sogar den Schlangenadler? Ja, aber Skorpione gibts keine, oder doch? Zecken? Spinnen? Hornissen? Wespen? Und Stechmücken – habt ihr viele?…

    Wobei ich hier mir einen abmühe, mit den Spinnen näher zusammenzurücken. Als wären sie nix anderes wie Grashüpfer – und mir egal. An guten Tagen kann ich sie mit einem Tuch greifen und nach draußen setzen (die großen Kellerspinnen *Tusch*) an schlechten lasse ich das den Habib machen. Der braucht dafür kein Tuch. Und der Rolf (tiefergelegter, großer, ferrarischneller Tausendfüßler), der stört mich schon gar nicht mehr… Und im Sommer hänge ich die ästhetisch wertvollen Fliegenklebebänder auf – so gehts. Aber darüber, dass auf dem Land alles von heute auf morgen wieder verspinnenhuddelt aussieht, darüber kann ich nun wirklich aufregen…
    … ach, ein Thema, man könnte ja überall anknüpfen… :)

  • Katja 22. November 2016

    Wir hatten, als ich ein junges Ding war, beim Zelturlaub eine Hausspinne Namens Emma im Glas. Jene wurde liebevollst von uns mit Fliegen und Grashüpfern gefüttert, später aber wieder im Wald ausgesetzt.
    Meine Kinder sind glücklicherweise auch nie ängstlich gewesen. (“Spinnchen”)
    Wenn allerdings unerwartet etwas vor der Nase schwebt, … ach, lassen wir das. ;-)

    • LandLebenBlog 22. November 2016

      Nee, nee, das wäre echt nix für mich, Emma hin oder her. Ich reagiere nicht bei vielen Dingen hysterisch, bei Spinnen leider doch.

  • Provinzei 22. November 2016

    Spinnen im Haus sind ein Zeichen für gutes Raumklima.
    Also !
    Und im Herbst kommen die halt rein, weil es der Beute eben auch kalt wird.
    Eigentlich ganz logisch.
    Und dann gehen die halt ihrer Arbeit nach.
    Ungeziefer fressen.
    Und das machen die besser als Du.
    Also lass es gut sein.

    • LandLebenBlog 22. November 2016

      Alla guud. Hast ja recht.

  • Aqually 22. November 2016

    Jetzt hast Du es geschafft, ich habe Gänsehaut. Toll! Alles was mehr als vier Beine hat ist mir sowieso suspekt aber draussen hat das alles seine Daseinsberechtigung aber nicht bei uns drinnen. Das bezeichne ich dann als Hausfriedensbruch. ICH habe die alle nicht eingeladen, die immer unangemeldet bei uns durch die Bude steppen.
    Vor Jahren habe ich bei einer Hotelübernachtung das zweite Zahnputzglas über so einen ungebetenen Steppgast gestülpt und ihn erst bei Abreise am nächsten Morgen entfernt. Das Tier steppte dann ungerührt weiter über den Teppich und ich mit Schüttelfrost Richtung Bahnhof.
    Nein, wir werden keine Freunde.
    … und ich ziehe jetzt die dicke Jacke an.
    Schönen Gruß
    Aqually

    • LandLebenBlog 22. November 2016

      Hihi! ;-)

  • Rosi 22. November 2016

    hihi..
    wieder ein sehr humorvoller Beitrag.. ;)
    ich habe keine Probleme mit Spinnen..
    nur die Hauswinkelspinnen die ab und zu in meiner Wanne sitzen befördere ich an die frische Luft..
    und wenn die kleinen zu viel werden werden sie auch ausgekehrt..
    ich hatte jahrelang eine Hausspinne in der Küche oben in den Vorratsschränken.. die fing mir die Mehlmotten weg..
    ab und zu habe ich ein Invasion von Fleischfliegen (die grünen ) keine Ahnung warum..
    da helfen Köderstreifen und die Obstfliegen werden mit Apfelsaft geködert ; )..(etwas Spülmittel dazu)
    ansonsten hab ich Ruhe vor Plagegeistern..
    die Artenvielfalt mag ich sonst sehr..
    sie geht aber leider verloren.. diesen Sommer hab ich nur einen bunten Schmetterling gesehen (sonst nur Kohlweißlinge)
    und all die Vögel die früher in unserem Garten waren sind schon lange verschwunden :(
    liebe Grüße
    Rosi

    • LandLebenBlog 22. November 2016

      Mit den Köderstreifen kann ich mich ja nun nicht anfreunden, ästhetisch geht da noch was, finde ich.

      • Rosi 23. November 2016

        ich klebe sie unten auf den Fensterrahmen..
        man sieht sie kaum.. besser als früher die Klebedinger in denen ich mich öfter mal verfangen habe.. ;)
        LG

  • Provinzei 23. November 2016

    Es ist in der Tat ein von der Öffentlichkeit und somit auch von den Medien unbeachtetes Phänomen.
    Das nämlich die Insekten immer weniger werden.
    Eigentlich logisch. Wenn die Bienen verrecken, dann verrecken die anderen Insekten ja genau so.
    Und damit die Vögel, wegen Unterernährung.
    Damals, also vor ca.30 Jahren, da waren die Autos, was vor allem an der Windschutzscheibe gut zu sehen war, voll mit Insektenmatsch.
    Man musste tatsächlich regelmäßig die Scheibe putzen.
    Und heute ?
    Nichts mehr.
    Erschreckend, wenn man mal genauer darüber nachdenkt.
    Wir haben alles totgespritzt.
    Erst sterben die Fliegen, dann die Menschen, dann die Menschen wie die Fliegen.

    • Rosi 23. November 2016

      hmm jaa.. irgendwie hast du schon Recht
      aber ich rase auch nicht mehr so schnell über die Autobahn wie früher ;)
      LG

      • Provinzei 23. November 2016

        Früher war auch nix mit rasen !
        R 4 mit 34 PS.
        Oder Sparkäfer, ebenfalls mit 34 PS.
        Oder ganz schnell, Opel Kadett mit 44 PS, da ging was !
        Ne man, an der Endgeschwindigkeit liegt es mit Sicherheit nicht.
        Wir zerstören nachhaltigst unsere Lebensgrundlagen.
        So ganz langsam. Damit man nicht mal mehr selber seine Lebensmittel anbauen kann. Sondern irgend welchen Dreck aus dem Laden, aus dem Agrarlabor kaufen und somit auch essen muss. Und die Gewinne auch wieder schön an einem Punkt zusammen laufen.
        1984 war schon, Wir sind schon mehrere Schritte weiter !

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