Manchmal führe ich seelsorgerliche Gespräche. Eigentlich immer dann, wenn ich auf frisch-Zugezogene treffe. Auf zugereiste Frischlinge, quasi, die mitunter völlig orientierungslos durch Odenwälder Raum und Zeit schweben. Ich habe da eine Art Mission. Dränge mich den Leuten förmlich auf. Spreche Ihnen Mut und Zuversicht zu und lasse sie ihr Herz ausschütten. Sieh mich an, will ich ihnen enthusiastisch zurufen, ich habe es geschafft, Du schaffst es auch!, und im Geiste recke ich dazu die Beckerfaust. Yeah.

 

Und es soll tatsächlich Leute geben (die entsprechenden Erfahrungsberichte höre ich dann auch), die zu Integrationszwecken sonntags in den Gottesdienst gehen. Ja, liebe Schwestern und Brüder da draußen in den Kirchengemeinden, Ihr habt richtig gelesen. So erklärt sich manches. Das also sind die Fremden, die gerne heimisch werden würden; sind Euch ja vielleicht schon aufgefallen, die Neuen, die sich hinten in die letzte Bank drücken. Und auch Euch, liebe Schwestern und Brüder, rufe ich zu: Ihr schafft das! Eigentlich ist es ganz einfach, wenn Ihr die folgenden FAQs noch einmal gründlich durcharbeitet:

 

Oh Gott! Ein neues Gesicht in der ansonsten wohlvertrauten SonntagsRunde! Was soll ich tun?

Kein Grund, nervös zu werden. Kein Grund für Panik- oder Glotzattacken. Der beißt nicht, der will nur spielen. Und freut sich, wenn er an.ge.lä.ch.elt. wird. Ihr schafft das!

 

 

Oh, Du lieber Himmel, der nichtsahnende Trottel hat sich ausgerechnet auf dem Erwin seinen Stammplatz gesetzt, fünfte Reihe, zweites Drittel von rechts. Müssen wir einschreiten?

Nein. Erwin wird es überleben. Mit Eurer und mit Gottes Hilfe. Erwin hat sogar die einmalige Chance für ein großes Abenteuer. Zum ersten mal seit 38 Jahren kann er den Gottesdienst von vorne links verfolgen. Erwin wird sich wundern, wie neu das alles von da aussieht. Ihr schafft das!

 

 

Himmel hilf!, beim Ausgang im Gedrängel steht der Fremde plötzlich neben mir. Wie soll ich reagieren?

Auch hier: Kein Grund zur Panik, siehe oben. Lächeln hilft und ist nicht schwer. Ganz Mutige öffnen sogar den Mund und sagen irgendwas Belangloses. Wenn Sie sich für fortgeschritten halten, stellen Sie eine Frage. Wahlweise Oh, sind Sie neu hier? oder: Gefällt es Ihnen hier bei uns? Allerdings müssen Sie hier damit rechnen, daß der Angesprochene auch antwortet, Sie sollten Ihrer Sache also sicher sein.

 

 

Die Gemeinde überaltert langsam, und uns fehlen überall die Ehrenamtlichen. Wird der Neue nicht den Niedergang noch weiter fördern?

Aller Wahrscheinlichkeit nach: Nein. Wissenschaftler der Universität Eichstätt haben im Rahmen einer zwölfjährigen Langzeitstudienforschungsarbeit* nachweisen können, daß Neuzugänge in Kirchengemeinden sich manchmal sogar motivieren lassen, mitzuhelfen. Kleiner Schritt für Euch, großer Schritt für die Gemeinde undsoweiter. Ihr schafft das !

 

 

 

Ach so? Wißt Ihr alles längst? Und macht Ihr alles schon? Na dann: Yeah! (Beckerfaust.)

 

Ich hatte es ja einfach nur zur Sicherheit noch einmal sagen wollen.

 

 

 

*siehe hierzu auch: Schneider, Wiesinger et al: Handreichnung der EKD „Verhalten im Gefahrenfall“, Hannover, 1996.

 

 

 

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12 Kommentare zu “Beckerfaust.”

  1. Aber der Neue war doch früher noch nicht da, wahrscheinlich geht der nur wegen der Musik in den Gottesdienst. Der wahre Glauben ist doch auch in der Region verwurzelt, wenn einer schon von außerhalb kommt, stimmt doch sicher etwas nicht.

  2. Danke für die neuen Lachfalten:-) Mit dieser „Handreichung“ kann es doch mit der Migration garnicht schief gehen…oder doch?

  3. Ich finde die Neuen oder besser die Gäste bei Beerdigungen immer recht herzerfrischend.
    Sie setzen sich entweder in die letzte oder in die erste Reihe.
    Die in der ersten Reihe müssen ihren Status zeigen. Sie zeigen aber meist, dass sie schon ewig nicht mehr in der Kirche waren.

  4. Soso, von Berlin erst auf’s Land und dann in die Kirche.

    Lange machst Du’s da nicht mehr, so viel ist klar.

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