Fährmann, hol über.

12. August 2014

Ich bin schon manchen Umweg gefahren. Nur, um die alte Fähre benutzen zu können. Unten, im Neckartal. Bei Hassmersheim kann man auf ihr den Neckar überqueren.

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Man könnte das einfacher haben, ein paar Kilometer hin oder her, über eine schicke Brücke, einfacher, schneller und vorallem kostenlos. Aber ich mag die Fähre.

Ich mag das Geräusch, wenn die Vorderräder des Autos mit rumms auf die schweren Metallplatten aufsetzen und sie auf die feuchten Ufersteine drücken. Ich mag das Rasseln der Ketten, wenn sich die schwere Fähre in Bewegung setzt. Die leise Schlagermusik aus dem Führerhäuschen. Den Moment, wenn der urige Fährmeister das Geld kassiert und ich die Münzen in seine riesige Pranke lege, die schon manches Schiffstau festgezurrt hat, in vielen Häfen Europas.

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Ich mag den modrigen Geruch des Flusses, ganz nah. Das plätschernde Wasser und das klatschende Geräusch der kleinen Wellen, die die Fähre vor sich herschiebt. Die leichte Brise im Gesicht, wenn man mitten auf dem Fluß steht, die ungewohnte Perspektive auf das Ufer, auf die Odenwaldhänge, auf Burg Hornberg.  Ich mag die Langsamkeit und die Ruhe, die mir die Fähre aufzwingt.

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Um  es kurz zu machen: ich gehöre also zu diesen Sozialromantikern. Sozialromantiker werden hierzulande all jene genannt, die – zum Beispiel –  das Ende der alten Hassmersheimer Fähre bedauern. Und so, wie die zuständigen Politiker den Begriff Sozialromantiker aussprechen, ist es eher nicht als Kompliment gemeint. In strukturschwachen Gegenden ist für Sozialromantik wenig Platz. Alles muß vorangehen, alles erneuert werden, größer, schicker, schneller, besser. Abgehängt von der Entwicklung fühlen wir uns hierzulande ohnehin schon oft genug. Da braucht man nicht auch noch Sozialromantiker.  

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Vor fast 700 Jahren, 1330, wird die Hassmersheimer Fähre das erste Mal urkundlich erwähnt. Seitdem pendelt sie zwischen den Ufern, ackert sich quer zum Strom durch den Fluß, bringt Menschen und Fahrzeuge sicher hin und her. Die aktuelle Fähre zieht sich an Ketten und Seilen entlang zum gegenüberliegenden Ufer, bei Wind und Wetter. Nur nicht bei Hochwasser. Bei Hochwasser muß die alte Oberleitungs-Fähre passen, seit jeher. Das hat ihr letzten Endes ihr Ende bereitet. Nach fast 700 Jahren.

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Denn die Fähre wird nicht nur von Touristen genutzt, sondern ist zuallererst mal für all jene Hassmersheimer da, die morgens zum Zug müssen. Und der hält nun mal leider am anderen Ufer des Flusses. Bei Hochwasser muß also wieder das Auto her, und der ÖPNV muß auf Hassmersheimer Fahrgäste verzichten.

Weil die alte Fähre wetterfühlig und damit also unzuverlässig ist, und weil den Hassmersheimern ihr Weg zum Bahnhof leichter gemacht werden soll, gibt es jetzt eine schicke neue Fußgängerbrücke über den Neckar. Wenn sie offiziell eingeweiht ist, darf die Fähre noch eine Woche lang fahren, dann ist für immer schluß.  Die Galgenfrist läuft. Zu teuer, zu aufwändig ist der Betrieb. Nur was für Sozialromantiker. Die sozialromantischen Fährmänner, die die Fähre abwechselnd über den Fluß gelenkt haben, jahre- und jahrzehntelang, sie werden sich neue Jobs suchen. Oder auch in den Ruhestand gehen, so wie ihre alte Fähre. Und abends, bei einem Glas Bier, über den Vergangenheitsverlust nachdenken, auch wenn sie dieses Wort vielleicht noch nie gehört haben.

Und ich werde keine Umwege mehr fahren, auf der Suche nach ein bißchen Sozialromantik.

 

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  • 13 Kommentare
  • Christa Senberg 12. August 2014

    Das ist aber schade, dass die Fähre verschwinden muss. Mit der bin ich vor über 40 Jahren ganz oft zur Arbeit gefahren ins Zementwerk Haßmersheim. Und jede Fahrt war schön !

  • waldviertelleben 12. August 2014

    ach ja. ich lasse auch keine mögliche fähre aus. über die donau oder am moldaustausee. so viel sozialromantik muss sein.
    liebe grüße
    ingrid

  • Roswitha 12. August 2014

    Wir fahren sehr gerne mit der Fähre, mit Enkelkinder ein tolles Erlebnis, ohne auch! Und für den Preis der Brücke hätten noch viele Fährmänner beschäftig werden können, die Fähre entschleunigt wunderbar.
    Und wieder mal geht etwas verloren, was uns nicht auf die Minute planen lässt(warten, Hochwasser…), der “moderne Mensch”erträgt scheinbar nicht, wenn sich seinen Wünschen etwas entgegenstellt. Und Brücke fahren geht ohne kleines Schwätzchen mit Menschen, während auf der Fähre oft Menschen miteinander reden.

  • waswegmuss 12. August 2014

    Sozialromantik?
    In Frankfurt ist die Fähre Touristik.
    http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=3060&_ffmpar%5B_id_inhalt%5D=42049
    Ich zahle dann gerne meinen Euro an den Ferryman.

    Manchmal ist etwas weiter auch mal besser.

    • Stefan 17. August 2014

      Ja, Friederike. waswegmuss lenkt den Blick auf eine Möglichkeit zum Erhalt Eurer Fähre. Weshalb nicht das eine mit dem anderen verbinden: Fähre und Sozialromantik erhalten sowie die notwendige Finanzierung sichern. Macht doch gemeinsam eine gut und nachhaltig kommunizierte/beworbene Touristenattraktion aus dem, wie hier bereits so treffend beschriebenen, entschleunigten Über-Setzen der guten alten Zeit. Vielleicht möchte der eine oder andere Fährmann im Ruhestand seinen bestehenden oder bevorstehenden Ruhe- in einen Teilunruhestand verändern. Und möchte dafür keine Euronen sondern ist dankbar für den jeweils kurzen aber sozialromantischen und nachhaltigen Kontakt mit Euch im entschleunigten übersetzenden Gutgefühlszustand. Sprich, frag’ doch mal über Deinen Blog, wer Lust und Laune zu Einem entsprechenden Bürgerprojekt hat.

      Tolle Geschichte, Friederike, die mich zu solchen konkreten Gedanken und ungefragten Vorschlägen bringt

      • LandLebenBlog 17. August 2014

        Das wäre im Prinzip eine prima Idee, auf die die Leute vor Ort ja aber eigentlich selber kommen sollten. Wenn sie nicht schon drauf gekommen sind. Und irgendwer ihnen dann gleich wieder erklärt hat, warum das nicht geht. Seufz. Aber ich werde mich mal umhören, obs da Ansätze gibt. Derzeit gibts nach meinen Informationen nur den Wunsch, die Fähre zu verkaufen, damit sie wenigstens nicht auf dem Schrottplatz endet.

    • LandLebenBlog 17. August 2014

      Frankfurt ist eben auch keine strukturschwache Region. Da kann man sich Sozialromantik erlauben Oder so.

      • Bernd Raudenbusch 7. September 2014

        Am Fährmann liegt es sicher nicht. Ich , der Fährmann wäre schön bereit gewesen das Ding weiter zu betreiben , allerdings sehe ich keinerlei Chance .Anders sieht es aus bei dem Fährboot Patriot das ich für Rundfahrten anbieten möchte sofern die Gemeinde mitspielt.
        Doch noch ist nix entschieden. Jedenfalls fand auch ich den Beitrag richtig super. Der Verlust für die Gemeinde Hassmersheim ist von der Gemeinde noch nicht realisiert worden

        • Stefan 7. September 2014

          Hallo Herr Raudenbusch,
          liebe Friederike,

          bei diesem Kommentar erinnere ich mich an folgende Worte von Dir/Friederike: “Die Mühlräder sind winzig klein, und mit ein bißchen Kraft kann ich ihren Lauf für einen Moment anhalten und den rausholen, der da grade hilflos auf der Schaufel zappelt. Bevor er weggespült wird. Und es gibt einen Haufen Leute in der Provinz, die dauernd irgendwelche kleinen Mühlräder anhalten, oder Ströme umleiten oder gleich ganze Dämme bauen. Weil ihnen irgendetwas nicht egal ist. Haben vielleicht ausgerechnet wir auf dem Land, wir Provinznasen am Ende der Welt, es tatsächlich leichter, uns gegen die Resignation und gegen die Verzweiflung zu stemmen? Haben wir es leichter, irgendetwas zu bewegen, sinnvoll, zielführend, befriedigend? Ein spannender Gedanke. Ich werde darüber nachdenken müssen.” Zu lesen ist das hier, in einem der besten weil konkretesten Blogartikel von Dir/Friederike neben allen anderen den Odenwald im Speziellen und unser Dasein im Allgemeinen so lebensgeerdet beschreibenden Beiträge auf dem LandLebenBlog: https://landlebenblog.org/2014/08/12/faehrmann-hol-ueber/

          @Friederike: Vielleicht kannst Du ja mit professioneller Kommunikationsunterstützung Herr Raudenbusch hierbei unterstützen: “Anders sieht es aus bei dem Fährboot Patriot das ich für Rundfahrten anbieten möchte sofern die Gemeinde mitspielt. Doch noch ist nix entschieden. Jedenfalls fand auch ich den Beitrag richtig super. Der Verlust für die Gemeinde Hassmersheim ist von der Gemeinde noch nicht realisiert worden.”

          Dann wären doch auch Deine Worte erfüllt: “Und es gibt einen Haufen Leute in der Provinz, die dauernd irgendwelche kleinen Mühlräder anhalten, oder Ströme umleiten oder gleich ganze Dämme bauen. Weil ihnen irgendetwas nicht egal ist.”

          Lieben Gruß
          Stefan

          • LandLebenBlog 7. September 2014

            Von dieser Patriot-Geschichte weiß ich noch nichts, aber ich werde mal nachhorchen. ;-)

  • Bernd Raudenbusch 27. September 2015

    Nun ist es mit dem Patriot doch was geworden und die Rundfahrten sind so was wie ein Fährle Ersatz. Mir machts einen Riesenspass und das kleine Böötchen wird von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen geliebt. Es ist auch schön etwas bewegen zu können einfach zum Spaß ohne auf Gewinn und Rendite achten zu müssen. Schön ist es Freude bereiten und Erfolg zu haben. Der Artikel über Fähre und Patriot sind wunderschön geschrieben . Danke.
    Bernd Raudenbusch Exfährmann und Kapitän Patriot
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    • LandLebenBlog 27. September 2015

      Oh, das freut mich! Ich komme gerne mal wieder an Bord!

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