In aller Herrgottsfrühe gestern auf den Katzenbuckel gestiegen. Sechshundertirgendwas Meter hoch. Höchster Berg im Odenwald, quasi vor der Haustür. Nur einen Katzenbuckelsprung entfernt. Bei der Aussicht vom Turm muß man überwältigt nach Luft schnappen. (Könnte aber auch an den 2951 Stufen hinauf liegen).
Die Aussicht – schon 1000mal fotografiert. Aber immer wieder schön. Immer noch schön. Die Bilder sollte man aufheben, und eines Tages wird man sie angucken und sagen „Weißte noch?“
Wenn alles so geht, wie es sich die Investoren vorstellen, dann stehen hier demnächst zwölf Windräder, hübsch verteilt im „Markgrafenwald“. 210 Meter hoch. Wenn ich richtig rechne, werden sie den Aussichtsturm deutlich überragen, und man wird dann nicht mehr hinunter in die Wälder, sondern nach oben auf die riesigen Rotoren schauen. So, wie die Dorf-Bewohner unten in einem der engen Täler, die werden dann auch nicht mehr den Himmel sehen, sondern die rotierenden Flügel.
Ich bin für den Atomausstieg. Und für die Energiewende. Und die Menschen und die Natur müssen halt auch Opfer bringen, haben die Grünen gesagt. Aha. Naja.
Rund um unser Dorf sollen auch drei Windräder aufgestellt werden. Gegen die Pläne hatte niemand etwas einzuwenden, hundertfuffzigirgendwas Meter hoch, damit kann man leben, wenn man die neuen Energien unterstützen will. Aber kaum hatten die Investoren die Baugenehmigung quasi in der Tasche, haben sie es sich anders überlegt: Nicht hundertfuffzigirgendwas, sondern zweihundertzehn Meter hoch, alles andre macht ja keinen Sinn, ha, ha ,ha – fällt uns eben ein. 700 Meter vom Ortsrand entfernt. Schlagschatten und Geräuschkulisse inklusive. Jetzt gibt es wütende Proteste, und die Investoren wundern sich. Wie überall im Land.
Meine Freunde in der Stadt finden die Energiewende auch prima. Windkraft, Biomasse, Sonne. Kommt alles vom Land. Aus der Provinz. Da her, wo es noch jede Menge Platz und jede Menge Felder und jede Menge Licht und gute Luft gibt. Da wird der strukturschwache Raum plötzlich zur Goldgrube. Die armen Verwandten zu gefragten Partnern. Schließlich kann auch hier der eine oder andere sich eine goldene Nase verdienen mit der Energiewende. Und für alle anderen gilt – siehe oben – : Menschen und Natur müssen halt Opfer bringen.
Ein Bauer hat neulich gesagt, das erinnere ihn ein bißchen an die Zeiten nach Kriegsende. Als die da unten im feinen Heidelberg nichts zu beißen hatten, erinnerten sie sich an die krummbucklig- Verwandtschaft da oben im Wald. Mit denen hatte man zwar ewig nichts zu tun haben wollen, aber die hatten die Kartoffeln. Also schleppten die Heidelberger zu Fuß ihre wertvollen Perserteppiche in den Odenwald, machten einen auf Wiedersehensfreude, tauschten die Teppiche gegen Eßbares, bedankten sich vieltausendmal und zogen wieder ab. Gehört haben die Bauern von denen nie wieder was, und was sie mit dem blöden Perserteppich anfangen sollten, wußten sie dann auch nicht mehr.
Ja, ich weiß, der Vergleich hinkt. Trotzdem hat er mich beschäftigt.
Und nein, ich weiß auch nicht, wie man das mit der Energiewende besser hinkriegen kann.