Früher hat Robert Benz den Leuten was von Zinssätzen und Aktien erzählt, von Tagegeldkonten und langfristigen Anlagen. Davon, daß man seine Finanzerträge sichern muß, vielleicht sogar in Immobilien. Robert Benz trug einen dunklen Anzug und eine dezente Krawatte, als Banker muß man ja seriös sein.
Heute läuft Robert Benz in Jeans und T-Shirt durch die Gegend. Und lagert einen Gutteil seines eigenen Jahreseinkommens in Müllsäcken. Zumindest vorübergehend. Und redet nicht mehr über Tagegeldkonten, sondern über Faserdichte und Fadenqualität und lauter solches Zeug.
Vor ein paar Jahren haben Robert und Ulrike Benz der Stadt den Rücken gekehrt. Er war Banker, sie Bürofachfrau. Das hat uns nicht wirklich glücklich gemacht. Also raus aufs Land, nach Kaltenbrunn, einem Nest bei Walldürn im Odenwald. Von Landwirtschaft hatten wir keine Ahnung, und mit Pflanzen stehe ich auf Kriegsfuß, sagt Ulrike Benz. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um hier im Niemandsland den Lebensunterhalt zu verdienen.
Dann haben die beiden ihr erstes Alpaka getroffen, und weil Alpakas extrem sympathische Tiere sind, war es um uns gleich geschehen. Da kannste Dich nicht mehr wehren, sagt Ulrike Benz lachend. Aus zwei Alpakas hinterm Haus, direkt an der Terrasse, ist inzwischen eine ganze Herde geworden, neunzig Tiere, verteilt auf mehrere riesige Weiden.
Von Alpakas hatte damals kaum jemand eine Ahnung, da musste sich jeder erst reinarbeiten. Insofern war es ganz egal, daß auch wir da blutige Anfänger waren. Das Ehepaar Benz las und lernte und fragte und ließ sich von erfahrenen Kollegen beraten.
Regelmäßig werden die Tiere inzwischen von einem eigens eingeflogenen Profi aus den USA geschoren, der in Deutschland die Alpaka-Züchter abklappert. Die Wolle ist so wertvoll, da darf auch beim Scheren nur ein echter Fachmann ran. Auch Zuchttiere verkaufen die beiden. Und Alpaka-Kleidung. So leben sie ganz gut in Kaltenbrunn, am vermeintlichen Ende der Welt.
Eines Tages zurück in einen Bürojob? Unvorstellbar.
Man könnte glatt neidisch werden.
Was wäre die Welt ohne Idealisten und Träumer und Ausprobierer und Visionäre? Ich liebe sie alle, jene, über die viele sicherlich lächeln.
Die Alpakas sind entzückend und so süß. Auch mit Schur. Neidisch bin ich trotzdem nicht. Ich sehe viel viel Arbeit und Verantwortung.
Hier im Dorf gibt es eine kleine Lamaherde. Auch Idealisten. Von ihnen werde ich noch so manches künftig berichten können, denn sie haben große Pläne. Die Lamas sind knuffig und kuschelig und sie verbreiten eine fast therapeutisch wirkende Gelassenheit.
Man könne neidisch werden …
:)
Naja, viel Arbeit und Verantwortung hat unsereiner jetzt ja auch schon. Bloß mitunter in einem stickigen Büro, mit spuckenden Kollegen, nicht mit süßen Alpakas unter freiem Himmel. ;-)