Also, wenn ich ein Huhn wäre, sagt mein Geo morgens am Frühstückstisch, also, wenn ich ein Huhn wäre, würde ich dem Hahn ja irgendwann eine scheuern. Das sind so die Gespräche am Heiligen Sonntag auf dem Lande. Ich gebe zu bedenken, dass es vermutlich auch in der Nachbarschaft genug Leute gibt, die unserem Hahn gerne mal eine scheuern würden, der Gute fängt um 4 Uhr 30 morgens an zu krähen, als ginge es um sein Leben, und vermutlich hört man das im halben Dorf. Und die armen Hühner sitzen doch direkt neben dem auf der Stange, denkt mein Mann weiter laut nach, die müssen doch einen Hörsturz bekommen. Offensichtlich sind Hühner mit einem Trommelfell aus Stahl ausgestattet, ich habe darüber zugegebenermaßen noch nie nachgedacht, und wir vertiefen das Thema dann auch nicht weiter.
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Ich für meinen Teil wäre manchmal gerne mit Herz und Seele aus Stahl ausgestattet, beruflich zumindest. Ich hatte da mal wieder einen Strafprozeß zu begleiten, das passiert ja leider regelmäßig, das Böse, das Vergehen, die Abgründe sind immer und überall, selbst in der vermeintlichen Provinz. Das üppig bühende Bäumchen auf dem Foto ganz oben steht vor dem Gerichtsgebäude und tut mit satten knalligen Farben so, als gäbe nur Friede, Freude, Eierkuchen auf der Welt, aber das stimmt ja gar nicht. Und ich frage mich, was Angeklagte denken, wenn sie auf dem Weg in den Gerichtssaal dieses Bäumchen sehen, ob sie es zynisch finden, oder ob diese Farbenpracht schmerzt, in den Augen und im Herzen, aber vielleicht sehen sie das ja auch überhaupt nicht.
Ich sitze also da auf einem dieser harten Holzklappstühlchen und soll einmal mehr in Abgründe schauen und darüber berichten, ich will aber nicht mehr in Abgründe schauen, ich hätte gerne mal heile Welt, zumindest für eine Woche, oder wenigstens ein paar Tage, man wird ja bescheiden. Das Gericht schließt noch vor der Anklageverlesung die Öffentlichkeit aus, weil die Abgründe tief und die Vorwürfe scheußlich sind, es geht um Intimsphäre und Persönlichkeitsschutz, und mir ist es recht. Ich habe einen geschenkten Vormittag, aber heile Welt sieht anders aus.
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Dann lieber gefühlte heile Welt an einem lauen Sommerabend im Garten von Freunden, es gibt Gegrilltes und gute Gespräche, und wir alle tun für ein paar Stunden so, als wäre ein lauer Sommerabend im April das Normalste von der Welt. Zwischendurch einfach mal gemütlich ins Feuer glotzen und nicht immer der Realität ins Auge, naja, Sie wissen schon.
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Studenten der Hochschule in der kleinen Großen Kreisstadt haben im Rahmen ihres online-medien-Studiums einen Film drehen müssen, für Viele der erste ihres Lebens. Ob ich mitmache als Protagonistin, hatten sie mich vor ein paar Wochen gefragt, und ich hatte zugesagt. Man muß ja die Jugend in ihrer Ausbildung unterstützen, nicht wahr. Sehr nette Jungs, wir hatten viel Arbeit und aber auch viel Spaß miteinander. Am Freitagabend war Premiere der insgesamt acht Filme des Studiengangs, so richtig mit Häppchen und Sekt, und die Studentinnen in langen Abendkleidern.
Falls Sie das Ergebnis mal anschauen und ein bisschen was über die Frau Landlebenblog erfahren möchten, bitte sehr: Klick! Hier entlang. (Überhaupt das mal genauer anschauen, die ganze Reihe der StadtLandFlussGeschichten ist sehenswert, da sind ein paar tolle Filme über tolle Menschen dabei.). Im Übrigen ein immernoch sehr eigenwilliges und befremdliches Gefühl, sich selber auf einer Leinwand zu sehen und zu hören.
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Gemütlich sollte der Sonntag werden, daraus wurde nun leider nichts, die Katze zeigt von Jetzt auf Gleich deutliche Anzeichen schwerwiegender Zahnschmerzen. Wer Zahnschmerzen hat, hat zu jeder Tages-und Nachtzeit meine volle Solidarität, völlig unabhängig vom Ansehen der Person. Mit Von-Zahnweh-Geplagten fühle ich mich innerlich verbunden, da kennt meine Empathie keine Grenzen. Also zum Tierarzt.
Still und leer ist die riesige Praxis, die mehr Klinik als Praxis ist, ein Kleintierzentrum mit einem Dutzend Behandlungszimmern, Krankenstationen, einem Wartebereich so groß wie ein Ballsaal. Außer mir wartet da noch ein älterer Mann, ein stämmiger Hüne von gefühlt zwei Metern, ein Typ wie ein Fels in der Brandung, vor sich einen winzig wirkenden Katzenkorb. Uns ist nicht mehr zu helfen, sagt er, als ich ihn frage, was die Katze hat, die Katze ist alt und voller Tumore und seit heute kann sie nicht mehr aufstehen, ich werde wahrscheinlich ohne sie hier wieder rausgehen.
Ach, ach!, sage ich, etwas Besseres fällt mir nicht ein, und so beenden wir das Gespräch. Der Mann ist mit sich und der Katze beschäftigt, er langt mit der riesigen Hand in den kleinen Katzenkorb und streichelt die struppige alte Katze, er flüstert mit ihr und streichelt und streichelt. Um uns herum ist es totenstill, man hört nur sein Flüstern und die Geräusche der Katze, mal schnurrend, mal röchelnd.
Als er aufgerufen wird, sage ich Alles Gute Euch beiden!, aber er hört mich gar nicht.
„StadtLandFluß“-Geschichten — nur zu empfehlen! Es war wirklich ein sehr schöner Abend.
Erst mal mit nem Lachkrampf wegen Hahngespräch fast von der Bettkante gekippt, dann gesoifzt, Abgründe, noch mehr gesoifzt über den Hühnen und seine alte geliebte so kranke Katze und schliesslich beim Film mich gefreut, zu dem schönen Blog jezze auch eine Stimme, ein Gesicht und die Gummistiefel zu kennen. Ach schön. Froi. Dank je wel (heute grade von Flandern heimgekommen, sind noch bisschen halb dort und morgen wieder Büro, örgs. Der Artikel hat mich freundlich gelandet-geerdet. Grins.
Jaa – die Gummistiefel. Die sind ja so eine Art Erkennungszeichen. Sehr gelungen die filmische Begleitung. Habe gerne zugeschaut.
So also arbeitet eine Lokal/Regional-Rundfunkreporterin. Toll gemacht. Eine von uns aus der DJS München, Berliner Klasse. Wo uns doch unsere beruflichen Wege hingeführt haben. Dich in den Odenwald. Mitten ins Geschehen. Respekt.
Sehr schöner Film, gerne gesehen!
Und gerne lese ich ja sowieso immer hier!
Bei gefühlt zwei Meter großen Hühnen und Hühnern bin ich jetzt doch verwirrt. Welche Rechtschreibreform habe ich da verpasst?
https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%BCne
Das müssten Sie aber besser können.
;-) Danke für den Hinweis!
Den Hinweis auf die Rechtschreibung kann man geben. Den letzten Satz empfinde ich aber als unangenehm belehrend und unnötig.
Schön, dich per Film zu erleben! Gut gemacht, finde ich den. Erinnerungen kamen dann auch noch auf, bin ja seit 2017 nicht mehr im Odenwald gewesen.
Liebe Grüße, auch an den Gatten!
Astrid
Wow, deeply impressed.
Danke, für Texte, Fotos und die Erinnerung an die StadtLandFlussGeschichten.
Liebe Grüße, Marion
Ein Hoch auf den Exotenstatus und auf einen schönen Film!
Mehrere Stunden in einem Gerichtssaal habe ich auch vor Jahren verbracht, als Zuseherin eines aufsehenerregenden Prozesses. Die Verhandlung verlief dann völlig anders als die Fachleute zuvor gedacht hatten. Danach auch noch zwei kleine Verhandlungen erlebt, nicht besonders angenehm, meine Anwesenheit war allerdings notwendig. Ja, bei Gericht kann man wirklich in Abgründe blicken!
Den Film habe ich natürlich mit großem Interesse gesehen :-)
Und die Katze ist hoffentlich wieder wohlauf!
Liebe Grüße aus dem Nachbarlande, C Stern