Nochmal schnell den Winter geknipst, bevor er wieder davonschmilzt. Die Wege im Wald sind tief zerfurcht und knüppelhart gefroren, als wollten sie es dem Wanderer besonders schwer machen, als wollten sie Eindringlinge abwehren. Da habt Ihr aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, sage ich zu den widerborstigen Wegen und kämpfe mich knarzend und knirschend voran. Ich habe die (Klick ) weltbesten Schuhschneeketten, da werde ich mich von ein paar eisigen Verwerfungen doch nicht abhalten lassen. Ja, das ist Werbung, wie immer unbezahlt, aber mit voller Inbrunst. Ich kann nicht verstehen, wie Menschen im Winter wacklig und unsicher über Schnee und Eis eiern, wo es doch diese Dinger gibt.

Ganz still ist es im Wald, nur zu hören also das Knarzen und Knirschen meiner Schritte. Hin und wieder ruft ein Vogel. Ich liebe das ja sehr: die Einsamkeit, die Ruhe, das scheinbar Unberührte. Vielleicht nehme ich beim nächsten Mal tatsächlich noch eine Kanne heißen Kaffee und ein paar Kekse mit. Und dickere Socken.

A propos dicke Socken und Schnee: Da fällt mir die Berliner Sportlehrerin ein, die uns im Winter barfuß draußen um den Fußballplatz laufen ließ. Zweimal, dreimal, fünfmal. Zur Abhärtung. Ich erinnere mich an blaue Füße und weinende Klassenkameradinnen und eine grinsende Lehrerin. Sport muß wehtun, pflegte sie zu sagen. Die barfüßigen Runden im Winter machten mir wenig aus, der stechende Schmerz ließ irgendwann nach, ich hielt das aus, schon aus Trotz und mit zusammengebissenen Zähnen. In Leichtathletik war ich gut, bei Wettkämpfen oft die Beste. Basketball-Leistungssportlerin. Da konnte sie also mir nix. Dafür quälte sie mich in der Halle umso mehr, beim Boden- und Geräteturnen. Zynische Häme, wenn ich etwas falsch gemacht hatte, jedes Mal, immer wieder.

An all das mußte ich auch denken, als ich neulich in einem winzigen Dorf beim Vorschulkinderturnen war, dienstlich. Allein der Blick ins Gerätelager, allein der Geruch verursacht mir augenblicklich Übelkeit. Übelkeit und Zorn. Der Reporter Martin Gommel hat zum Trauma Schulsport mal eine Umfrage gemacht, das können Sie (Klick!) hier nachlesen, falls Sie das interessiert. Und wenn Sie Schulsport immer super fanden: Herzlichen Glückwunsch, das ist echt beneidenswert.

Und wie großartig, dass das heute anders geht. Das Vorschulkinderturnen in dem kleinen Sportverein im winzigen Dorf ist zuallererst ein großer Spaß für alle Vorschulkinder, der Verein macht keinerlei Werbung und ist trotzdem immer ausgebucht. Die Kinder kommen aus der ganzen Umgebung, und es ist völlig wumpe, ob sie zu groß oder zu klein, dick oder dünn sind, ob sie reden können oder taubstumm sind, ob sie Deutsch sprechen oder Ukrainisch oder Russisch oder Kisuaheli, ob sportlich oder nicht. Entwicklungsverzögert, autistisch oder ganz „normales“ 0815-Exemplar: Die Trainerinnen geben jedem Kind die Aufmerksamkeit, die es braucht, es wird gelobt und gejubelt bei jedem noch so kleinen Fortschritt, und alle sind am Ende ausgepowert, stolz und glücklich. In Berlin oder Hamburg oder so würde man sagen, Der Verein legt Wert auf Diversity, oder irgendwie so, aber hier heißt das Angebot einfach Turnen für Alle. Eine sehr coole Sache, mitten in der angeblichen Provinz, ich habe da eine Weile zugeschaut und dann war ich sehr, sehr neidisch, rückwirkend.

10 Kommentare zu “Dies und Das an einem Donnerstag”

    1. Hallo Waltraud,
      scroll nochmal nach oben.
      Dort wurde ganz komfortabel der entsprechende Link gesetzt . 😀

  1. Das sind wunderschöne Winterbilder! Hach!

    (Und beim letzten Bild habe ich sofort einen ganz spezifischen Geruch in der Nase, kein angenehmes Aroma, nein, aber der gehöört für mich zu dem Zeug dazu.)

  2. Den Winter musste ich vor zwei Tagen auch noch mit der Kamera „festhalten“, denn er verabschiedet sich langsam wieder. Die nächsten Wochen werden wieder deutlich über 0 Grad liegen, weshalb es wohl wieder ein grünes Weihnachten in Tallagen geben wird.
    Schuhe mit eingebauten „Eiskrallen“ hatte ich auch schon, das war praktisch – einfach nur zum Ausklappen.

    Sportunterricht, der benotet wird, das finde ich höchst hinterfragenswert. Der eingestellte Bericht zum thematisierten Trauma erinnert mich stark an eigene Erfahrungen bzw. Beobachtungen: Ich erinnere mich sehr deutlich an unseren Schwimmunterricht mit einer Professorin, die kurz vor ihrem Pensionsantritt stand. Sie hat sich wortreich darüber ausgelassen, dass ich nicht vom Turm springen wollte, selbst stand sie tiptop gestylt mit Föhnwelle und roten Lippen sowie mit Stöckelschuhen bewaffnet am Beckenrand, ohne auch nur den kleinen Zeh ins Wasser zu halten – und ich wette, sie war keine besonders gute Schwimmerin. Auch im Turnunterricht konnte sie als Schwergewicht nichts vorturnen, aber Kinder verbal ‚runterziehen. Ich erinnere mich auch an eine Schulkollegin, die regelrecht Angst hatte vor Leichtathletik und jedes Mal sehr geweint hat. Das hat einige Kolleginnen dazu veranlasst, dieses Mädchen auszulachen. GRRRR!
    Definitiv, der Geruch von Turnhallen bringt keine guten Erinnerungen – auch nicht für mich.

  3. Mal wieder Danke für beides: Wunderbare Bilder und Mitteilung ’sportlicher‘ Erfahrungen.
    Wie bedauerlich, daß die Chance so oft vertan wird, Kindern und Jugendlichen die Erfahrungzu vermitteln, wie schön, gut, letztendlich entspannend und auch gesund Sport und damit Bewegung sind.

  4. Liebe Friederike, vielen Dank dafür, das Thema „Turnhalle“ und „Schulsport“ aufzugreifen. In meiner Arbeit als Zirkuspädagogin habe ich öfter den Eindruck, meine Aufgabe liegt insgeheim darin, ein positives Verhältnis zu Turnhallen aufzubauen (oder wiederherzustellen). Und das geht, sogar ganz oft und in jedem Alter, wenn man ehrliche Einladungen ausspricht statt Druck und Zwang. LG Marion

  5. Ich kenne beim Sport beides: der Turnsport im Dorf, ehrenamtlich, unermüdlich, leider nichts für eine Bohnenstange und eher demotivierend (war aber auch egal und mein Körper profitiert da heute noch von), den ekelhaften Sportler, der sich gern über die Mädchen lustig machte, die strenge und fordernde Sportlererin, die „rübergemacht hatte“ und uns mit Zirkel Training triezte (aber fair war!) und dann eine junge Tanz- und Sportlehrerin deren Grundaussage war: wer sich hier bemüht bekommt keine schlechte Note! (wir haben sie geliebt! und es gab fast nur Einsen und zweien)
    Abgesehen davon: zauberhafte Winterbilder
    Liebe Grüße und schon einmal einen schönen zweiten Advent
    Nina

  6. „Turnen für alle“, wie wunderbar!! Danke für den Link zum Artikel über die Umfrage! Auch ich habe Schulsport eher gehasst und erst mit 36 Jahren entdeckt, dass ich gar nicht unsportlich, sondern eigentlich sehr bewegungsfreudig bin, und das regelmäßige Joggen angefangen, und Yoga.
    Immerhin hatte ich in der Berufsschule Glück, wo Sport zwar Pflichtfach war, aber die Lehrerin uns einfach Bewegung verschaffen wollte, viel über Dehnung und Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit beibrachte, und ab und zu abstimmen ließ, worauf wir Lust hatten (Völkerball und Ähnliches).
    Bundesjugendspiele waren für mich zur Schulzeit der Gipfel der Demütigung. Ich bin für Sportunterricht ohne Benotung, der einfach Freude an Bewegung vermittelt. Aber ob ich das noch erlebe…

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