Ich habe Ihnen nochmal ein bißchen Herbst mitgebracht, aus dem Wald. Ich werfe Ihnen gleichsam ein bißchen Farbe zu, das kann ja nie schaden. Und Herbstglotzer habe ich Ihnen mitgebracht. Oder Herbschtglotzah. Die glotzen teilweise sehr dumm aus der Wäsche, wegen Wärme. Zehn, zwölf Grad, das ist jetzt nicht soooo irre warm, aber für Odenwald, Anfang November, schon rekordverdächtig.
Das Schlimme an Herbstglotzern ist, dass – wenn man einmal anfängt, nach ihnen Ausschau zu halten -, es wie eine Sucht wird. Schlimmer als beim Pilzesammeln. Auf der Suche nach Herbstglotzern glotze ich nur noch auf den Boden vor mir, ich gehe tief gesenkten Hauptes und krummbucklig durch den schönen Herbstwald und habe keinerlei Augen mehr für seine Schönheit. Andererseits entpannt Herbstglotzersuchen ungemein, ich kann das also durchaus empfehlen.
Ja, danke der Nachfrage, ansonsten gehts mir gut. Obwohl ich den halben Tag in einer vergleichsweise großen Stadt unterwegs war. Herrjeh. Überall Autos, Busse, LKW. Nehmen Sie einen der 17 linken Fahrstreifen, flötet die Tante im Navi, rechts, links, vorne, hinten rauschen die Autos an mir vorbei. Diese ganze Stadt scheint nur aus vielspurigen Straßen zu bestehen, aus Straßen und gigantischen Einkaufszentren. XXXLUTZ brüllt mich eines der riesigen Gebäude an, MÖBELSPILGER ein anderes. Ich wüsste gar nicht, was ich da kaufen sollte.
In einem Gartencenter, so groß wie mein Odenwälder Heimatdorf, hole ich einen Milchkaffee, auf dem Weg zur Theke komme ich an einem künstlichen Teich vorbei, in dem weiß und rot gefleckte, fette Fische schwimmen. Durch einen Schlitz in der Glasumrandung soll man Futter in den Teich werfen. Ein kleines Mädchen drückt sich an den Glaselementen die Nase platt. Außer ihr scheint niemand den künstlichen Teich und die fetten Fische besonders außergewöhnlich zu finden, und ich tue auch völlig unbeteiligt, muß ja nicht jeder wissen, dass ich soetwas schon jahrzehntelang nicht mehr gesehen habe.
Dann wieder rein in den motorisierten Wahnsinn, rechts abbiegen!, befiehlt die Navi-Tante, im Kreisverkehr fünfte Ausfahrt nehmen!, mein Geo will irgendwas wissen oder mitteilen, Ruhe jetzt!, rufe ich, ich muß mich konzentrieren.
Ich bin das alles nicht mehr gewöhnt. Kann es aber noch, irgendwie. Und wenn gar nichts mehr geht, ich an der Ampel ganz links stehe und merke, dass ich doch ganz rechts rüber müsste, dann blinke ich einfach, fahre los, halte den gesamten Verkehr auf und mogle mich irgendwie an allen anderen Autos vorbei. Die Leute glotzen dann wie die Herbstglotzer, aber es klappt immer. Ein KfZ-Kennzeichen mit drei Buchstaben wirkt da meistens Wunder. Die anderen Autofahrer haben Mitleid oder Angst vor der vermeintlichen Sonntagsfahrerin aus der vermeintlichen Provinz. Muß ja nicht jeder wissen, dass ich an der Berliner Siegessäule Autofahren gelernt habe.
:-)))))))))
Danke … und Grüße aus Ostfriesland.
Wir sind vor 7 Jahren aus Bonn (ca. 320.000 EW) in ein Städtchen an der Küste gezogen (ca. 25.000 EW). Und wenn wir ab + zu mit der Bahn ins Rheinland, ins Rhein-Main-Gebiet oder Richtung München zu Besuch fahren, fühlen wir uns irgendwie als ob wir in eine ganz andere Welt kommen.
So viele Menschen, so viel Verkehr + so viele Geräusche …
Und wir freuen uns immer wieder aufs Neue, in unser „neues“ Zuhause zurück zu kehren.
Zum Thema „Odenwald, rekordverdächtige Temperaturen“ kann ich beitragen: Leider gibt es diese nicht nur im November sondern bereits den ganzen Sommer über. Beweis: Mein Olivenbäumchen hat Früchte, und keine kleinen – ich werde also in diesem Jahr die ersten Fahrenbacher Oliven ernten!
Superschön, die Herbstglotzer; haben eine Bildungslücke gefüllt.
Schöne Herbst-Grüße an alle!
Große Liebe für die Herbstglotzer <3
Ich bin vom spontanen Herbstglotzer-Fieber erfasst, bei meinem nächsten Spaziergang bei Tageslicht werde ich bereits nach Herbstglotzern Ausschau halten. Faszinierend, auf diese Idee wäre ich noch nicht gekommen, doch die entspannende Wirkung bei der Suche kann ich jetzt schon nachvollziehen!
Ja, der motorisierte Wahnsinn! Es reicht mir schon als Öffi-Benutzerin, was man da so alles an Verrücktheiten von asozialen Mitbewerber*innen im täglichen Straßenverkehrsirrsinn serviert bekommt. Niemals wieder setze ich mich hinters Steuer – und schon gar nicht im Stadtverkehr.
Weniger Individualverkehr (in den Städten) könnte tatsächlich entspannend auf die Verkehrslage einwirken. Da bräuchte es dann auch einen konsequenten Ausbau der Öffis, nicht nur in den Städten. Wäre vernünftig, wie mir scheint …
Liebe Grüße, C Stern
Spielen die Farben immer noch verrückt?
Ja, aber ich habe mir jetzt irgendwie beholfen und den Hintergrund ausgetauscht.
Also wie der Taschentuchtrick – nur anders;-)