Ich hatte heute im Büro das ganze Programm, es gibt ja so Tage, da hat man auf dem Schreibtisch und vor dem Mikrofon so eine Art riesengroße Welt im Klitzekleinen. Ich hatte es unter anderem mit einem Mann zu tun, der einem anderen in den Kopf geschossen hat, aus offenbar vergleichsweise nichtigen Gründen, ich habe wegen eines gestern abgebrannten Asylbewerberheims telefoniert und berichtet, ich habe zwei junge Leute interviewt, die vor Monaten gleich mehrere Menschenleben gerettet haben, ohne groß nachzudenken, ohne zu zögern. Und dann habe ich mich noch über ein bevorstehendes Lichterfest in der kleinen Großen Kreisstadt schlau gemacht. Ich sage es ja: das ganze Programm, die volle Bandbreite.

Nebenher habe ich via Internet die Rettung der Jungs aus der thailändischen Höhle verfolgt und die Zahlen der Ertrunkenen im Mittelmeer allein im Juni recherchiert, oder es zumindest versucht, es gibt da unterschiedliche Zahlen, und alle Statistiken haben vermutlich den Sinn, irgendwem irgendetwas zu nutzen. Dann schwirrten noch Özil und Bierhoff und der doch eigentlich längst versunkene Lothar Matthäus über den Bildschirm, dazu Bilder aus Syrien, der Herr Erdogan tauchte plötzlich auch wieder auf, und der grinsende Gerhard, und am Ende trat der nächste englische Minister zurück.

Ich habe dann den Rechner ausgeschaltet und bin nach Hause gefahren, zu den Hühnern und den Ziegen, den Hunden und der Katze, und nebenbei auch noch zu meinem Geo, und ich habe mich unterwegs gefragt, wo denn nun tatsächlich das Irrenhaus sei. Ich hatte ja hier neulich behauptet, unser Haus sei definitiv ein Irrenhaus, aber ich bin mir da nicht mehr so sicher.

Der hier im Blog neulich bereits erwähnte englische Verwandte ist ein großer Freund der ländlichen Idylle und bei jedem Besuch begeistert von Haus und Hof und Feldern und Wiesen und Ziegen und Hühnern. Bei der jüngsten fröhlichen Landpartie hat er vorgeschlagen, doch einfach einen meterhohen Zaun um das Grundstück zu ziehen, vielleicht sogar um das ganze kleine Dorf, und an jeder Seite würde er dann ein riesiges Schild anbringen, worauf stünde „Welt, leck mich am Arsch und lass uns in Ruhe!“. Das waren seine deftigen Worte, ich kann das hier nur wiedergeben. The whole world ist doch ein Irrenhaus!, fügte er an.

Die Sache mit dem Zaun ist natürlich keine Lösung, also zumindest keine langfristige. Aber ich werde heute Abend noch ein bisschen über Irrenhäuser im Allgemeinen und im Besonderen nachdenken müssen, während ich da draußen bei den Ziegen und den Hühnern sitze und Luise und Fritzi ihre Kapriolen machen und auf mir herumklettern, und  während die Küken sich laut piepsend durch das hohe Gras vorwärtsackern und etwas unbeholfen nach kleinen Fliegen schnappen. Und dann werden wir noch die Blumekohlernte 2018 verzehren und uns dabei gegenseitig versichern, dass unsere eigene kleine Welt ein wunderbarer, friedlicher Ort ist.

 

 

 

 

 

2 Kommentare zu “Nochmal Irrenhaus.”

  1. Ein Rückzugsort zu haben – der tollste, der beste, der schönste Luxus von Welt. Ganz mit dir! Was ich mich mittlerweile frage: wünschen sich die meisten überhaupt einen solchen oder brauchen sie das Gegeneinander… egal in welcher Spielart?
    liebe Grüße…

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