Seit ich auf dem Lande lebe, überfällt mich einmal im Jahr die Gelbsucht, medizinisch auch Ikterus genannt. Gnadenlos. Volle Pulle, wie man in Berlin zu sagen pflegt. Da hilft kein Arzt und keine Therapie, da helfen keine Globuli und keine heilpraktischen Tröpfchen. Ich habe mir das mit meinem Umzug in die Provinz zugezogen und werde es nun nicht mehr los.

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Die Gelbsucht zeigt sich dergestalt, dass ich mit 20 km/h über die Straßen und Gemeindeverbindungswege schleiche, entzückt rechts und links glotze und weder auf den Gegenverkehr achte noch in den Rückspiegel schaue. Ich mache mich damit hin und wieder sehr unbeliebt bei anderen Verkehrsteilnehmern, aber ich glotze und glotze und möchte das Gelb aufsaugen in meinen Kopf und dort konservieren für grauere Tage und den ganzen Rest des Jahres. Ich lasse das Fenster heruntersummen und glotze und fotografiere und ziehe den Duft in die Nase ein und sage Wow! und Unglaublich! und Nun sieh Dir das an! vor mich hin, wie so eine verschrobene Alte, jedes Jahr aufs Neue, als wäre es eine Art farbiges Weltwunder und als hätte ich es so noch nie gesehen.

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Ich denke dann weder an Monokulturen und böse Spritz- und Düngemittel, ich vergesse sogar Mord und Totschlag und den übrigen Zustand dieses merkwürdigen Planeten, und ich bilde mir ein, die Welt wäre ein friedlicher, duftender, quietschgelber Ort.

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So gesehen ist so eine kleine Gelbsucht dann und wann nicht das Verkehrteste. Und kommen Sie mir jetzt nicht mit Desensibilisierung.

 

 

 

11 Kommentare zu “Gelbsucht.”

  1. Droge – rauscht völlig, kostenlos, nicht verschreibungspflichtig, positive Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen… :)

  2. Das penetrante Gelb des Rapses – der sich ja mittlerweile auch massenhaft an den Straßenrändern ausgesät hat – empfinde ich immer als irgendwie vulgär. Genauso gelb schien übrigens plötzlich am Freitag der bis dahin grüne Traktor des Großbauern aus dem Hauptort lackiert zu sein. »Hab de Raps gschpritzd, un der is hald scho sou houch«, lautete der Kommentar des Landwirts auf meine Nachfrage. Das Ding war schlicht über und über dick mit Rapspollen bedeckt.

    1. Nein, vulgär kann ich das nicht finden. Aber wir sprechen uns wieder, wenn ich eines Tages auch gegen Raps allergisch bin, nicht nur gegen Birke und Co.

      1. Kommen Sie nie nach OWL, hier duftet Raps nach Katzenpisse, echt jetzt, gar fürchterbar!! Brr, jetzt hab ich’s wieder in der Nase, bääh!
        Aber die Begeisterung ob der Farbe, die teil ich sehr! LG, Iris

        1. Das hat hier neulich schon mal jemand gesagt, und ich wollte es kaum glauben. Bis ich dieser Tage an so einem Stinkefeld vorbeigekommen bin, grässlich! Es gibt offenbar ganz verschiedene Sorten. Da haben wir rund ums Dorf wohl Glück.

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