Die Reihenfolge geht traditionell so: Mit wohligem Schaudern Wetterwarnungen lesen, Kamera einpacken, rausgehen, knipsen. Oh!, und Aaahhh und Wow! und Tolllll! rufen. Du bist ja wettersüchtig, sagt mein Mann, nicht ganz zu unrecht. Dann schnell heim, dienstlicher Anruf bei der Feuerwehr „Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden!“, dann Handtücher auslegen, alte Zeitungen verteilen, Wassereimer aufstellen, Pfützen aus dem Keller fegen. Schimpfen wie ein oller Bürstenbinder, so ein Mist, verdammt nochmal! Dreckswetter!, lauter unchristliche Flüche.
Ich bin nämlich nur wettersüchtig, solange das Unwetter im Anflug und fotogen ist, – nicht, wenn es dann über uns steht. Zumal das Haus hier nicht ganz dicht ist. Wir sind ja aber auch nicht ganz dicht, so gesehen passt es also wieder.
Früher in der Großstadt war ich natürlich nicht wettersüchtig, das ist erst mit der Zeit auf dem Lande gewachsen. In der Großstadt gibt es in der Regel kein Wetter. Meistens nicht mal Himmel, an dem man Wetter beobachten könnte, immer nur so quadratische Ausschnitte über einem, zwischen den Häuserfassaden, da ist der Himmel, musste die Mutter mir damals erklären und dabei streckte sie den Zeigefinger in die Höhe.
Als ich gestern abend das Foto oben gemacht habe, war die Reihenfolge kurz durcheinandergeraten, ich hatte vorher noch kurz zwei Wanderer mit dem Auto schnell an den Zeltplatz am Waldrand gebracht, die wollten ihr Zelt noch aufbauen, bevor es zu regnen anfängt, hahahahahaaaa, die haben vermutlich dann ihren Rettungsschwimmer gemacht, oder zumindest das Seepferdchen, die Ärmsten. Ich bekam es jedenfalls beim Blick in den Himmel doch mit der Angst zu tun.
Solche Unwetter hat es doch früher auch immer schon gegeben, brüllt mein Geo beschwichtigend, während er nasse Handtücher auswringt und überlaufende Wassereimer aus der Halle am Haus schleppt. Anbrüllen muss er gegen das Getöse der Wassermassen, die auf das Dach klatschen, gegen den Sturm, der an den Wänden zu reißen scheint. Beim Nachbarn bricht mit einem Ächzen der uralte Kirschbaum in der Mitte durch, und am Ende sieht er (der Baum, nicht der Nachbar) aus wie eine Ballerina, die sich nach dem letzten Tanz elegant vor dem Publikum verneigt. Kopf und Äste Richtung Boden, und die Zweige mit Blättern und hunderten von hellroten Kirschen weit von sich gestreckt wie Arme.


Heute also das Ganze noch einmal, Wetterwarnungen im Minutentakt, auf dem Handy, in den Mails, privat und dienstlich, Handtücher, Zeitungen und Eimer.

Es bleibt aber alles halbwegs im grünen Bereich bisher, und den meisten Lärm verursacht heute nicht sintflutartiger Regen oder grollendes Gewitter, sondern das ohrenbetäubende Hecheln des hysterischen ängstlichen Hundes. Frollein Leni kriegt sich seit gestern nicht mehr ein, hechelt und zittert, und eigentlich bräuchte ich all die Wetterwarnungen per Handy gar nicht, denn wenn es im 80 Kilometer entfernten Mannheim ganz zart donnert, bekommt Frollein Leni hier im tiefen Odenwald schon die ersten Zustände.
Eine bessere Wettervorhersage gibt es eigentlich ja gar nicht, und so gesehen könnte ich mir die ganzen Bezahl-Abo-Wetter-Dienste sparen. Und vom so gesparten Geld mal die Regenrinne reparieren lassen. Und die Halle dichtmachen, und die Zuflüsse im Keller stopfen. (Der arme Hund. Er frisst dann auch nicht, vor lauter lauter. Das kann ja heiter werden die kommenden Tage)
Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, es donnert schon wieder. Ich muss raus.
Ach, so, Sie haben hier nur reingeschaut, weil Sie sich Neuigkeiten zum Thema #HühnchenAlarm erhofft haben? Oh, das tut mir leid. Gibt eigentlich nichts Neues. Die benehmen sich, als seien sie schon immer hier, machen das Gehege als vorwitzige Fünfer-Gäääng unsicher, und der riesige Alt-Hahn JoHahn hat weiterhin Angst vor den Kleinen. Also, alles wie gehabt: Mit leichten Irrenhaus-Vibes.
Wie immer wunderbar!
Beruhigende Grüße an den Hund.
Heute war’s nur halb so schlimm, aber gestern , fast Weltuntergang
Luftballons vom Nachbarskind flogen durch die Luft und Wasser kam durchs gekippte Fenster.
Aber tolle Fotos haben Sie gemacht und :es hätte schlimmer kommen können
…genau so, wie Norbert und M.Krämer kommentierten…
Einen guten WochenAnfang !
Vor lauter lauter 😍
Ich nehme an, den Ausdruck haben Sie im Odenwald gelernt – oder verwendet man den auch in Berlin?
Da muss ich jetzt doch tatsächlich nachdenken! Das wird so sein: den Begriff habe ich im Odenwald gelernt. Ich glaube, in Berlin sagt man sowas nicht.