Was wir den ganzen Tag so machen, das will die freundliche Bloggerkollegin immer am 5. des Monats wissen, und nu isses also schon wieder so weit.
Das hier ist der erste Arbeitstag nach einem zweiwöchigen Urlaub, das heißt also nach morgendlichem Kaffee und Hunderunde und Forellenfüttern erstmal im Home-office: Durch ungelesene dienstliche Mails kämpfen. Sie müssen sich das vorstellen wie bei einer Urwald-Expedition, ich schlage mich mit einer Machete durch den Dschungel und das Dickicht von mehreren hundert Mails in drei verschiedenen Accounts, um irgendwann, Stunden später, verschwitzt und erschöpft, Licht am Ende des Mailfachs zu sehen.
Es sind diese Momente, wo man mitunter bereut, überhaupt jemals in Urlaub gegangen zu sein, den Schreibtisch verlassen zu haben. Der verstopfte Briefkasten draußen an der Bürotür glotzt mich auch vorwurfsvoll an, die noch ungehörten Nachrichten auf dem Anrufbeantworter zwinkern mir zweideutig zu, und ich fühle mich direkt urlaubsreif.
Danach geht es dann ins wirkliche Unterholz, zu einem hochoffiziellen Termin an einem klitzekleinen See mitten im Wald. Ohne Machete. Dafür mit Minister, Landrat, Bürgermeister, es geht um Flurneuordnung und Klimaschutz, das klingt ein bisschen sperrig, erweist sich aber als durchaus spannend. Und Draußen-Termine mag ich ja ohnehin, auch wenn der Wind heute plötzlich wieder arschbitterkalt ist.(Wissen großstädtische LeserInnen eigentlich, was sich hinter dem Wort Flurneuordnung verbirgt? Ich wusste es jahrelang nicht und machte einen großen Bogen um derlei rätselhafte Themen. Finde es inzwischen wirklich faszinierend. Und wenn man das noch mit Anpassung an die Folgen des Klimawandels kombinieren kan – sehr interessant!)
Der Weg zu dem Flurneuordnungsklimawandelanpassungs-Termin ist mit Fluchtstäben und Hinweisschildern gekennzeichnet, teilt uns das Landwirtschaftsministerium freundlicherweise vorab mit, dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Ausserdem kenne ich mich im betreffenden Wald aus wie in meiner Hosentasche, also fast zumindest, das wäre doch gelacht. Vor Ort gibt es natürlich belegte Brötchen, Bier und Brezeln, so gehört sich das hierzulande bei anständigen Presseterminen.



Dann irgendwann gestärkt ins Büro, Beiträge machen und Töne schneiden, Video-Konferenzen, Telefonate, Kaffee. Aus dem Bürofenster lehnen, weil die Feuerwehr schräg gegenüber offenbar etwas Größeres vorhat und mit einem Höllenlärm durchs Städtchen rast. Die Zeit rast aber auch, und der nächste Termin wartet schon. Am anderen Ende des Landkreises, also mal schnell knapp 50 Kilometer südwärts fahren. Es rast also auch die Reporterin, die einen der flächenmäßig größten Landkreise in Baden-Württemberg betreut, naja, Sie wissen schon. So gesehen ein rasend spannender Tag bisher.

Und halbwegs rasend spannend geht es weiter, ich verfolge die Sitzung eines Wirtschafts- und Verkehrs-Ausschusses und lerne allerlei über die (voraussichtlich nicht ausgesprochen positiven) Folgen, die sich aus Stuttgart 21 für die ländlichen Räume ergeben werden (Überraschung!!), ich lerne Begriffe wie Taktlagen und Fahrgastwechselzeiten, HVZ-Verdichtungen (was immer das sein mag) und höre von finanziellen Vorbehalten. Immer dann, wenn es um mögliche Verbesserungen geht. Mit finanziellen Vorbehalten steht und fällt ja alles, nicht nur in der ÖPNV-Politik.
In einem anderen Tagesordnungspunkt geht es um Energieberatungen und den offenbar eklatanten Mangel an Fachpersonal, und wieder ein Tagesordnungspunkt weiter geht es um die Mühen der Wirtschaftsförderung im strukturschwachen Landkreis. Ich höre und höre und notiere und notiere, und zwischendurch denke ich nach, das kann ja auch nicht schaden, ich versuche, die Themen im Kopf zu sortieren, einzuordnen, abzuklopfen, was man halt so macht als rasende Reporterin.
So wird es spät und später, der 1. Arbeitstag nach dem Urlaub hat am Ende elf Stunden, und ich mache mich auf den Heimweg. Auf dem Geländer der Brücke über den Neckar sitzt eine Möwe, die ich erstaunt anglotze, dann fahre ich weiter, durch knallgelbe Rapsfelder in der regengrauen Dämmerung, aus dem Tal rauf auf die Höhen, vorbei am Katzenbuckel, durch den Wald, nach Hause.
Im Kopf – wie so oft nach solchen Tagen – eine lärmende, schier endlose Party-Polonaise aus Themen und Gedanken, vorneweg die Flurneuordnung und der Klimawandel, die HVZ-Verdichtungen und der ÖPNV, die Marketingstrategien im ländlichen Raum Hand in Hand mit Energieberatungen hinterher, und ganz am Ende schließt sich mein Geo an, der von seinem langen, vollen Tag berichtet und noch mehr Informationen in meinen Kopf stopft, und noch mehr und noch mehr.
Und jetzt gucke ich noch ein paar Katzenvideos oder irgendsowas in der Art. Naja, Sie wissen schon.
„eine lärmende, schier endlose Party-Polonaise aus Themen und Gedanken“ – was für eine schöne Beschreibung für Chaos im Kopf, nach einem langen Arbeitstag. Den Zustand kenne ich auch und manchmal beginnt der ja schon am Morgen mit dem Gedanken: Was steht heute an….
Deshalb ganz kurz: „Danke“ fürs Schreiben und Teilhaben.
Was für ein schöner bildhafter Auftakt zum Artikel, das Farbfoto strahlt eine kraftvolle Ruhe aus.
Diese Erfahrung habe ich jahrelang gemacht, mich angesichts eines übervollen Schreibtisches nach dem Urlaub gleich wieder urlaubsreif gefühlt zu haben.
Es reicht mir vollends, dass auf meinem privaten Schreibtisch immer genug zu tun ist. Man will ihn ja schließlich geordnet haben, nur ja nichts Wichtiges übersehen.
Liebe Grüße ins Nachbarland, C Stern
HVZ=Hauptverkehrszeit;-)
Wenn da verdichtet wird, dann sollen da mehr Öffis fahren, um die Pendlerströme besser wegzubringen. Mir würde ja schon froh sein, wenn in unserer Pampa zur HVZ überhaupt etwas Adäquates führe, damit man in angemessener Zeit auf Arbeit kommt und das ohne Auto in der „Deppenkarawane“.
Zu S21 liesse sich Vieles sagen. Der Kernpunkt bleibt, dass sich damit nichts verbessert für den Verkehr und dieser Bahnhof einerseits nie die Kapazität selbst des jetzigen, kastrierten Kopfbahnhofs erreichen wird und andererseits ein Erweitern praktisch nicht möglich ist. Am Ende bleibt ein überteuertes Denkmal und Spielprojekt einer Handvoll Egomanen, welche ein paar Lobbys bedient haben.
Da werden Erinnerungen wach – Bezirksredakteur einer Nachrichtenagentur – allein mit vollem Briefkasten 😂, Anrufbeantworter 😂, ohne Handy und Email (gabs nicht) . Mein Gott, das war schon hart, aber heute Überleben im Kommunikationsorkan….. würde ich das noch schaffen?
Moin,
kann man den Artikel über die Flurneuordnungsklimawandelanpassung irgendwo lesen?
Liebe Grüße
N
Der Minister war Klassenkamerad eines ehemaligen Kunden. Geschäftlich haben die beiden früher häufiger und heute gelegentlich noch miteinander zu tun. Ich höre da nicht viel Gutes aus den Niederungen der Politik. Drastischer möchte ich es nicht formulieren.